18. Filmfest Schleswig-Holstein 2014

Kommentar zum Workshop 1: “Hat Schleswig-Holstein eine Filmszene?”

In die sehr angeregte Diskussion zum Thema “Filmszene SH” mochte ich nicht eingreifen, da ich als beobachtender und dokumentierender Journalist für infomedia-sh vor Ort war. Deshalb wähle ich die nachträgliche Form des Kommentars, um meine Meinung und Vorschläge einzubringen, denn auf die eine oder andere Weise bin auch ich Teil der Filmszene. Ob als Filmveranstalter für lokale Dokumentarfilme, Experimentalfilme oder seltene Genrefilme, Gelegenheits-Kurz- und Dokumentarfilmer oder eben Rezensent und ehrenamtlicher Mitarbeiter von infomedia-sh. Mit praktisch allen im Artikel genannten Institutionen und Protagonisten hatte oder habe ich Berührungspunkte.
Die in der Diskussion aufgeworfenen Fragen und Wünsche sind nicht neu, aber eben scheinbar auch nicht zufriedenstellend gelöst: Vernetzung der Filmschaffenden im Land, Ausbildungsmöglichkeiten außerhalb einer Filmschule (die es ja nun in SH nicht gibt), Unterstützung bei Drehbucharbeit und Projektkalkulation. Zudem das vielleicht unlösbare Problem, das man als Filmschaffender in SH praktisch keine Möglichkeit zur Vollerwerbstätigkeit hat (mit Ausnahme der Arbeit z.B. für den NDR oder einer assoziierten Produktionsfirma). Letzteres Problem lässt sich leider nicht aus der Welt schaffen, denn selbst an den Medienstandorten wie Hamburg oder Berlin haben es Medienschaffende schwer. Und dort werden wesentlich mehr und größere Projekte produziert. Den Beteiligten in der Diskussionsrunde ging es aber sicher weniger um die industriellen als um die kulturellen Aspekte eines Filmschaffens in SH. Um freie und vielleicht geförderte Projekte, die originär etwas mit dem Land und seinen Menschen zu tun haben. Sei es, dass sie Land und Leute zum Gegenstand haben oder künstlerischer Ausdruck von Schleswig-Holsteinern sind.
Aus meiner Sicht ist die “Szene” im Land sehr lebendig, vielseitig und ergiebig. Allein in Kiel reicht die Bandbreite von den anarchisch-experimentellen Arbeiten der Filmgruppe Chaos oder Kai Zimmers über die bunte Vielfalt studentischer Kurzfilme bis hin zu den persönlichen und gleichzeitig sendetauglichen Dokumentar-Langfilmen von Christoph Corves, Kay Gerdes oder Helmut Schulzeck. Wir haben mehrere Festivals im Land, von den Flensburger Kurzfilmtagen über die Augenweide resp. das Filmfest SH bis hin zu den Nordischen Filmtagen in Lübeck und dem Naturfilmfestival Greenscreen, um nur die wichtigsten zu nennen. Das Angebot der Programmkinos (zumindest in Kiel und Lübeck) ist hervorragend und wird durch etliche kleine, freie Filmreihen ergänzt. Filmnachwuchs, aber auch arrivierte Filmemacher, werden durch diverse Institutionen unterstützt, siehe Artikel.
Aber es gibt Knöpfe an denen man drehen kann, um z.B. die Vielfalt an Angeboten, aber auch die Protagonisten der Filmszene im Land sichtbarer zu machen. Auch mir ging es so, dass ich lange Zeit gebraucht habe, um alle Möglichkeiten kennenzulernen und zu nutzen. Eine Art “Film- oder Medienguide SH” wäre da äußerst hilfreich, natürlich zeitgemäß in digitaler Form, also z.B. Webseite. Auf dieser wären alle genannten Institutionen, Festivals, Spielstätten, Veranstaltungen etc. gelistet und vorgestellt. Das verhilft zum Durchblick.
Eine Online-Liste von Filmschaffenden aus allen Bereichen wäre wünschenswert. Für eine Institution ist so eine öffentliche Datenbank auch aus datenschutzrechtlichen Gründen eine delikate Angelegenheit. Aber es gibt Plattformen wie “crew united”, die Möglichkeiten zur Suche von Filmcrews bieten. Letztendlich wäre hier wohl eher eine private Initiative gefragt.
Seminare zur Drehbucharbeit, Produktionsvorbereitung und -umsetzung gibt es in Hamburg, Berlin oder München zu Hauf. Aber natürlich freuen sich lokale Filmschaffende auch über lokale Angebote, die auf ihre Situation eingehen. Die gab es in der Vergangenheit auch, müssen aber vielleicht wiederholt aufgelegt werden. Eine Förderung von Drehbucharbeit durch die Filmwerkstatt bzw. die Filmförderung war immer mal wieder im Gespräch, wurde dann aber doch nicht umgesetzt. Denkbar wäre z.B. ein Modell, nach dem in jeder Fördersaison aus eingereichten Treatments sagen wir fünf ausgewählt werden, die mit jeweils drei Tagen Script-Doctoring gefördert werden. Nicht also mit Bargeld, sondern Stoff-Entwicklung mit Hilfe eines Drehbuchprofis. Die Kosten wären überschaubar, aber 10 Drehbücher im Jahr würden eine substantielle qualitative und moralische Aufwertung erfahren. Und wie wir alle von Billy Wilder wissen: Die drei wichtigsten Dinge für einen Film sind “Story, Story und Story”.
Abschließend ein paar Anmerkungen und Erklärungen zum infomedia-sh Newsletter, der wiederholt in der Diskussion angesprochen wurde. Entstanden aus einem Brief an die Mitglieder der Kulturellen Filmförderung wurde infomedia-sh über ein Jahrzehnt von der Kulturellen Filmförderung SH e.V. und dann gemeinsam mit der FFHSH getragen. Das Konzept von infomedia-sh war und ist ein anderes als ein reines Vereins- oder dann Förderungs-Mitteilungsorgan. Von vornherein war infomedia offen für Inhalte und Mitteilungen aus den angrenzenden Medienbereichen im Land oder gar für Festival-Einreichungsaufrufe außerhalb von SH. Darüber hinaus haben die Mitarbeiter von infomedia auch Rezensionen zu geförderten, aber auch ungeförderten Filmen geschrieben. Dazu gab und gibt es keine Verpflichtung, das war stets eine freiwillige Leistung, die zum Filmdiskurs beitragen wollte und den Filmemachern auch zitierfähige Besprechnungen zur Verfügung stellen wollte. Dass auch nicht geförderte Filem besprochen wurden, sofern uns Filmemacher darum gebeten haben, gab oft Anlass zu internen Diskussion. Aber für uns infomedia-Schreiber war immer klar, dass wir versuchen würden, infomedia als Plattform für das gesamte Film- und Medienschaffen im Land offen zu halten. Dazu gehört auch die Berichterstattung von Festivals im Land sowie vom wichtigsten Filmfestival auf deutschem Boden, der Berlinale. Dabei lag der Schwerpunkt auf geförderten Filmen, deutschen Filmen und dem Dokumentarfilm, der ja in SH einen besonderen Stellenwert hat. Ein bisschen Freiraum für Rezensionen zu besonderen Filmen haben wir uns dabei eingeräumt. Dies ging und geht aber nie auf Kosten von “lokaler” Berichterstattung.
Die technische Plattform von infomedia hat über die Jahre eine von den meisten unbemerkte Umstellung erfahren, die lange diskutiert und vorbreitet wurde. Statt eines Blogs mit WordPress haben wir uns 2009 für ein originär entwickeltes Redaktionssystem entschieden, das insbesondere der automatischen Verlinkung von Inhalten auf infomedia-sh und dem Archiv gerecht wurde. Auf letzteres sind wir mit Recht stolz, die Suchfunktion arbeitet hervorragend und die verfügbaren Inhalte suchen ihresgleichen im Land. Die Redaktion hat gerade bei der Aufarbeitung des “Backkataloges” von Artikeln einiges geleistet. Jeder Filmemacher, der über Jahre seine Meldungen und Rezensionen auf infomedia veröffentlicht sah, wird wohl bestätigen, dass sie in Suchmaschinen meist in den obersten Rängen auftauchen.
Was nicht heißen soll, dass die Redaktion von infomedia sich Änderungen oder Ergänzungen verschließen würde. Tatsächlich haben wir schon oft z.B. über eine Facebook-Ergänzung gesprochen, und mit dem “Berlinale-Blitz” haben wir auch mit zeitnahen Kurzmitteilungen a la Twitter experimentiert.
Infomedia-sh wäre in der Tat die Plattform für das Film- und Mediengeschehen in SH. Seit Anfang des Jahres gibt es zwar keine finanzielle Unterstützung mehr durch die Filmwerkstatt der FFHSH, aber eben auch keine redaktionellen Vorgaben mehr. Es wäre Zeit für eine ausführliche Diskussion und Neu-Ausrichtung von infomedia-sh durch die Mitglieder der Kulturellen Filmförderung.
Allerdings gab und gibt es ein entscheidendes Hindernis: Die Finanzierung. Insidern war schon immer bekannt, dass infomedia für das, was es leistet (geschweige denn, was es leisten soll), eindeutig unterfinanziert ist. Infomedia hat nur durch die unbezahlten Überstunden der Stammredaktion und die ehrenamtliche Mitarbeit das leisten können, was die Leser mittlerweile über ein Jahrzehnt (!) gewohnt sind. In welcher Form und in welchem Umfang diese Arbeit in Zukunft fortgesetzt wird, hängt nun an dem alleinigen Träger, der Kulturellen Filmförderung e.V.
Vielleicht muss auch sie sich neu ausrichten – auf die jungen Filmemacher, die dieselben Anliegen und Probleme haben wie vor 25 Jahren die Gründer der Kulturellen Filmförderung, aber heutzutage andere Kommunikationsformen und Arbeitsverhältnisse pflegen. Auch die Medien selbst haben sich stark verändert und gehen fließend ineinander über. Vielleicht ist es sinnvoll und an der Zeit, die Kulturelle Filmförderung zu einer Kulturellen Medienförderung auszuweiten. Freie, im Land Schleswig-Holstein verwurzelte Medienschaffende ins Boot zu holen, könnte zu einer Vernetzung und gegenseitigen Befruchtung weit über die bisherigen Vorstellungen hinaus führen. (dakro)
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