59. Internationale Kurzfilmtage Oberhausen (2. – 7. Mai 2013)
Die Wettbewerbe der 59. Kurzfilmtage: Mehr Filme für ein neues Publikum
Die 59. Internationalen Kurzfilmtage Oberhausen werden in rund 100 Programmen über 450 Produktionen aus knapp 60 Ländern zeigen. Tragende Säule des Festivals bleiben die fünf Wettbewerbe. In diesem Jahr zeigt das Festival 131 aktuelle Arbeiten aus über 40 Ländern im Internationalen, Deutschen und NRW-Wettbewerb, im Kinder- und Jugendfilmwettbewerb und im MuVi-Preis für das beste deutsche Musikvideo. Ausgewählt wurden sie aus über 6.600 Einreichungen.
Damit verzeichnen die Kurzfilmtage trotz neu eingeführter Beschränkungen (zum Internationalen Wettbewerb sind erstmals nur noch Einreichungen aus einem Jahr, nicht mehr aus zwei Jahren zugelassen) bei den Teilnahmebedingungen einen erheblichen Anstieg der Einreichungen. Niemals wurden mehr Filme in Oberhausen eingereicht. „Es entstehen immer mehr Filme, statt weniger. Hier machen sich die digitalen Produktionsmittel bemerkbar, die immer preiswerter und hochwertiger werden. Arbeiten von erstaunlicher handwerklicher und künstlerischer Qualität suchen nach einer Öffentlichkeit, vor allem auch jenseits von Kino und Fernsehen“, stellt Festivalleiter Lars Henrik Gass fest. „Ganz offenkundig können Kino und Fernsehen die formale Breite in der Filmproduktion nicht mehr abbilden und dafür auch kein Publikum mehr gewinnen. Dieses Publikum ist unser Publikum. Dieses Publikum begründet uns Filmfestivals.“
Der Internationale Wettbewerb: Der Kurzfilm ist weiblich
57 Filme aus 29 Ländern ausgewählt aus 4.960 Einreichungen.
Der Internationale Wettbewerb ist der größte und älteste des Festivals. Stark vertreten sind traditionell Großbritannien (neun Beiträge) und die USA (sechs Beiträge). Überraschend stark vertreten sind in diesem Jahr die vergleichsweise kleinen Filmländer Polen und Österreich mit je vier Produktionen. Ungewöhnlich zudem: alle vier Filme aus Österreich wurden von Regisseurinnen gemacht. Der Anteil der weiblichen Filmemacher ist in diesem Jahr größer als je zuvor: Bei über der Hälfte der Filme (30 von 57) zeichnen Frauen für Regie oder Co-Regie verantwortlich. Die Bekannteste unter ihnen ist das diesjährige Berlinale-Jurymitglied Athina Rachel Tsangari, die mit ihrem Langfilm Attenberg 2010 zahlreiche Preise gewann und nun mit The Capsule eine beeindruckend komponierte Studie über Herrschaft und Unterwerfung abliefert. Aus Deutschland sind zwei Filme im Internationalen Wettbewerb vertreten: Die deutsch-türkische Koproduktion Kirik Beyaz Laleler von Aykan Safoglu, der anhand von alten Fotos James Baldwins Spuren in Istanbul folgt, und Ute Aurands experimentelles Portrait der Künstlerinnen Susan Turcot und Lisbeth Burri, Susan + Lisbeth.
Der Deutsche Wettbewerb: Die Masken des Spielfilms
17 Filme ausgewählt aus 1.428 Einreichungen.
Im Deutschen Wettbewerb ist der Kurzfilm in diesem Jahr deutlich länger als in den letzten Jahren. Als Folge zeigen die Kurzfilmtage hier mit 17 Filmen rund 10 Arbeiten weniger als im Durchschnitt. Die vorherrschenden Genres sind Experimental- und Spielfilm, oft in Mischformen, in denen die Grenzen zwischen Erzählung und formalem Experiment verschwimmen. Neben sehr bekannten und in Oberhausen schon wiederholt vertretenen Filmemachern wie Rosa von Praunheim, Bjørn Melhus oder Jochen Kuhn sind auffällig viele neue Namen zu finden. Die bekanntesten Gesichter im Deutschen Wettbewerb sind allerdings Udo Kier, der in Stefanie Schneiders Heather’s Dream buchstäblich eine Traumrolle spielt, und Angela Merkel als eine der beiden Hauptfiguren in Jochen Kuhns Animation Sonntag 3.
Der NRW-Wettbewerb: Dokumentarfilme und ein „NRW-Tag“
13 Filme ausgewählt aus 257 gesichteten Filmen.
Für den NRW-Wettbewerb werden alle deutschen Einreichungen gesichtet, die in Nordrhein-Westfalen produziert wurden. Hier überwiegen, im Gegensatz zum Deutschen Wettbewerb, die Dokumentarfilme, und zwar solche, die sich auch mit NRW-Themen beschäftigen. Markus Mischkowski und Kai Maria Steinkühler steuern mit 50 Jahre Oberhausener Missverständnis gar eine Satire auf das Oberhausener Manifest bei. Yasmin Angel portraitiert in To Be A B-Girl eines der wenigen Mädchen, die sich in der Kölner Breakdance-Szene mit ihren Gruppen und Battles behaupten; Christian Ebeling beobachtet in Voy einen Blindenfußballverein in Köln. Doch auch hier gibt es Mischformen: Julia Weissenbergs Schneesturm spielt geschickt mit der Frage, ob die Gedächtniskünstlerin, die sich einen endlosen Binärcode merkt, nun echt oder inszeniert ist. Ganz neu in diesem Jahr: Der NRW-Wettbewerb ist eingebettet in den Oberhausener „NRW-Tag“ am Freitag, den 3. Mai. Hier bündeln die Kurzfilmtage ihre Filmprogramme aus Nordrhein-Westfalen und andere NRW-bezogene Veranstaltungen als Schaufenster und Kontaktplattform zwischen der Produktion des starken Filmlands NRW und dem nationalen und internationalen Festivalpublikum. Sportlicher Höhepunkt dürfte dabei die Ruder-Regatta am Rhein-Herne-Kanal sein, in der vier Teams aus der nordrhein-westfälischen Filmszene gegeneinander antreten.
Der 15. MuVi-Preis für das beste deutsche Musikvideo
10 Videos ausgewählt aus 226 Einreichungen.
Zum 15. Geburtstag des MuVi-Preises kann man definitiv konstatieren, dass das Musikvideo das Musikfernsehen überlebt hat und sich im Lauf der Jahre immer wieder neue Verwertungsplattformen gesucht hat. In diesem Jahr sind überwiegend neue Regisseure dabei, mit Clips unter anderem für Brandt Brauer Frick oder CocoRosie. Der bekannteste Name ist jedoch eine Überraschung im MuVi-Kontext: Heinz Emigholz ist mit Moth Race vertreten, einem Clip für Kreidler. Ebenfalls in der Auswahl ist auch der mehrfache MuVi-Preisträger Markus Wambsganss mit The Exact Colour of Doubt, einem Clip für die Liars. Vom 3. April bis 3. Mai 2013 stellen die Kurzfilmtage die Kandidaten für den 15. MuVi-Preis online auf www.muvipreis.de. Wie immer kann hier auch wieder abgestimmt werden über den MuVi Online-Publikumspreis.
Der Kinder- und Jugendfilmwettbewerb
38 Filme ausgewählt aus 335 gesichteten Filmen.
Bei den Kinderfilmen haben sich die Einreichbeschränkungen stärker ausgewirkt als beim Internationalen Wettbewerb; mit 335 Einreichungen wurden deutlich weniger Filme gesichtet als im Durchschnitt (500-600 Einreichungen). Die handwerkliche und ästhetische Qualität der Einreichungen ist jedoch auch hier erfreulich hoch. Im Wettbewerb sind 26 Länder vertreten, darunter neben vielen europäischen Ländern auch Vietnam, Marokko, Kolumbien oder Indien. Enttäuschend ist die Zahl der in den letzten Jahren gut vertretenen Dokumentarfilme für Kinder – Animationen und Spielfilme prägen das Bild, ebenso wie die Rekordzahl von vier Musikvideos für Jugendliche. Ein dominantes Thema sind Geschichten um Migration und Identität. Kaddi in Britta Wandaogos Dokumentarfilm Krokodile ohne Sattel (auch im NRW-Wettbewerb) erzählt, wie sie sich als Kind einer deutschen Mutter und eines Afrikaners fühlt; die jungen farbigen Frauen in Yellow Fever (auch im Internationalen Wettbewerb) sprechen über unerreichbare Schönheitsideale und Hautbleichmittel. Ein anderes vorherrschendes Thema sind Scheidungs- und Trennungsgeschichten. Zum Beispiel die Geschichte des Jungen in Lauren Jacksons I’m Going to Mum’s (Neuseeland), den die getrennt lebenden Eltern nur in den ältesten Kleidern zum jeweils anderen schicken – bis er die Sache satt hat und sich einfach alles, was er finden kann, übereinander anzieht, bis er aussieht wie eine Kugel.
Eine Liste aller Wettbewerbsfilme steht hier online.
(nach einer Pressemitteilung der Kurzfilmtage Oberhausen)