18. Filmfest Schleswig-Holstein 2014
Rosia Montana – Dorf am Abgrund
Doku von Fabian Daub
„Welches europäische Land nimmt seiner Bevölkerung den Besitz ab und verkauft ihn ins Ausland?“ fragt eine alte Rumänin, die für ein Großprojekt ihr Haus und den Ort, an dem sie ihr ganzes Leben verbracht hat, aufgeben soll, um es gegen ein seelenloses Neubaugebiet einzutauschen. In Rosia Montana gibt es die größten Goldvorkommen in Europa. Ein Fluch, denn die kanadische Gold Corporation will das letzte Gold aus den Bergen „quetschen“. Mit fatalen Folgen.
Inhalt
Unter den alten Häusern und Gärten des historischen Karpatendorfs RoÈ™ia Montană lagern die größten Goldvorkommen Europas. Ein Bergbaukonzern mit starken ausländischen Investoren plant, große Teile des Ortes und der Umgebung dem Erboden gleichzumachen, um an das begehrte Edelmetall zu kommen. Das Projekt sieht den Bau einer gigantischen Tagebaumine vor. Zur Gewinnung des Goldes soll hochgiftiges Zyanid verwendet werden – vielleicht ein notwendiges Risiko um die Gegend wirtschaftlich zu entwickeln – aber möglicherweise fatal für die wunderschöne Natur in der Region. Die Bewohner des uralten Fleckens inmitten der wildromantischen Bergnatur sind gezwungen ihre Heimat zu verlassen. Viele haben sich für die Umsiedlung entschieden, aber eine kleine Gruppe stemmt sich mit aller Kraft gegen die Zerstörung ihrer Häuser. Die Menschen verteidigen diese mit allem, was sie haben.
Ein Dorf kämpft für seine Heimat
Seit mehr als 2.000 Jahren wird in dem Karpatendorf RoÈ™ia Montană Gold abgebaut. Doch nun soll der Ort, wie andere, dem privatwirtschaftlichen Großprojekt der in Kanada ansässigen Firma Gabriel Resources weichen. Von Bergsprengungen und Schlackeseen, in denen die giftigen Rückstände der Goldgewinnung gesammelt werden sollen, ist die Rede. Die Einwohner werden in ein modernes Neubaugebiet mit fließend Wasser und Gas umgesiedelt, Annehmlichkeiten, die RoÈ™ia Montană nicht bieten kann. Filmemacher Fabian Daub geht in seinem Film der Frage nach, warum die verbleibenden Einwohner trotz Armut und Arbeitslosigkeit um jeden Preis in ihrer Heimat bleiben wollen. Dazu interviewt er zahlreiche von ihnen und fragt sie, was sie an ihren Ort bindet. Auch die Gegenseite kommt zu Wort.
Helmut Schulzeck (l.) im Gespräch mit Fabian Daub und Ingo Scheel (Foto: Jessica Dahlke)
Neubaugebiet: Ein Ressort ohne Seele
Schnell wird klar, dass hier zwei Welten aufeinanderprallen. Die eine Seite, die gebetsmühlenartig Wohlstand und Arbeitsplätze verspricht und die andere, die mit fehlenden Zähnen und in deutlich sichtbarer Armut lebend von RoÈ™ia Montană schwärmt. Was für die Einen eine Errungenschaft ist, ist für die Bewohner des Ortes eine Qual, denn die Seelenlosigkeit ihres neuen Quartiers ist sofort zu erkennen. Stark erinnert das Ganze an den „weißen Mann“ des 19. und 20. Jahrhunderts, der mit ähnlichen Siedlungen Ureinwohner zu zivilisieren versuchte. Hier gibt es zwar allen Luxus der modernen Welt, aber eben auch nicht mehr. Wo soll der Landwirt hin, der liebevoll das Futter für seine Schweine und Hühner abschmeckt und mit seinem Ackergaul spazieren geht? In den schicken Vorgarten mit dem Vieh? Wohl kaum. Die Bilder des Neubaugebietes machen auch den Zuschauer schwermütig, wo sich ein baugleiches Haus neben das andere reiht. Die soziale Katastrophe ist vorprogrammiert, auch wenn diese im Film nicht direkt thematisiert wird. Die Bilder sprechen für sich.
Heimat ist unbequem fürs Kapital
Dem tristen Neubauten stellt Fabian Daub spektakuläre Luftaufnahmen der Karpaten gegenüber, die die atemberaubende Landschaft zeigen, in der RoÈ™ia Montană liegt. All das würde zerstört, wenn die Gold Corporation den Abbau beginnt, heißt es. Der Film wird damit Zeuge eines wichtigen menschlichen Bedürfnisses, das in der kapitalistischen Welt keinen Platz mehr zu haben scheint: Dem Wunsch nach Heimat. Er fragt, ob der Mensch dem großen Kapital weichen muss oder ob es diesen einen Funken Hoffnung gibt, mit vereinten Kräften das zu retten, was den Menschen fern ab von Konsum und Bequemlichkeit wirklich zufrieden und glücklich macht. Eine wirklich sehenswerte Dokumentation. (Jessica Dahlke, zuerst erschienen unter www.kult-literaten.de/rosia-montana)
„Rosia Montana – Dorf am Abgrund“, Deutschland, Rumänien 2012-13, 78 Min., Regie: Fabian Daub, Kamera: Ulf Behrens, Ingo Scheel, Schnitt: Astrid Rieger, Ton: Michael Gentner, Iris Mayer, Aaron Figursky, Musik: Zarada. Deutscher Trailer.