63. Internationale Filmfestspiele Berline – Berlinale 2013

Eishockey unterm Nordlicht

„Eskil & Trinidad“ (Stephan Apelgren, Schweden 2012)

Bei der diesjährigen Berlinale waren ausnahmsweise nur wenige Filme aus den nordischen Ländern vertreten. Unter ihnen ist ein schwedischer Film für Menschen ab acht, der zur Individualität Mut macht und dazu, seinen Träumen zu folgen. Am Beispiel eines Elfjährigen und einer Einsiedlerin, die eines gemeinsam haben: das Interesse für Schiffbau.
Den Jungen Eskil (Linus Oscarsson) und die merkwürdige alte Schachtel (Ann Petrén), die vor den Toren des kleinen Ortes im winterlichen Norrbotten, weit nördlich des Bottnischen Meerbusens, auf einem einsamen Gelände in einem Schuppen geheimnisvolle Dinge treibt, verbindet allerdings noch ein weiterer Faktor: ihr Fernweh. Eskil träumt davon, seine weit im Süden, nämlich in Kopenhagen lebende Mutter Mette zu besuchen, „wo es im Winter nicht dunkel ist und das Wasser nicht zufriert“. Die alte Frau, den freikirchlichen Pfingstlern zugehörig, will sich hingegen ins „Paradies“ aufmachen: nach Trinidad, hat sie sich in den Kopf gesetzt. Mit einer selbstgebauten „Colin-Archer“-Segelyacht.
Seltsames Paar mit gemeinsamem Fernweh: Eskil und Trinidad (Foto: Alexandra Aristarhova)
Eskil ist nach der Trennung der Eltern vor Kurzem mit seinem Vater Roger, der als Kraftwerksingenieur arbeitet und – Vattenfall sei Dank – alle paar Monate einen neuen Einsatzort hat, in diesen winzigen Ort mit samischem Namen gezogen. Er ist bereits so viele Male umgezogen, wie sein Alter in Jahren beträgt, und muss sich wieder alles neu aufbauen: Schulkontakte, Hobbys … Sein größtes Hobby darf er sich allerdings nicht aussuchen, sondern sein Eishockey-fanatischer Vater steckt ihn sowieso jedes Mal in den entsprechenden Ortsverein. Roger stand selbst früher für die Regionalmannschaft höchst erfolgreich im Tor und musste den Sport nur wegen einer Knieverletzung aufgeben. Eskil soll jetzt die verpasste Torwart-Karriere machen, hat aber weder Talent noch Lust zu diesem brutalen Sport. Anders als seine Klassenkameradin Mirja. Während Eskil unter dem Schlappschuss-Bombardement regelmäßig begraben wird, hält Mirja jeden einzelnen Puck – üble Blutergüsse sammeln beide jedoch gleichermaßen. Als beim nächsten Spiel in der Liga die Existenz des Eishockeyvereins auf dem Spiel steht, kommen die beiden auf einen durchaus regelwidrigen Rollentausch …
Die Bekanntschaft mit Trinidad hat Eskil allerdings ebenfalls dem Eishockey zu verdanken. Auf dem Nachhauseweg mit zwei anderen Jungs schleichen sie sich auf das Gelände der „Hexe“ und beobachten, wie sie vermeintlich pyromane Experimente veranstaltet. Nur Eskil hat schnell begriffen, dass es sich um eine Dämpfanlage handelt – zum Biegen von Holz. Zunächst schleicht er sich in Trinidads Arbeitsschuppen ein, aber schnell wird er ihr einziger und eifrigster Helfer beim Bau der „Colin Archer“. Ihren Hund nicht zu vergessen.
Der Regisseur und Drehbuchautor von „Eskil & Trinidad“, Stephan Apelgren, ist eigentlich für seine Komödien und insbesondere seine Thriller bekannt: Von ihm stammen mehrere Mankell-Verfilmungen und ein „Varg Veum“.Den Dreh von „Eskil & Trinidad“ realisierte er 2012 in Vuollerimin Schwedisch-Lappland. Die Theater- und Filmschauspielerin Ann Petrén, mehrfach als beste Schauspielerin mit dem wichtigsten schwedischen Filmpreis Guldbagge („Goldkäfer“) ausgezeichnet, gibt in „Eskil & Trinidad“ die schrullige, mit allen erdenklichen Ingenieurstalenten gesegnete Trinidad. Für die Hauptrolle des Eskil wurden sage und schreibe 1.200 Jungen aus der Region gecastet, und das Rennen machte Linus Oscarsson. Ihm nimmt man den nachdenklichen, eigenwilligen und sehnsüchtigen Eskil problemlos ab.
„Eskil & Trinidad“ läuft Ende März 2013 in Schweden an und ist ein warmherziger Film in eiskalter Szenerie mit einem altersgemäß passenden Mix aus Elementen von Spannung, Realismus, Psychologie und ausreichend vielen Happy Ends. Und, vielleicht zum Ausgleich für die brutalen Eishockey-Szenen, gleich vier zauberhaft grün leuchtenden Nordlicht-Szenen in 98 Filmminuten. Wo hat man das schon? (gls)
„Eskil & Trinidad“, Schweden 2012, 98 Min., DCP Cinemascope. Buch, Regie: Stephan Apelgren, Kamera: Anders Bohman, Schnitt: HÃ¥kan Karlsson, Darsteller: Linus Oscarsson, Ann Petrén u.a.
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