18. Filmfest Schleswig-Holstein 2014
Triebkraft und Rhythmus des filmisch Lebendigen
“Osmose” (Urte Alfs, D 2011)
Diffusion und die auf ihr beruhende Osmose sind physikalische Phänomene, die essentiell für alle Lebensvorgänge sind, beruht doch jeglicher Stoffaustausch zwischen Innerem und Äußerem der Zelle auf ihnen. Zahlreiche (historisch angestaubte) Lehr- und Wissenschaftsfilme, real oder animiert, verdeutlichen diesen Mechanismus und verschleiern in ihrem mechanistisch, ultra-dokumentarischen Gestus zugleich dessen rhythmische Lebendigkeit. Die Berliner Künstlerin Urte Alfs spürt diesem Rhythmus nach, indem sie das found footage der filmischen “Osmose”, der Montage, unterzieht.
Dass sich dabei Mikro- und Makrokosmos in ihren Bildern ähneln, zeigen “Match-Cuts” zwischen durch Gewebe geisternden Amöben und Gasausbrüchen in der Sonnenatmosphäre. Und selbst das Fließband wird so zu einem osmotischen Stoffaustausch – nebst Tänzern als bewegte Zellen in der Weite des ruhigen Raums. Alles ist im Fluss, solange der beständige Stoffaustausch stattfindet. So fügen sich auch sterile Bilder von chemischen Titrationen (Stoffumwandlungen) in den osmotischen Bilderkosmos, ja das bewegte Bild selbst erscheint als Diffusionsvorgang, membranischer Austausch von allegorischem Sinn.
Alles im osmotischen Fluss zwischen Zellen und Bildern (Still aus “Osmose”)
Solche “elastischen Arbeitsprozesse” verkündet der ebenso kollidierend wie kommentierende Soundtrack aus den Lehrfilmen und einer ambienten Klangcollage. Bild, Klang und ihre Montage führen zu einem ganzheitlichen Filmfluss, der Atem und Puls gleichermaßen repräsentiert, wiederum zentrale Vorgänge des Lebendigen.
Der in allem gegenwärtige physikalische Prozess der Osmose wird so zu einem der Kunst. Physik und Biologie, die “harte” und die “weiche” Naturwissenschaft, werden zum Bildlieferant für im mehrfachen Sinne sinnliche Geankenbilder – das Lebendige, letztlich ein Film. Und Kunst etabliert sich neben der Naturwissenschaft als probates Erkenntnismedium für Leben und Welt. “Osmose” ist somit auch eine Studie über die lebendigen Mechaniken des Filmischen. (jm)
“Osmose”, D 2011, 27:40 Min., Regie, Kamera, Ton: Urte Alfs