Kommentar:
Brauchen wir Filmakademien? – „Pass dich an oder verpiss dich!“
Der Statistik nach wollen die meisten Filmakademie-Absolventen ganz normal ins kommerzielle Filmgeschäft einsteigen. Was sonst auch? Kunst vielleicht?
Schon in den 60er Jahren behauptete ein berühmter Kulturkritiker, dass Film nicht Kunst sein kann, denn Kunst braucht DISTANZ um zu wirken, Film dagegen wirkt gerade dann besonders gut, wenn die Distanz zum Publikum abgebaut wird.
Ob das nun zutrifft, interessiert die meisten „Filmschaffenden“ sowieso nicht die Bohne, denn sie benutzen das Medium Film ganz sorglos nur als technisches Transportvehikel für irgendwelche dramatischen Botschaften, stramm kommerziellen Ziele oder ideologische Massenbeeinflussung. Film lediglich als Mittel zum Zweck!
Für die meisten gebildeten Deutschen sind Spielfilme die Fortsetzung des bürgerlichen Bildungstheaters mit anderen Mitteln, Dokumentarfilme erhellen den tristen Lehrbetrieb an Schulen und Universitäten, Agitationsstreifen unterstützen wirksam politische Propaganda, Werbespots leiern den Warenkonsum an. Usw. Hier wird der Film fast immer nur benutzt als blöder, geduldiger Packesel für diverse klobige Sozialpakete und flache Party-Events. „Film ist das Theater für Analphabeten“, sagte einst ein kluger Kulturist, und ein bekannter Dokumentarfilmer sekundierte: „Film ist doof!“
Der kommerzielle Spielfilm wird in Deutschland nicht sehr hoch eingeschätzt, und auch den Begriff „Unterhaltung“ bedenkt man hier gerne mit geringschätzigem Lächeln. (Musik wird von den Mitarbeitern der Neuen Medien ja auch ganz arrogant in U und E unterteilt.)
Trotzdem oder gerade deswegen diskutierten bereits in den 60er Jahren die Studierenden der DFFB (allererste deutsche Filmakademie, gegründet 1966) mit ihren Direktoren äußerst aufgeregt über den hohen medienpädagogischen Auftrag und die anspruchsvolle Ausbildungsstruktur dieses Eliteinstituts.
Jedoch auch schon damals respektierten nur sehr wenige Medienleute den Film als eigenständiges Medium und versuchten daraus eine echte Poesie des Laufbildes zu entwickeln. Dieses Genre bezeichnet der bürgerliche Sprachgebrauch ja abwertend als „Experimentalfilm“, den kaum jemand versteht und mit dem man kein Geld verdienen kann. Brotlose Kunst eben. Hallo Alltag, denn grundsätzlich gilt: Der Künstler muss seinen Weg selber finden. Dazu braucht er keine Akademie oder einen professoralen Mentor.
Der Künstler ist selbstständig.
Die vielen kommerziellen Filmemacher dagegen sollten ihr Handwerk im praktischen Tagesbetrieb lernen, denn die Medienhochschulen und Filmakademien vermitteln ihren Studierenden meist nur realitätsfernes Wissen, veraltete Technikroutine und angepasstes Szeneputzen. Geräte und Gerede!
Für diesen überflüssigen Schulbetrieb zuständig ist eine inzwischen sehr gut eingespielte Seilschaft von korrupten Bürokratieexperten, degenerierten Diplomkulturbeamten und sehr mäßigen Hochschuldozenten.
Ein vollbeschäftigter Medienschaffender oder erfolgreicher, ausgebuchter Schauspieler eignet sich nämlich in der Regel wenig für eine Akademiedozentur, die im krassen Widerspruch steht zu einem praxisnahen Berufsalltag und einem dichten Arbeitszeitplan.
Demzufolge bewerben sich meistens auch nur gescheiterte Medienleute und zweitklassige Kunsthandwerker für die Dozentenposten und Kuratorenstellen an Akademien und Hochschulen. Entsprechend theoretisch, praxisfern und staubig verläuft dann eben auch dieser Pseudolehrbetrieb, die Pappdekoration einer Schulfassade.
Weil sich zudem die Akademie- und Hochschulszene im Lauf der Jahrzehnte immer mehr der verschwenderischen Medienproduktion anpasste, hat sie sich auch entsprechend von der Außenwelt abgeriegelt. Und zwar mit zwei bewährten Mitteln: zum Einen gestaltet sie die Traditonsstruktur des Films immer religiöser, zum anderen erzeugt sie eine perfekt geschlossene Hofschranzenvereinigung der Inkompetenz.
Salopp ausgedrückt beschreibt dies alles einen Firmenverbund, dessen zwei Abteilungen eifrig dafür sorgen, dass der Laden sich ständig intern selber rechtfertigt und das Niveau zuverlässig weiter absackt. Die eine Abteilung veranstaltet schmusige Filmfestivals, die andere sorgt dafür, dass nur noch unfähigere Mitarbeiter in das heilige Spezialgelände der Medienausbildung eingeschleust werden.
Ein altgedienter Hochschuldozent der ersten Generation sagte einmal: „Was ich damals allein und frei entschieden habe, entscheiden heute vier Kollegen gemeinsam nicht.“
Hin und wieder fragen mich junge Frauen und Männer, ob es für sie sinnvoll sei, sich an dieser oder jener Medienakademie für ein dreijähriges Studium zu bewerben. Ich rate jedes Mal ab und empfehle stattdessen einen Ausbildungsweg über den praktischen Fronteinsatz am Set. Am besten eignet sich hier z.B. die Tätigkeit als 2. Aufnahmeleiter. Dort fliegen dem Mitarbeiter dann wirklich die Fetzen um die Ohren. Erst wenn jemand diese echt schwierige Arbeit ohne nennenswerten Motivationsverlust überlebt, sollte er über eine Berufswahl in Richtung Medien nachdenken.
Leider folgt kaum einer der Interessenten meinem Rat, der hier ja immerhin von einem ziemlich erfahrenen Praktiker ausgesprochen wird. Und so können jene freundlichen Ausbildungsinstitute weiterhin gewaltige Massen von Studierenden der inzwischen üblichen Gehirnwäsche unterziehen und auf den sowieso schon überfüllten Markt schwemmen, wo diese armen Denksklaven nicht selten im Nebel der Arbeitslosigkeit verschwinden. Oder sie werden selber Dozenten.
Mit großer Sorge beobachte ich die devote Rolle der Filmakademien in der Entwicklung der Medienproduktion, die ja zum Beispiel auch immer mehr von der Geräteindustrie abhängig wird. Deren Motto „Verschwende oder verschwinde“ kommt natürlich der traditionell üblichen Angeberei beim Film sehr entgegen. Jedoch garantiert bekanntlich großer Aufwand keinesfalls den Erfolg einer Produktion. Trotzdem werden die meisten Filme heute noch viel zu hoch kalkuliert und erzählen keine handfeste Story. Die Verpackung wird hier wichtiger als der Inhalt. Wo bleibt da die unterhaltende Message?
Leider hat sich auch das Ausbildungssystem also inzwischen dem protzigen Geldgetue und dem hohlen Werbegerassel der Medienproduzenten fast vollständig angepasst. Und die DFFB soll jetzt zu einer Art perforiertem Heldendenkmal hochstilisiert werden.
Als kommerzieller Filmschaffender mit 50 Jahren Produktionspraxis halte ich dagegen: Betrete nie den Drehort mit der Gewissheit, dass dich nichts mehr überraschen kann, weil du als bestens Ausgebildeter alles schon kennst, denn gerade am Set geschehen immer wieder sehr interessante, gefährliche und neue Querschläger, die man nur mit flexibler Improvisation meistern kann. Und die man auf keiner Hochschule vermittelt bekommt. Stelle dich der harten Realität vor Ort! Denke neu!
Gutes Filmemachen lernt man auf freier Wildbahn an der frischen Luft!
Deshalb sollte man auch endlich einmal ernsthaft über eine radikale Umstrukturierung der Medienakademien oder sogar über deren Abschaffung nachdenken. (Bernd Fiedler, moviedler@gmx.de, Juli 2015)
P.S.: Übrigens gibt es einen interessanten Roman, der die Filmbranche sehr realistisch schildert: „Der Hirschpark“ von Norman Mailer. Unbedingt lesen!