Ein Leben für und mit dem Film
Kurt Denzer zeigt eine Retrospektive aus 60 Jahren Filmschaffen
1956 gewann der damals 17-jährige Kurt Denzer beim Lippischen Amateur-Film-Club-Wettbewerb seinen ersten Preis für einen Kurzfilm. Seither sind sechs Jahrzehnte “Arbeit am und mit Film” vergangen – Zeit für den Kieler Filmemacher und -pädagogen, der die LAG (heute Landesverband) Jugend und Film, die Kulturelle Filmförderung S.-H. und das Archäologie-Film-Festival Cinarchea mit aus der Taufe hob, in einer Retrospektive zurückzuschauen, die er am Mittwoch, dem 13. Juli 2016 in der Kieler Landesbibliothek zeigt.
“Film ist mir quasi in die Wiege gelegt”, erinnert sich Denzer an seinen Vater, der das Zelluloid schon in den 1930er Jahren als Schmalfilmamateur für sich entdeckte und seinen Sohn früh mit der Filmkunst eines Clouzot oder Hitchcock vertraut machte. Gegen manche Widerstände seiner Lehrer, die es nicht gern sahen, dass der Teenager seine Freizeit nicht nur in den Berliner Kinos Cosima und am Kaiserplatz (heute Kino am Bundesplatz) verbrachte, “wo wir US-amerikanische Filme mit großen Autos und eleganten Frauen schauten”, sondern auch noch selbst Filme drehte. “Film galt damals nicht als Kultur”, erinnert sich Denzer an manche Mahnung, doch “lieber was Solides zu lernen”.
Kurt Denzer bei der Sichtung seiner Filmschätze aus “60 Jahren Arbeit am und mit Film” (Foto: jm)
Da es in der jungen Bundesrepublik noch keine Filmhochschulen gab, folgte Denzer solchem Rat zwar mit seinem Lehramtsstudium (Deutsch und Latein) in Innsbruck und später Kiel, ohne freilich die Finger von der 8-mm-Kamera und dem Schneidetisch zu lassen. Schon als Kind war er von kleinen Filmchen aus dem handbetriebenen “Dux-Kino” fasziniert und hatte auf Weißfilmstreifen, die von Papas Schneidetisch fielen, eigene Trickfilme gezeichnet. Nach dem Theaterstück eines Mitschülers drehte er 1960 den “von Dada und expressionistischer Lyrik angeregten” Experimentalfilm “Sein Bruder – Jugenddrama”, der als erster der Retrospektive zu sehen ist. Auch wenn Denzer in den 1990er Jahren eher mit seinen Dokumentarfilmen über die Wikingersiedlung Haithabu bekannt wurde, blieb er dem experimentellen Genre stets verbunden. “Meine Filme, auch die so genannt dokumentarischen, sind alle Autorenfilme. Der Unterschied zwischen Spiel- und Dokumentarfilm ist für mich nicht entscheidend. Ich wollte immer etwas ausdrücken, was mit Worten nicht geht, wie man es nur im Film kann.”
Solche Filmsprache, besonders die Kunst der Montage, lernte Denzer vor allem durch Zuschauen, als Schüler bei dem Amateurfilm-Pionier Erich Schau und von den Klassikern der Film-Avantgarde wie Eisenstein. “Wer Filme machen will, muss vor allem welche schauen”, weiß Denzer und wurde bald selbst zum Lehrenden in und mit Film. Ende der 1960er Jahre in der AG Film im Studentenwerk der CAU tätig, wo 1965 “Floret Academia” entstand, ein satirischer Film zum 300. Universitätsjubiläum, übernahm er 1979 die Leitung der Kulturabteilung des Studentenwerks und bildete fortan mehrere Generationen schleswig-holsteinischer Filmemacher aus. “Filmen, Lernen und Lehren waren für mich immer eine Einheit”, sagt Denzer, der im Auftrag des Kultusministeriums das archäologische Grabungsprojekt Haithabu zusammen mit Studenten dokumentierte und sieben Filme rund um Haithabu und die Wikinger für den Gebrauch im Landesmuseum Gottorf montierte.
Reine Dokumentar- oder Lehrfilme sind “Mit Shangri-La auf Wikinger-Kurs” (1988) oder “Beizjagd in Starigard” (2005) – beide in der Retrospektive zu sehen – dennoch nicht geworden. Seinen kritischen und kreativen Blick auf das Medium Film und seine Sprache hat Denzer nie verloren, wie sein bislang letzter Film zeigt. In “Apropos Haithabu … noch Fragen?”, mit dem die Retro schließt, spürt Denzer in einer “Travestie” “100 Jahren Archäologie an diesem mythisch beladenen Ort” nach – ganz in der Tradition seiner frühen experimentellen Autorenfilme.
Auch wenn sich damit der Bogen zum Jugendwerk “Sein Bruder” in gewisser Weise schließt, sieht Denzer eine deutliche Entwicklung im Filmemachen der letzten 60 Jahre, geschuldet vor allem den neuen technischen Möglichkeiten im Zuge digitaler Kameras und Filmschnitts. Ein technischer Fortschritt, welcher der Filmsprache allerdings nicht immer gut getan habe. “Da Filmmaterial sehr teuer war, haben wir uns damals genau überlegt, was wir wie filmen. Man hielt nicht einfach drauf, wie es heute oft geschieht, wo man fast unendlich viel Platz auf Festplatten hat. Das Schnittverhältnis lag früher bei 1 zu 1,5, höchstens 1 zu 2. Der Film entstand also zunächst im Kopf, schon vor dem Dreh.” So habe man viel konzentrierter und zielgerichteter gearbeitet.
Solche genaue Überlegung und Konzentration aufs Wesentliche sieht man allen Filmen Denzers, auch den jüngeren an, und man kann davon lernen – wie einst Denzer das filmische Handwerk und seine Ästhetik von der Wiege an. (jm)
(Zum Filmwerk Kurz Denzers siehe auch folgendes Interview zum 70. Geburtstag im Jahr 2009.)
Mittwoch, 13. Juli, 18.30 Uhr, Landesbibliothek (Kiel, Wall 47-51). Eintritt frei.