Die Umnutzung eines Baudenkmals
„Wasserturm reloaded. Wenn Wasser Wohnraum wird“ (Klasse 12b des „RBZ Wirtschaft. Kiel“, D 2013)
Der Wasserturm Ravensberg zählt zu den wenigen bedeutenden erhaltenen Baudenkmälern in Kiel. Auf einer Anhöhe gelegen ragt er mit seiner breiten, imposanten Backsteinfassade unübersehbar über seine Nachbarschaft hinaus und prägt mit seiner harmonischen Gestalt die ganze Umgebung. Die Fördestadt war durch die Nachkriegsjahrzehnte hindurch dafür bekannt, dass sie nicht gerade pfleglich mit ihren Gebäuden umgegangen ist, die nicht im Zweiten Weltkrieg zerstört wurden, sondern sie gerne hat abreißen lassen. Immer wieder musste als Begründung dafür die leere städtische Kasse herhalten. „Kiel hat kein Geld, das weiß die Welt“ hieß und heißt der ewig gleiche Schlager, wenn es darum ging und geht, sich nicht zimperlich über denkmalpflegerische Bedenken und Einwände zugunsten des finanziellen Ertrags hinwegzusetzen. Auch beim Wasserturm in Ravensberg spielt das eine entscheidende Rolle.
Wasserturm Ravensberg (Foto: Wikipedia)
Dieses Thema macht den Film „Wasserturm reloaded. Wenn Wasser Wohnraum wird“, den die Schüler der 12b des beruflichen Gymnasiums des „RBZ Wirtschaft. Kiel“ gedreht haben, über die lokalhistorischen, technischen und architektonischen Aspekte hinaus interessant. Mit den sich daraus ergebenden Konsequenzen steht der gefährdete Denkmalschutz im Mittelpunkt dieser knapp 40-minütigen Dokumentation, die unter der Leitung des Dokumentarfilmers Fredo Wulf und der Lehrerinnen Raika Wiethe und Birgit Krähe-Richter entstanden ist. Die Frage nach dem Denkmalschutz im öffentlichen Raum bringt eine Brisanz in den Film, die über das Beispiel dieses Wasserturms hinausgeht. Wie geht die kommunale Verwaltung und Politik mit diesem Thema um? Wie und wann werden die Bürger über Entscheidungsprozesse diesbezüglich und ihre Resultate informiert und miteinbezogen? Wer profitiert?
Der Film bleibt bei all diesen Fragen in seiner Haltung betont sachlich, beinahe überparteilich, ja fast zu schüchtern, um eine eigene Meinung einzunehmen, was ja auch bei der Vielzahl der beteiligten Schüler nicht ganz einfach gewesen wäre. Das berufliche Gymnasium am Ravensberg hat bis dato mit seinem rotbraunen Nachbarn in schierer Selbstverständlichkeit gelebt, ohne sich näher um die Historie des Gebäudes zu kümmern. Das holen nun die Schüler der 12b in ihrer filmischen Recherche nach. Relativ ausführlich werden Geschichte und Funktion des Wasserturms dargestellt, der 1898 zur zentralen Wasserversorgung Kiels gebaut wurde. Fast 100 Jahre war er in Betrieb, bis er 1990 stillgelegt wurde. Leistungsstarke Elektropumpen hatten ihn für einen konstant gleichbleibenden Wasserdruck überflüssig gemacht. 2000 verkaufte die Stadt Kiel den Ziegelrundbau an den Wuppertaler Unternehmer und Wasserturmliebhaber Johannes Dinnebier zum symbolischen Preis von 1 DM. Ein laut Landeskonservator Michael Paarmann im Grunde genommen sich von selbst verbietendes Vorgehen. Dieses zentrale Denkmal für Kiel hätte seiner Meinung nach eigentlich für immer im städtischen Besitz bleiben müssen. Aber das finanzielle Argument gab mal wieder den Ausschlag für die Stadt Kiel. Wie sagt der Bürgermeister Todeskino (bei dem man sich immer wieder wundert, warum er nicht in der CDU ist, sondern sich zu den Grünen verirrt hat) in entlarvender Ehrlichkeit: Kiel hätte sich nicht in der Verantwortung gesehen, den Turm zu übernehmen, sondern war eher froh, ihn „vom Hals“ zu haben. Wieder die alte Leier: Kiel hat kein Geld, was auch immer mit dem Turm hätte geschehen müssen.
Der zur Wohnanlage umgebaute Wasserturm als Planungsbild (Still aus dem Film)
Dabei hat die Stadt noch Glück trotz ihres verantwortungsarmen Handelns. Dinnebier steckte nach Auskunft seines Verwalters fast eine Million Euro in der Instandsetzung des Gebäudes, das vom Einsturz bedroht war, und machte es uneigennützig über Jahre für eine kulturelle Nutzung (z.B. für ein privates Theater) zugänglich. Als er es später aus Altersgründen verkaufen musste, kam das Gebäude auf Vermittlung des Kieler Architektenbüros „Schnittger Architekten und Partner“ an den Hamburger Projektentwickler Peter Drieske und die GVI Immobilien Kiel. Nun sollen Luxuswohnungen in den Turm eingebaut werden. Die Baukosten beziffert Drieske im Film auf 11 bis 12 Millionen Euro, erlösen möchte er 16 Millionen. Ein Ortsbeirat widerspricht den beschönigenden Auslassungen von Todeskino und bemängelt die nicht vorhandene Einbeziehung der Öffentlichkeit bei den Umnutzungsplanungen. Hinzu kommt in diesem Zusammenhang das neue Landesgesetz für Denkmalschutz, das in seinen relativ auslegungsfreudigen, schwammigen Formulierungen (auch nach Eingeständnis einer ehemaligen Mitautorin des Textes von der FDP, Kristina Musculus-Stahnke) die Eigentümerinteressen stärkte.
So birgt der anfangs doch so relativ harmlos daherkommende Schülerfilm allerhand Sprengstoff und Anlass zu mancherlei Diskussionen. Was aus dem Wasserturm letztendlich wird, bleibt abzuwarten. Der Landeskonservator befürchtet einen Verlust an Authentizität, an geschichtlicher Aussagekraft und an Schönheit. Im besten Fall ist zu hoffen, dass seine äußerliche Erscheinung in weiten Teilen doch erhalten bleibt und das Investorenabenteuer nicht in einem Fiasko endet. (Helmut Schulzeck)
„Wasserturm reloaded. Wenn Wasser Wohnraum wird“, Deutschland 2013, 37 Min., Farbe. Ein Film der Klasse 12b des „RBZ Wirtschaft. Kiel“. Buch, Kamera, Regie und Schnitt: in wechselnden Rollen die Schüler der Klasse 12b, Leitung: Raika Wiethe, Birgit Krähe-Richter und Fredo Wulf.
Der Film läuft im Kommunalen Kino Kiel in der Pumpe, Haßstr. 22, am Dienstag, 22. Oktober 2013 und am Mittwoch, 23. Oktober 2013, jeweils um 18.30 Uhr.