19. Filmfest Schleswig-Holstein 2015
Das Familiäre der Fremde
Sechs Filme wurden beim 19. Filmfest Schleswig-Holstein in der Kieler Pumpe ausgezeichnet
Nicht weniger als 38 Filme wetteiferten vom 19. bis 22.3.2015 beim 19. Filmfest Schleswig-Holstein in der Pumpe um die von der Kulturellen Filmförderung S.-H. und der Pumpe gestifteten Preise für Kurz- und Langfilme sowie um den von der Kieler Tatort-Produktionsfirma Nordfilm erstmals ausgelobten Nachwuchspreis.
Die anwesenden Preisträger, Team und Jurys bei der Preisverleihung (v.l.: Arne Sommer (Festivalleiter), Astra Zoldnere (Jury), Eckhard Pabst (Moderator), Maya Connors (Jury), Adalbert Schwede (Preisgeldstifter Die Pumpe e.V.), Maureen Adlawan (Jury), Birgit Hansen (Preisgeldstifer Kulturelle Filmförderung e.V.), Margareta Kosmol (Preisträgerin Nachwuchspreis), Urte Alfs (Preisträgerin Kurzfilm), Dietmar Kraus (lobende Erwähnung), Johannes Pollmann (Nachwuchsjury), Kerstin Ramcke (Preisgeldstiferin Nordfilm Kiel), Moritz Boll (Nachwuchsjury), Claudia Schmidt (Nachwuchsjury) – Foto: Studio23, Alex Kock)
Bei letzterem war sich die Jury „ziemlich schnell einig“, dass ihn die erst 15-jährige Kronshagener Gymnasiastin Margareta Kosmol gewinnt. Ihr 9-minütiger Dokumentarfilm „Rot = Grün“ über das armenische „Dorf der Störche“, aus dem aufgrund von Armut und Korruption in der ehemaligen Sowjetrepublik immer mehr Menschen abwandern, aber umso mehr Störche neue Nester bauen, finde „souverän“ eine „einfache filmische Metapher für ein großes Thema“, so die Jury. Einen einheimischen Taxifahrer lässt Kosmol die Wandlung des Dorfs erzählen, welche „Heimatgeschichte“ dadurch ungemein authentisch und höchst aktuell wirkt.
Um eine fremde Heimat und Familie geht es auch in Urte Alfs’ formal wie erzählerisch eigenwilligem Dokumentarfilm „Meine Lieben Zuhause“, der den 2. Kurzfilmpreis gewann. Über 80 Postkarten der Familie Matzat fand Alfs in einem Berliner Antiquariat und erzählt anhand derer fragmentarisch und sich doch zu einem Zeitgeistpanorama fügend die Geschichte der in der DDR lebenden Familie von den 50er Jahren bis zur Wende. Alfs reiste zu den „Schauplätzen“ der Postkarten, filmte deren gegenwärtige Gestalt und spürt so uns heute fremd erscheinenden Orten und Zeiten nach. Bewusst habe sie nicht nach den Postkartenschreibern recherchiert, sie wollte deren Geschichte nur anhand von Fotos und der telegrammartigen Kommunikation unter ihnen entwerfen.
Umso ausführlicher, gut zwei Stunden lang, erzählt der aus Lübeck stammende Jonas Rothlaender in „Familie Haben“ die Geschichte seiner eigenen, die sich um den Großvater, Stalingrad-Veteranen und heute in einer fremden Scheinwelt windiger Geldspekulationen lebenden Patriarchen rankt. „Wie auf dem Weg einer psychoanalytischen Selbsttherapie begibt sich der Filmemacher in die Abgründe seiner Familie“, urteilte die Jury in ihrer lobenden Erwähnung.
Dass Heimat etwas ist, das man aus ihrer Fremde gewinnt, zeigt der Hamburger Karsten Wiesel in seinem Kurzporträt der „Hochbrücke Brunsbüttel“. Wie er den „monströsen Klangkörper“ in „seiner Eigenfrequenz“ filmisch in Schwingung und damit auch die Zuschauer „in Vibration versetzt“, war der Jury den 1. Kurzfilmpreis wert. Für einen ähnlichen Ansatz, nämlich das Fremde im Familiären zu spiegeln, wurde Susanna Salonen für ihren Spielfilm „Patong Girl“, in dem ein deutscher junger Mann sich in einen thailändischen Ladyboy verliebt, mit dem 2. Preis der Langfilme ausgezeichnet. Den 1. Preis gewann Ines Thomsen mit „Ein Papagei im Eiscafé“. „Beobachtungen in Friseursalons unterschiedlicher Nationalitäten in Barcelona eröffnen ein Kaleidoskop von Träumen, einen Ort, der nicht nur dort zu finden ist, sondern auch in uns selbst“, fasste die Jury den Inhalt dieses Dokumentarfilms über eine wiederum im familiären Blick erfahrbare Fremde zusammen. (jm)