18. Filmfest Schleswig-Holstein 2014
Wenn’s den Alten zu bunt wird
„Beige“ (Sylvie Hohlbaum, D 2012)
Man sieht es überall: Wer Ü60 ist, verbeiget. Und ab 70 ist die hell gedeckte Farbe Legion. Alte Menschen wollen jung scheinen und tragen daher Beige, die Farbe der Gentrifizierung. Man kennt derlei aus allerlei Blogs, aus der Wissenschaft gar, wo Alternssoziologen wie Klaus R. Schroeter (Uni Kiel) das Phänomen untersucht haben. Zu komisch ist allerdings die sich verbiegende Verbeigung, als dass sich jüngere, noch buntere Menschen nicht darüber lustig machen könnten.
Sylvie Hohlbaum macht das, macht es aber auch wieder nicht, indem sie die Alten zu ihrer Uniform interviewt und dabei Selbstgewisse entdeckt. Beige is beautifull – nur wissen das die bunten Jungen nicht, die meinen, die Alten würden „schon zu Lebzeiten verblassen“. Nix da, wie Rocker-Kollege Raupe aus der Bar um die Ecke weiß: „Es ist ihnen alles zu bunt geworden, die Augen werden so träge, dass sie gedeckte Farben brauchen.“
„Massen-Verbeigung“, die beim Einkauf bei H&M noch ohne Krankenschein geht. Denn Beige ist die Farbe der Zukunft, nicht Fisch und nicht Fleisch und daher bürgerlich „right“. Wer alt ist, braucht sich nicht mehr zu ent- und unterscheiden, braucht keine Botschaft mehr auf der letternden Brust schriller T-Shirts, er oder sie kann sich farblich bedeckt halten, um vollfarbig zu erscheinen.
Auf der Flucht vor der Verbeigung: Regisseurin Sylvie Hohlbaum (Foto: Tamtam Film)
Sylvie lässt sich gleichwohl von einer Armee von Beigen über den grünen Deich jagen, denn Grüne sind in ihrem Öko-Ehedem-Gehabe längst schon beige – wie die Schafe, die dort friedlich grasen. So sieht am Ende auch Sylvie früh verbeiget ganz gut aus, denn immer jünger werden die Beigen. Horror? Nein, liebevolle Beobachtung einer Revolution zumindest in Farbe, verblassend evolutionär. So kann das Alter kommen, es wird uns nicht zu bunt, und wir bleiben – leidlich – hübsch. (jm)
„Beige“, D 2012, 14 Min., Regie: Sylvie Hohlbaum, Kamera: Mark Liedtke, Ton: Rolf Manzei. Infos zum Film auf Facebook.