18. Filmfest Schleswig-Holstein 2014

Zukunftsweisende Spurensuchen

Die Preisträger des 18. Filmfests Schleswig-Holstein

Dokumentarfilme sind weiterhin eine besondere Stärke im kleinen Filmland Schleswig-Holstein, wie nicht nur das Programm des 18. Filmfests Schleswig-Holstein zeigte, sondern auch die drei Preisträger samt einer lobenden Erwähnung. Alle vier Filme bewiesen, welche innovativen und kreativen Potentiale das Format Dokumentation bietet, inhaltlich und in der Auseinandersetzung mit der Form.
Den mit 2.000 Euro dotierten und von der Kulturellen Filmförderung S.-H. gestifteten Hauptpreis für einen langen Dokumentarfilm gewann die israelische Regisseurin Yael Reuveny für „Schnee von Gestern – Farewell Herr Schwarz“. Die Jury, bestehend aus Alexander Thiele sowie den letztjährigen Preisträgern Carmen Blazejewski und Gerd Kroske, lobte, wie sich die Regisseurin „auf ihrer Recherche der eigenen Familiengeschichte selbst aussetzt und trotz tiefer Verwundungen unbestechlich um die Distanz, die allen Protagonisten gerecht wird, kämpft“. Der Film, der ab 10. April bundesweit in die Kinos kommt, verbindet die Spurensuche nach zwei Zweigen einer jüdischen Familie, die sich nach dem Holocaust gegenseitig für ausgelöscht hielten, mit deren – wenn auch nach wie vor vom Schmerz des Verlusts geprägten – „Wiedervereinigung“ und wird damit selbst zu einem verbindenden, versöhnenden Teil neu geknüpfter Familienbande. Das Dokument ist Baustein einer neuen Zukunft und weist damit über sich hinaus – für Yael Reuveny „das schönste Ergebnis meiner Recherche“, wie sie im Filmgespräch bekennt.
Regisseurin Yael Reuveny im Filmgespräch mit Filmwerkstatt-Leiter Arne Sommer (Foto: Jessica Kordouni)
Spuren der Vergangenheit muss man lesen, um die Zukunft gestalten zu können. So lobte die Jury an der Kurzdoku „Am Rande“ von Pablo Narezo, Maya Connors und Yasmin Angel, die den mit 1.000 Euro ex aequo geteilten und von der Pumpe gestifteten Preis für einen Kurzfilm gewann, „uns die Bilder eines Ereignisses, das die Medien nur unscharf, sparsam und nebenbei zur Kenntnis geben, in ihrer emotionalen Wucht“ ins Gedächtnis zu rufen: den Fall der Cap Anamur, deren Kapitän Schmidt 2004 im Mittelmeer schiffbrüchige Flüchtlinge aus dem Sudan rettete und dafür von den italienischen Behörden kriminalisiert wurde. Ein Beispiel für Zivilcourage gegen eine unmenschliche Politik der EU, die sich an ihren Grenzen gegen Flüchtlinge abzuschotten versucht, für das eine filmische Gegenöffentlichkeit geschaffen und der Dokumentarfilm sich erneut seiner politisch eingreifenden Funktion bewusst wird.
Waren es bei diesen Preisträgern vor allem die inhaltlichen Aspekte, welche die Jury überzeugten, ist es beim zweiten Kurzfilmpreisträger die formale Gestaltung. Die lettische Filmemacherin Astra Zoldnere porträtiert in „Treasures of the Sea“ das Baltikum in seiner eng mit dem Rohstoff Fisch verbundenen Kultur ebenso allegorisch wie poetisch und „handwerklich verblüffend mit sicherem Gespür für Kadrierungen, Rhythmus und Einstellungslängen“, so die Laudatio.
Astra Zolderne freut sich über ihren Preis für „Treasures of the Sea“ (Foto: Helmut Schulzeck)
Ebenfalls für die poetische formale Gestaltung erhielt Urte Alfs’ Videoinstallation „Osmose“ eine lobende Erwähnung. Vorgefundenes Material aus Lehr- und Wissenschaftsfilmen verwebt die Berliner Künstlerin zu einem experimentellen Dokumentarfilm, der Diffusion und Osmose als zentrale Bewegungsgründe allen Lebendigens zeigt und dabei selbst zu einer Art Osmose der Bilder führt. (jm)

Die Preise und Jury-Begründungen im einzelnen

Für einen langen Dokumentarfilm, dotiert mit 2.000 Euro, gewinnt:
„Schnee von Gestern – Farewell Herr Schwarz“ von Yael Reuveny
Begründung: Konzentriert auf eine einzige Familienfotografie begibt sich die Regisseurin auf eine Reise in die Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft ihrer Familie, die im Holocaust zerstört wurde. Sie setzt sich auf ihrer Recherche der eigenen Familiengeschichte selbst aus und kämpft trotz tiefer Verwundungen unbestechlich um die Distanz, die allen Protagonisten gerecht wird. Sie fügt zusammen und weist ins Offene.
Für einen Kurzfilm, dotiert mit 1.000 Euro, gewinnt:
„Am Rande“ von Pablo Narezo, Maya Connors, Yasmin Angel
Begründung: Dem Film „Am Rande“ gelingt es mit einfachen filmischen Mitteln, uns die Bilder eines Ereignisses, das die Medien nur unscharf, sparsam und nebenbei zur Kenntnis geben, in ihrer emotionalen Wucht zu zeigen.
Für einen Kurzfilm, dotiert mit 1.000 Euro, gewinnt:
„Treasures of the Sea“ von Astra Zoldnere
Begründung: Gefangen, verarbeitet und verspeist wird Fisch. Ein Lebensmittel in einem handwerklich verblüffenden Film durch seine ästhetischen Entscheidungen: mit sicherem Gespür für Kadrierungen, Rhythmus und Einstellungslängen erzählt uns die Regisseurin seinen Weg.
Eine lobende Erwähnung erhält:
„Osmose“ von Urte Alfs
Begründung: Bilder und Töne kommen zusammen, die ihren Ursprung nicht auf Anhieb preisgeben. Rhythmus und Montage erschaffen einen neuen Kontext, Osmose in ihrer Vitalität wird sichtbar.
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