57. Nordische Filmtage Lübeck 2015:

Hoffnung auf ein Happy-End

„Rosita“ (DK 2015, Frederikke Aspöck)

Im hohen Norden Jütlands, wo die Fischer dem Meer den Fisch abringen, sind die Frauen knapp, ist das Wetter meist düster und sind die Fischerdörfer kalt und leer. Dort eine Liebesgeschichte – zumal im „Double-Bound“ – zu erzählen, traut sich die dänische Regisseurin Frederikke Aspöck nicht ohne Chuzpe.
Ulrik (Jens Albinus, harsch und nordisch, den allzu menschlichen Gefühlen seiner Figur eher gegengewandt) hat vor ein paar Jahren seine Frau verloren. Er ist Witwer, doch im Internet kann man sich Frauen bestellen, die ebenso hilf- und liebevoll sind. Zugestellt wird ihm Rosita, Philippina, die sich selbstbewusst den Nordländern anbietet, um nicht zuletzt ihrem Sohn, den sie zunächst verheimlicht, eine bessere Zukunft zu ermöglichen (stolz auch in der Darstellung: Mercedes Cabral). Eine ganz gewöhnliche Flüchtlingsgeschichte beiderseits erzählt die dänische Regisseurin Frederikke Aspöck. Die eine kommt, der andere will schon gehen – nur wohin? Komplikation ergibt sich, als Ulriks Sohn Johannes (Mikkel Boe Følsgaard, sehnsüchtig nach Entkommen, aber bodenständig „Fisk“ bei Fuß) sich in seine „Stiefmutter“ verliebt – und sie sich in ihn.
Rosita und Ulrik – zwischen Liebe und Verstand (Foto: NFL)
Es droht Vatermord, ein Ringen um die Frau, die beiden neues Leben und Liebe verspricht. Eine geradezu antike Tragödie. Doch derlei geschieht nicht im hohen Norden Dänemarks, Hamlet und seine ehedeme Verwicklung sind längst vergessen, werden aber im Subtext zitiert. Es ist die alte Geschichte: Ein Ältling liebt ein Mädchen – oder will es nur -, das hat einen Jüngling erwählt …
Könnte die Geschichte sich also auflösen, dass der Sohn seine neue Mutter bekommt? Nein, so geht’s nicht, im Leben nicht und schon gar nicht im hohen Norden. Auch nicht, weil das Gefühl nicht zählt, sondern die Vernunft: „Die jungen Männer gehen wieder, die alten bleiben bei dir, vertraue dem Verstand, nicht dem Herzen“, weiß Rositas Freundin. Und so fügen sich alle ProtagonistInnen in ihr Schicksal, das neben Liebe vor allem Sicherheit bietet in diesem wirren Leben. Und weil Rosita Sicherheit sucht, bleibt sie bei Ulrik, denn das eröffnet auch Johannes die Möglichkeit, endlich der jütländischen Provinz zu entfliehen und zu neuen Ufern aufzubrechen, schön gefilmt am Ende als „lonesome Cowboy“, riding into the sunset …
Regisseurin Frederikke Aspöck und Moderator Eckhard Bulze (Foto: dakro)
Wie Kollege jm in der lebhaften Diskussion mit der Regisseurin, moderiert von Eckhard Bulze, mag man beklagen, dass hier die (Liebes-) Träume auf das Eins-Zu-Eins des gesunden Lebensrealismus reduziert werden. Frederikke Aspöck wendet ein, dass ihr Film einer „über Hoffnung“ sei. Für alle Beteiligten. Rosita, die kein Opfer ist, sondern souveräne Managerin ihrer Zukunft, habe erreicht, was sie wollte: Sicherheit für sich und ihren Sohn bei einem Mann, der sie mit mehr als Liebe versorgen kann und sie voraussichtlich nicht verlassen wird. Sein Sohn Johannes weiß jetzt, wo er suchen muss nach Liebe und Erfüllung – jenseits der jütländischen Fischerdörfer. Happy End? Vielleicht, weil wissend, was möglich ist über unsere romantischen, aber erwachsen gewordenen, wenn nicht verwitweten Träume hinaus. (gls)
„Rosita“, DK 2015, 95 Min., Buch: Kim Fupz Aakeson, Regie: Frederikke Aspöck, Darsteller: Mikkel Boe Følsgaard (Johannes), Mercedes Cabral (Rosita), Jens Albinus (Ulrik), Julie Agnete Vang (Maja). www.facebook.com/Rositafilm, Trailer auf Vimeo.
Cookie Consent mit Real Cookie Banner