AV-Installation „Rites de passage II – The cave“ von Sabine Linse
Intervention und Filminstallation am Eiskeller Gut Hemmelmark (Barkelsby, Kreis Rendsburg-Eckernförde, SH)
Ein Projekt der Gesellschaft für zeitgenössische Konzepte e.V.
Eröffnung: 8. August 2015, 17 Uhr
Begrüßung: Verena Voigt M.A., Gesellschaft für zeitgenössische Konzepte e.V.
Einführung: Arne Sommer, Leiter der Filmwerkstatt Kiel
Sabine Linse: „Rites de passage II – The cave“
Rites de passage – Übergangsriten. Der Verweis auf das 1909 erschienene Buch „Les rites de passage“ des französischen Ethnologen Arnold van Gennep (1873-1957) webt sich wie ein unsichtbarer Faden in das Kunstprojekt von Sabine Linse ein. In dem magisch-wuchernden Bildkosmos der Berliner Künstlerin scheinen sich unbekannte Rituale zu vollziehen, die sich einer rationalen Ableitung entziehen und eher animistischen Naturereignissen gleichen. Irgendetwas, dessen Erklärung man irgendwie verpasst hat, das aber Abstand und Respekt verlangt, scheint sich stets in die inszenierten Bildgeschehen einzuschleichen und die ästhetische Wahrnehmung auf sich zu ziehen und magisch zu binden, den Betrachter zu verzaubern.
Sabine Linse holt weit aus. Mit ihrer Intervention an diesem entlegenen Ort, irgendwo in Schleswig-Holstein, am Eiskeller von Gut Hemmelmark in Barkelsby, unweit von ihrem Geburtsort Eckernförde, greift sie auf ein spätmittelalterliches Gemälde zurück: das „Jüngste Gericht“ (1485-1505) von Hieronymus Bosch. In der unteren Hälfte der rechten Tafel des Triptychons befindet sich der Eingang zur Hölle, den der Weltenrichter für die Sünder und Verdammten reserviert hat. Im Rahmen ihrer Beschäftigung mit dem Eiskeller auf Gut Hemmelmark hat Sabine Linse eine assoziative Identifikation des Eiskellerhöhleneingangs mit dem zur Schwelle der Neuzeit von Bosch entstandenen Endszenarios vorgenommen und gedanklich mit den Analysen des Ethnologen van Gennep verbunden. Während van Gennep die Übergangsriten als Mechanismus aus Trennungsriten, Schwellen- oder Umwandlungsriten und Angliederungsriten begreift, konzentriert sich Sabine Linse in ihrem Konzept auf die Übergangsphasen.
Die Licht-Nebel-Sound-Installation verwandelt den Eingangsbereich des Eiskellers zu einem unbetretbaren Ort der Transformation. Im Gang des Eiskellers sorgen eine Nebelmaschine und Rotlichter dafür, dass man nicht ins Innere des Berges sehen kann. Der Nebel dringt mal mehr, mal weniger nach außen und wird vom Wind durch die Landschaft getragen. Der Eiskeller auf Gut Hemmelmark gehört zu den wenigen Eiskellern, die in ihrer Form noch erhalten sind. Sein Inneres ist nicht betretbar. Ein Sturm hatte einst das Gewölbe zum Einsturz gebracht. Übrig geblieben sind der bauchige Hügel und das Eingangstor des historischen Gemäuers. Die „Schwelle“ wird zum Schauplatz einer ungreifbaren Intervention, die filmisch festgehalten wird.
Sabine Linse: „Rites de passage II – The cave“, Installationsansicht, Eiskeller Gut Hemmelmark, 2014 (Foto: Sabine Linse)
Während der ersten Begehungen in Hemmelmark wimmelte es vor Fröschen. Zeitgleich beschäftigte sich die Künstlerin mit der manieristischen Bildvorlage des Hieronymus Bosch und identifizierte nicht nur die Form des Eingangsportals, sondern auch das Froschornament im Höllentorbogen des „Jüngsten Gerichts“. In der Ontogenese des Froschs scheint symbolisch die wandlungsfähige Urschicht im Menschen eingeschrieben. Wiederholt er doch in seiner phylogenetischen Entwicklung den Übergang vom Wasser- zum Landtier, vollzieht damit einen Dimensionssprung und wird damit zu einem Musterbeispiel gelungener Transformation. Die subtile (künstliche) Soundkulisse, das sich wiederholende, fast monotone Quaken der Frösche, erzeugt eine fast einschläfernde meditative Atmosphäre. Im Kontext der Übergangsriten scheint das passende Symbol mutiger Absicherungen transformativer Lebensphasen gefunden.
Am 8. August 2015 wird dieses Szenario einmalig uraufgeführt. Dokumentiert wird die Installation in einem Kunstvideo. Die Künstlerin schreibt zur filmischen Transformation: „Die Blende ist so eingestellt, dass zu Beginn der Abenddämmerung die Landschaft ’normal“˜ hell zu sehen ist, im Laufe der Dämmerung wird sie immer dunkler. Einzige Konstante ist das rote Licht, also der innere Bereich des Berges, der sich dem Auge entzieht und der Imagination damit freien Raum lässt. Bei beiden Videos (Winter wie Sommer) handelt es sich um jeweils eine Einstellung. Es entsteht somit eine Art Fotografie, der man die Zeit zurückgegeben hat. In beiden Sequenzen werden die Zeiten der Dämmerung bis zur absoluten Dunkelheit dokumentiert wird. Morgen- und Abenddämmerung werden direkt aneinander gehängt und als Loop geschnitten, so dass eine surreale Dokumentation des Ortes entsteht. In der Fokussierung allein auf die Lichtveränderungen gibt es weder Tag noch Nacht, sondern nur unterschiedliche Qualitäten der Dämmerung. Als Zeit des Übergangs ist sie auch eine Zeit zwischen den Welten und damit des Eintritts mythischer, magischer Vorgänge.“
Der eingestürzte Eiskeller auf Gut Hemmelmark wird damit zu einem idealen Reflexionsort für Transformationsprozesse. Die Gesellschaft für zeitgenössische Konzepte e.V. entwickelt seit 2012 ortsbezogene Kunstprojekte in historischen Eiskellern in Schleswig-Holstein (siehe Publikation „Eiskeller & Himmelslöcher“, Revolver Publishing, 2014). Als Laboratorien für künstlerische Experimente werden die z.T. verfallenen Gemäuer zu diskursiven „Klimastationen“, die das vergessene Architekturdenkmal mit philosophischen, gesellschaftlichen und wissenschaftlichen Zukunftsfragen verbinden.
Sabine Linse hat in Berlin und Barcelona studiert; sie war Meisterschülerin von Rebecca Horn und u.a. durch das Else-Heiliger-Stipendium gefördert. Ihre Produktionen wurden in zahlreichen Einzel- und Gruppenausstellungen international präsentiert, sowie durch diverse Stipendien ermöglicht.
Im Spätsommer 2015 ist sie im Rahmen der internationalen Gruppenausstellung Rizoma im Museu do Estado do Pará, Belém, Brasilien vertreten; die erste Station wird am 29. August 2015 eröffnet, weitere Ausstellungspräsentationen an anderen Orten in Brasilien und in Berlin sind geplant: www.rizomart.net.
Das Projekt „Rites de passage“ wird von der Filmförderung Hamburg Schleswig-Holstein und der Filmwerkstatt Kiel gefördert. Weitere Informationen zur Künstlerin: www.sabinelinse.de.
Am 8. August 2015 findet eine Präsentation auf Gut Hemmelmark statt. Die Installation ist nur an diesem Abend zugänglich. Um Anmeldung per E-Mail wird gebeten. Das Sommerszenario wird in der Originalinstallation zu sehen sein; das Winterszenario als Kunstvideo. Festes Schuhwerk erforderlich.
Kontakt:
Gesellschaft für zeitgenössische Konzepte e.V., Verena Voigt M.A.
Kanalstr. 36, 24159 Kiel
Mobil: 0163-1911669
E-Mail: kontakt@verena-voigt-pr.de
(nach einer Pressemitteilung der Gesellschaft für zeitgenössische Konzepte e.V.)