Kreativität zum Dumping-Preis: AG DOK legt Studie zur Arbeits- und Einkommenssituation von Dokumentarfilmern vor

Die Arbeitsgemeinschaft Dokumentarfilm (AG DOK) hat eine Untersuchung zur Arbeits- und Einkommenssituation freiberuflich arbeitender Dokumentarfilmautoren und Regisseure erstellen lassen, deren wichtigstes Ergebnis sich mit einem Satz zusammenfassen lässt: Unter allen Kreativkräften der Film- und Fernsehbranche werden Dokumentarfilmer mit am schlechtesten bezahlt.
Die komplette Studie kann auf www.agdok.de im PDF-Format herunterladen werden.
Autorinnen und Regisseure von Dokumentarfilmen werden miserabel bezahlt, in der Vergütungsskala der Medienbranche rangieren sie am unteren Ende. Die Arbeitsgemeinschaft Dokumentarfilm/AG DOK hat diese Geringschätzung dokumentarischer Arbeit schon oft beklagt – jetzt kann der Verband seine Kritik erstmals auch mit eindrucksvollen Zahlen untermauern, denn in einer sehr detaillierten Befragung hat ein repräsentativer Querschnitt von Autoren und Regisseuren in den letzten Monaten Auskunft über seine Arbeits- und Einkommensverhältnisse gegeben. Mit ernüchterndem Ergebnis: das durchschnittliche Netto-Einkommen von Dokumentarfilmregisseuren liegt bei 1.380 Euro im Monat – rund 18 Prozent der Befragten bleiben sogar unter 636 Euro. Lediglich 15 Prozent gaben an, dass sie allein von ihrer Autorentätigkeit und der Regiearbeit leben können – der weitaus größere Teil – nämlich 85 Prozent – müssen in teilweise berufsfremden Jobs Geld hinzuverdienen oder sie werden von ihren Angehörigen finanziell unterstützt. Verantwortlich für diese Situation sind nach Ansicht der AG DOK vor allem die Sparbestrebungen der öffentlich-rechtlichen Fernsehsender, die zwar Unsummen in Sportrechte, Unterhaltungsprogramme und Talkshows investieren, dabei aber ihre Kernkompetenz – die anspruchsvolle Dokumentation – zunehmend vernachlässigen und finanziell austrocknen. Autorinnen und Regisseure von Dokumentarfilmen und Dokumentationen wurden dadurch von der Einkommensentwicklung auf dem übrigen Mediensektor abgekoppelt, sie verdienen heute oft nur ein Drittel dessen, was ihren Kolleginnen und Kollegen im fiktionalen Bereich selbstverständlich bezahlt wird.
„Bei solchen Zahlen versteht man, warum rund 70 Prozent unserer Kolleginnen und Kollegen ihre berufliche Perspektive „negativ“ oder sogar „sehr negativ“ sehen“, fasst die Berliner Regisseurin Alice Agneskirchner die Resultate der Studie zusammen. Als zweite Vorsitzende der AG Dokumentarfilm hat sie die Untersuchung initiiert und durchgeführt. Sie findet es „fahrlässig, dass die Film- und Fernsehbranche den Absolventen der vielen Filmhochschulen keine Perspektive bietet, die dem Aufwand und den Kosten dieser Ausbildung angemessen ist.“ Die Erkenntnisse der von Langer Media Consulting Berlin wissenschaftlich begleiteten und ausgewerteten Studie sind in der Tat erschreckend: demnach arbeiten freiberufliche Dokumentarfilm-Autoren und Regisseure im Schnitt 82 Tage im Jahr ohne Bezahlung. Auch, wenn ein von ihnen entwickeltes Projekt in die Produktion geht, werden die Kosten der Projektentwicklung in der Regel gar nicht oder nur teilweise erstattet. Hinzu kommt eine wachsende Belastung durch Aufgaben, die normalerweise gar nichts mit der Regietätigkeit zu tun haben – zum Beispiel das Organisieren von Drehgenehmigungen, die Rechteabklärung mit den Protagonisten oder sogar Verhandlungen über die Nutzungsrechte der von ihnen verwendeten Filmarchivaufnahmen.
Im „Tarifvertrag für Film- und Fernsehschaffende“ ist Autorentätigkeit und Regiearbeit nicht erfasst. Die Studie rechnet daher den Zeitaufwand für die Realisation von Dokumentarfilmen und Dokumentationen verschiedener Längen auf die dafür gezahlte Pauschalvergütung um. Unter Einbeziehung der besonders arbeitsintensiven „programmfüllenden“ 90-Minuten-Filme ergibt sich dabei im Durchschnitt aller untersuchten Projekte eine Tagesgage von 99 Euro – oder -bei Berücksichtigung der branchenüblichen Arbeitszeit- ein Stundensatz von 9,91 Euro – brutto! Schon als reine Arbeitszeitvergütung ist das ein Dumping-Lohn – trotzdem behaupten die Sendeanstalten, dass in solchen Beträgen auch Vergütungen für die Nutzung von Urheberrechten enthalten sind. Selbst bei separater Betrachtung reiner Fernseh-Projekte von 30 oder 45 Minuten Länge kommt man auf Tagesgagen, die deutlich unter denen der Kameraleute, Cutter und Produktionsleiter liegen.
„Es sollte eigentlich selbstverständlich sein, dass die Regisseure, die ja die Gesamtverantwortung für die künstlerische Gestaltung, den Inhalt und für die termingerechte Fertigstellung des Films tragen, nicht weniger verdienen, als alle anderen Beteiligten an der Produktion“, sagt Alice Agneskirchner. Solange diese Schieflage nicht beseitigt sei, könne von den im Rundfunkstaatsvertrag geforderten „fairen Vertragsbedingungen“ und von einer „angemessenen Vergütung“ der Dokumentarfilm-Urheber keine Rede sein.

(nach einer Pressemitteilung der AG DOK)
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