Das Schaf im Wolfspelz

Interview mit Jan-Gerrit Seyler

Filmemacher Jan-Gerrit Seyler (geb. 1979) machte seine ersten Kurzfilme während seines Studiums an der Christian-Albrecht-Universität in Kiel, studierte dann am European Filmcollege in Ebeltoft (Dänemark) und an der Hamburg Media School. Seine letzten Kurzfilme wurden unter anderem auf dem Filmfestival Max-Ophüls-Preis, beim Studio Hamburg Nachwuchspreis 2013 und dem Kyoto International Student Film & Video Festival gezeigt und ausgezeichnet. Seylers neuester Film „Ich hab noch Auferstehung_“ gewann Anfang August 2013 beim Fünf-Seen-Filmfestival in Bayern den „Short Plus Award“, den Publikumspreis für den besten Kurzfilm mit einer Länge zwischen 20 und 60 Minuten. infomedia-sh.de sprach mit dem aufstrebenden Filmemacher.
Filmemacher Jan-Gerrit Seyler (Facebook-Profilbild)
infomedia-sh.de: Mir ist an all deinen Kurzfilmen aufgefallen, dass sie gleiche oder ähnliche Grundmotive bzw. Grundthemen haben. Es geht immer um Einsamkeit, Isolation, auch Tod, und durch Verständnis oder Liebe werden sie überwunden. Die Protagonisten lernen mit den „Schwierigkeiten“ umzugehen.
Jan-Gerrit Seyler: Ja, das ist erstaunlich, auch in der Hinsicht, weil ich kein einziges Mal bei den letzten vier Filmen für das Drehbuch verantwortlich zeichne. Zumindest nicht, was die ursprüngliche Idee und Thematik betrifft.
Hast du dir die Stoffe ausgesucht oder sind sie auf dich zugekommen?
Die sind teilweise auf mich zugekommen; rückblickend betrachtet würde ich sagen, dass ich sie gefunden habe. Natürlich habe ich, manchmal unmittelbar, oft erst nach langer Auseinandersetzung, Gefallen an ihnen gefunden. Und mich dann intensiv mit eingebracht.
Bei dem ersten Stoff („Camille“, DK 2009) war es so, dass ich mich mit der Drehbuchautorin Freya Ea Bjørnlund sehr gut verstand. Eine unglaubliche Verkettung von Umständen brachte uns zusammen und mich als ihren Regieassistenten bei ihrem ersten Film ans Set. Bei ihrem zweiten Film machte ich dann Kamera. Als es an die Abschlussfilme ging, zog sie es vor, nur zu schreiben. In dem Maße, wie ich ihr das Schreiben zutraute, war sie von meinen Qualitäten als Regisseur überzeugt. Wir ergänzten uns, hatten uns gefunden. Und in meinem eigenen Interesse bekräftigte ich ihr Talent, einen Stoff für die finalen Pitchings zu schreiben. Wir bekamen die Zusage und durften den Film realisieren.
Ich liebe Freyas feinfühlige Herangehensweise, wir haben sehr intensiv über die Psychologie der Charaktere sprechen können. Da gab’s immer die direkte FireWire-Verbindung zwischen uns. Das habe ich nur ganz selten. Wir waren zwar immer mal verschiedener Meinung, bei den Figuren, ihren Motiven, Zielen und Konflikten. Aber in der Tiefe stießen wir auf ein gleiches Verständnis. Bei den eigentlich interessanten, existentiellen Problemen. Die zutiefst persönlichen und zugleich ganz universalen. Das war etwas, was ich so bisher nicht wieder gefunden habe. Ich glaube, mit dem richtigen Autoren zusammenzuarbeiten ist ein ebenso großes Wunder, wie den richtigen Lebenspartner gefunden zu haben.
Es gibt ja Kurzfilmer, die sehr viel improvisieren und experimentieren. Deine Filme hingegen sind klassisch nach Drehbuch aufgelöst. Da ist ja nicht viel Improvisation drin. Das ist ganz klar abgezirkelt, oder nicht?
Das ist richtig. Zumindest wenn ich Improvisation jetzt mal mit Ausprobieren gleichsetze. Der Film, bei dem ich am meisten ausprobiert habe, ist der erste, „Handycap“ (D 2007). Da hab’ ich mir alles erlaubt, war zu 100 Prozent federführend. Im Rahmen der HMS wurde es dann professioneller. Experimentieren konnte ich mir da nicht mehr erlauben. Das sieht die Schule nicht vor. Ansonsten hätte ich an der HfBK studieren können. Da wäre das möglich gewesen.
Nichts desto weniger habe ich gerade deswegen versucht, dieses Korsett des klassischen Erzählens – und da sind wir bei der Freiheit innerhalb von Grenzen – so stark zu dehnen, wie es geht. Das hat vielleicht auch mit dazu beigetragen, dass ich Schwierigkeiten mit der Schulleitung hatte. Kam dann ganz von alleine (lacht).
Weil du nicht gemacht hast, was sie wollten?
Teils teils. Aber auch, weil ich immer versucht habe, meine eigene Sichtweise so stark zum Ausdruck zu bringen, wie es irgendwie ging. Ich hab’ mit meinen zwei letzten Filmen in gewisser Hinsicht relativ untypische HMS-Filme gemacht. Was die Vorgabe zur Narration angeht, zur Geschichte a la Heldenreise, zum Konflikt und zu seiner Lösung am Ende, da sind meine Filme innerhalb der Vorgaben geblieben. Die Ideologie, der auch die HMS nachkommt, was eine Geschichte sei und zu leisten habe, ist da unverrückbar. Aber ich konnte nicht anders, als zu versuchen, innerhalb dieser Begrenzungen das Mögliche an Lebendigkeit und Unmittelbarkeit zu erzeugen. Ich wollte einfach keine Plangeschichten. Das widerspricht doch auch jeder Form der eigenen Lebenserfahrung. Nicht alles ist vorhersehbar, und vieles ist Unsinn, oder erklärt sich nicht, wie schön!
Bei „Cowboy und Indianer“ ist es mir am stärksten geglückt, nicht einen kurzen Spielfilm, sondern einen echten Kurzfilm zu erzählen. Der Riesendank gilt hier meiner Autorin Cherokee Agnew, mit der ich gen Ende der Drehbuchentwicklungszeit jedes Wort Dialog einzeln in die psychologische Waagschale gelegt habe. Und sie war es, die letztlich vor unserem Schulleiter mit ihrer Idee bestehen konnte.
Es ist nach unglaublich anstrengenden Kämpfen ein Film geworden, der sehr zeit- und ortskomprimiert erzählt, der auf der Ebene der erzählten Zeit vielleicht nur innerhalb einer halben Stunde spielt. Auch eher ungewöhnlich für die HMS: ein Film, der seine Kraft aus nur einer Situation, einer einzigen starken Konfrontation bezieht. Was der Kurzfilm ja eigentlich sehr gut kann, eine Momentaufnahme schaffen, universale Dinge beleuchten und emotional wirken lassen. Das liebe ich sehr, weil man da noch viel feiner erzählen kann. Die HMS möchte aber lieber Miniaturspielfilme, Szene an Szene, das Baukastenprinzip.
Ja, das wollen die ja leider alle.
Ja. Ist ja auch toll, gutes, klassisches Erzählkino. Aber genau das wollte ich ja eigentlich nicht. Oder zumindest nicht „nur“. Ich war, wie immer in meinem Leben, mal wieder das Schaf im Wolfspelz (lacht heftig), so umgedreht würde ich das stehen lassen. Ich hab’ mich da reingemogelt, hätte auch an die HfBK kommen können, hatte mich da parallel beworben, bin dort aber nicht genommen worden. Zum Glück. Hab’ aber dann wiederum versucht, so viel künstlerischen Eigensinn im meine HMS-Projekte zu bringen wie möglich. Ist klar, das ich so anecke. Aber ich möchte auch betonen, dass mir die HMS genau deswegen sehr gut getan hat, retrospektiv betrachtet. Es ist doch immer wieder das Gleiche: Erst in der Beschränkung können wir uns entfalten.
Was mir noch auffällt, nicht nur bei dir, sondern auch bei vielen anderen Studenten der Filmhochschulen, ist der heutzutage antiquierte Hang zu 35mm. Warum die Neigung, damit zu arbeiten? Das ist doch eigentlich ein sterbendes Format. Aber alle möchten am liebsten noch auf 35mm drehen oder zumindest eine 35mm-Kopie haben. Warum ist das bei dir auch so?
Tatsächlich hat es mehrere Gründe, auch einen bereits nostalgischen. Der neue Jahrgang meiner Filmhochschule bekommt das erste Mal keine 35mm-Kopien mehr. Die machen jetzt alles auf DCP (Digital Cinema Package). Ich gehöre zum letzten Jahrgang, der diese 35mm-Kopien noch haben durfte. Natürlich hängt der Gedanke daran: Film hat über 100 Jahre auf 35mm gelebt, ich will es selber noch einmal machen, bevor es unheimlich teuer und zur reinen Retro-Sache wird, wie bei Schelllack und Vinyl.
Aber das Pädagogische an der Sache ist, glaub’ ich, das Wesentliche. Die Schule möchte uns beibringen, ganz ökonomisch zu drehen. Das ist der Hauptgrund, warum wir unsere 5-Minüter auf 35mm drehen durften. Meinen 10-Minüter gab es dann bereits nur noch als 35mm-Print, für die Auswertung, gedreht wurde er auf der RED (Red Digital Cinema Camera), also „Cowboy und Indianer“ (2011/12). „Ich hab noch Auferstehung_“ (2012/13) (Trailer) haben wir auf Super16 gedreht, und dann gab’s einen Blow Up auf 35mm für die Auswertung. Das ist natürlich jetzt alles vorbei, das hat sich erledigt.
Aber der Charme von echtem Filmmaterial bleibt. Und warum wir 16mm genommen haben, liegt genau darin begründet. Um diesen Charme beizubehalten und weil ich dieses ökonomische Arbeiten bei meinem 5-Minüter bereits schätzen gelernt hatte. Und weil wir den körnigen Look für einen verträumten Sommerfilm sehr passend fanden.
Aber diese Einschränkungen, z.B. bei der Festlegung auf analogen Film, habe ich als künstlerische Freiheit wahrgenommen. Ich brauche diese Begrenzungen. Für den kreativen Prozess. Die muss es geben. Sonst kann sich nichts entzünden. Die erlege ich mir zur Not selber auf. Erst dann kann ich meine Gedanken an einem bereits bestehenden Rahmen kristallisieren lassen. Und mit der Materialwahl kann es beginnen, sich Grenzen aufzuerlegen.
Ich glaube, ich arbeite so gedanklich präziser, als wenn mir z.B. eine digitale Aufnahmetechnik scheinbar mehr Freiheiten gibt. Dann muss ich mich wieder selber austricksen und Regeln erfinden. Film ist am Ende immer Verdichtung, und je früher man damit beginnt, desto intensiver kann das Ergebnis werden.
Du hast ja auch vieles um den Film herum gemacht, bei Produktionen mitgearbeitet und hauptsächlich in Hamburg studiert. Glaubst du denn, dass du reüssieren kannst, oder war das vielleicht für dich eine besondere Art von Studium generale, die du sehr mochtest? Die Filmhochschulen stoßen ja so viele Absolventen aus, und man kommt heute auch zum Film auf anderen Wegen, durch Quereinsteigerei „¦
Ich glaube, mein Studium generale habe ich zuvor gemacht, als ich noch eingeschrieben war, an der Christian-Albrechts-Universität in Kiel und an der Humboldt-Universität in Berlin. Da hab’ ich versucht, Geisteswissenschaften zu studieren und ein bisschen generale-mäßig mein Wissen und meine intellektuellen Fähigkeiten zu schulen. An die Hamburg Media School bin ich gegangen, um heraus zu finden, ob ich wirklich Filme machen möchte.
Und willst du jetzt Filme machen?
O ja! Nach dem ganzen Stress, den ich hatte, und nach den Produktionsschwierigkeiten, insbesondere bei meinem Abschlussfilm: Filmemachen ist mein Weg. Ich habe z.B. erfahren, dass ich es mag, persönlich einen Weg zu finden, mit enormem Druck umzugehen. Charakterstärke zu entwickeln. Meinen Willen zu schulen.
Es gab ja erheblichen Druck von der Schule und eine ganze Reihe von Vorgaben. Nachdem ich das alles so erlebt habe, im Kleinen, als Planspiel sozusagen, wie es in der „großen Welt“ des Filmemachens aussehen könnte und welche Mechanismen dahinter stecken, ist mein Wille nur stärker geworden. Das Ganze hat mir Spaß gemacht, und ich mag meine Filme sehr, trotz oder gerade wegen der Hindernisse, gegen die ich sie stemmen musste.
Wie beurteilst du deine Chancen, dass du irgendwo unterkommst? Möchtest du jetzt einen größeren Film realisieren?
Ich schätze meine Chancen sehr hoch ein, weil ich ziemlich genau zu wissen meine, dass es immer nur an mir liegt. Ist das anmaßend? (lacht) Klar, Glück ist auch dabei. Aber erst ganz zuletzt. Wenn ich jetzt Gas geben würde und Lust auf Werbung hätte, dann könnte ich mir dieses Feld erschließen und Erfolg haben. Weil ich es zu 100 Prozent ansteuern würde.
Ich möchte aber nicht in die Werbung. Zumindest nicht dauerhaft. Ich neige zu längeren Narrationen, die etwas ausloten. Zu Geschichten fürs Kino. Ich will erforschen, was es mit uns Wesen auf sich hat. Ich bin der festen Überzeugung, dass es immer mindestens eine beste Lösung gibt, für jedes Problem. Und ich arbeite jetzt an meinem Debütfilm. Ich denke, das wird seine Zeit brauchen, und es ist immer etwas anmaßend zu sagen, ich werde es schaffen. Aber ich bin schon so lange auf diesem Weg, dass es gut ist, weiterhin auf meine innere Stimme zu hören, ihr zu folgen und sonst nichts.
Und wie hältst du dich jetzt finanziell über Wasser?
Ich bin gerade Hartz IV (lacht verschämt). Ich habe ja Schulden gemacht während des Studiums, um das überhaupt finanzieren zu können. Und anstatt jetzt wieder direkt Fahrer- und Assistentenjobs zu machen, gönne ich mir gerade eine Kreativpause. Schreiben, meinen Filmen hinterher reisen und viel Tango tanzen. Das Tanzen ist in mein Leben getreten, und da ich Arbeitslosengeld II beziehe, kann ich es mir leisten (lacht).
Ich glaube, da bist du in guter Gesellschaft. Da bist du nicht der einzige Filmer „¦
Das glaube ich auch. Und ich hab’ auch schon davon gehört, dass andere so ihren ersten Spielfilm geschrieben haben, auf Basis von Arbeitslosengeld II. Hartz IV als inoffizielle Drehbuchförderung. Ich weiß, welchen Preis ich für meine Ambitionen zahle, d.h. zum Beispiel immer noch in einer WG zu leben, kein Auto, Arbeitslosengeld II, einen Lebensstandard zu führen, der ganz tief unten angesiedelt ist, angeblich unterhalb der Armutsgrenze. Ich bezahle diesen Preis sehr gerne, weil ich genau weiß, dass ich das tue, was mir sehr viel Freude bereitet. Ich würde nicht tauschen wollen. Und ohne familiäre Bindung ist es ja auch verantwortbar.
Grast du jetzt alle Festivals ab?
Ja, das mache ich. Das ist vermutlich eine meiner eigenartigsten Lebensanekdoten, auf die ich später einmal schmunzelnd zurückblicken werde. Ich finanziere zurzeit mit meinem Arbeitslosengeld II die Einreichungen bei kostenpflichtigen internationalen Festivals. Und selber gehe ich zur Hamburger Tafel, da gibt es für 2 Euro die Tüten voll.
Es war doch bisher bei dir so, dass du mit Drehbuchautoren zusammengearbeitet hast. Warum ist das jetzt nicht möglich, dass du dich mit einem Drehbuchautor zusammensetzt und er für dich das Drehbuch schreibt? Will man als Jungfilmer immer als Autorenfilmer auftreten?
Muss man nicht. Ist auch gar nicht mein Ziel gewesen, hat sich leider nur so ergeben. Es gibt Kommilitonen, die haben mit ihrem Autoren ihres Abschlussfilmes die „Ehe“ geschlossen. Mein Unglück war ein bisschen, dass ich mich mit der Autorin meines Abschlussfilms nicht verstanden hab’. Sie möchte, glaube ich, auch nicht mehr Drehbücher schreiben. Ich sehne mich nach einem Autor, wie ich ihn mit Freya in Dänemark hatte. Aber ich hab’ ihn bis jetzt nicht finden können. Und somit kann ich es nur selber machen, vorerst. Es wird kein Drehbuch vom Himmel fallen. Und zudem will ich es auch einmal selber gemacht haben.
Ist dein nächstes Projekt thematisch wieder so angelegt, dass es was mit Einsamkeit, Grenzen oder Tod zu tun hat?
Schön, dass dir das auffällt. Mir ist das weniger bewusst, wofür ich mich filmisch interessiere, als denjenigen, die mal alle Filme, die ich bisher gemacht habe, so überschlagen und nach thematischen Ähnlichkeiten oder Auffälligkeiten abgesucht haben. Und ja, das neue Projekt hat damit zu tun. Ich glaube, von den Themen komme ich nicht so schnell weg. Es ist auch ganz erstaunlich, dass ich eine eigene Handschrift über das Thematische hinaus bei mir wahrnehme, was mich selber ganz verwundert.
Könntest du versuchen, die zu beschreiben?
Das hat mit dem Versuch zu tun, Einsamkeit zu überwinden und es auch zu schaffen. Ich mag es, behutsam emotionale Themen anzufassen, die vielleicht kitschig werden könnten, wenn sie falsch angegangen würden. Themen, die im Drehbuch schon fast schrecklich abgegriffen wirken. Wenn die dann durch die Hände der Regie und durch das Wesen der Schauspieler gehen, dann bekommen sie etwas Leichteres und etwas Bewussteres, Sensibleres, etwas Echteres, was mit Kitsch nicht mehr viel zu tun hat. Das musste ich erst begreifen. Das ist die Richtung und eine entdeckte Stärke, die mich sehr interessiert.
Was ich so gut fand: es bleibt bei dir meist noch realistisch. Es gibt ja im Film oft diese unrealistischen Ansätze, gerade bei neueren Filmern. Vieles wirkt dort unglaubwürdig.
„Ich hab noch Auferstehung_“ schien mir immer schon ganz unglaubwürdig zu sein (lacht). Und ich hab’ mich monatelang daran abgearbeitet, meinen Mitstreitern zu zeigen, was daran unglaubwürdig ist und wo wir ansetzen müssen, damit es glaubwürdig wird. An einigen Stellen des Drehbuchs habe ich diesen Kampf auch verloren, dann aber versucht, es mit der Regie wieder auszugleichen.
Ich habe erfahren, insbesondere durch dieses letzte Projekt, dass in einer scheinbar unglaubwürdigen Geschichte durch die Leistung der Regie echte Beziehungen, echte Spannung, echte Nähe sichtbar gemacht werden können. Und die sogar eine ganz besondere Kraft bekommen können. Ich habe keine Angst vor rührseligen Szenen mehr, in denen es ums Ganze, ums persönlich „Universale“ geht. Der Kniff ist, dies in den Subtext zu packen und dann auf die Worte zu verzichten (lacht). Ich glaube, das ist das Entscheidende, was mich beim Abschlussfilm gerettet hat. Kürzen, kürzen, kürzen. Und natürlich gute Schauspieler.
Wie stehst du zu dem Begriff „sentimental“, hast du davor Angst oder findest du das gut?
Bei Kitsch, Sentimentalität und Pathos habe ich meine Vorbehalte. Das liegt daran, dass ich persönlich sehr dazu neige (lacht). Ich bin doch der erste, der weint, wenn der Zuschauer weinen soll (lacht). Aber gleichzeitig ärgere ich mich dann immer über mich selber, auf die alten simplen dramaturgischen und echt platten Tricks hereingefallen zu sein. Und der Film wird dadurch auch nicht besser.
Ich möchte aber Filme machen, bei denen die Menschen berührt werden, ohne über die manipulative Ebene dahinter zu stolpern, auch wenn sie noch so filmisch wären. Ich habe die Erfahrung gemacht, dass ich die großen emotionalen Themen anpacken kann, ohne dass sie ins Sentimentale abrutschen. Vielleicht gelingt es mir gerade deswegen, weil es mir in meinem persönlichen Leben oft genug misslingt.
(Die Fragen stellte Helmut Schulzeck)
Cookie Consent mit Real Cookie Banner