Filmfest Hamburg: Die Preise
Insgesamt sechs Preise wurden am 6.10.2012 im Rahmen der Abschlussveranstaltung von Filmfest Hamburg im ausverkauften CinemaxX Dammtor vergeben. Einige Preisträger konnten ihre Auszeichnung sogar persönlich entgegennehmen. Drei weitere Preise, der Douglas-Sirk-Preis, der TV-Produzenten-Preis und der Michel Preis waren schon zuvor überreicht worden. Durch den Abend führte die Moderatorin Julia Westlake.
Nach der Preisverleihung zeigte sich Festivalleiter Albert Wiederspiel zufrieden über den Verlauf von Filmfest Hamburg 2012: „Wir haben so tolle Gäste und besonders phantastische Regisseure. Und alle haben immer wieder betont, so gute Diskussionen wie mit dem Hamburger Publikum hätten sie selten.“
Bei den ersten Auszählungen des Ticketverkaufs am Freitagabend konnte ein Zuwachs der Besucherzahlen um fast zehn Prozent im Vergleich zum Vorjahr registriert werden. Gezeigt wurde als Abschlussfilm „Adieu Berthe“ von Bruno Podalydès aus Frankreich.
Die Preise
Häagen-Dazs Publikumspreis
Der Gewinner: „This Life“ (Regie: Anne-Grethe Bjarup Riis, Dänemark)
Überreicht wurde der Preis, der mit 5.000 Euro dotiert ist, von der Schauspielerin Pheline Roggan. Abgestimmt hatten rund 1.600 Zuschauer über fünf Filme per Stimmzettel. Die Frage hieß: Welcher europäische Box-Office-Hit in der Sektion „Eurovisuell“ ist der beste?
Art Cinema Award
Der Gewinner: „Laurence Anyways“ (Regie und Drehbuch: Xavier Dolan, Kanada. Verleih: NFP marketing & distribution, Kinostart voraussichtlich 1.3.2013)
Aus der Begründung der Jury: „Sensibel und dabei ungemein kraftvoll, leichthändig inszeniert und zugleich von großer Energie und Intensität: Dem jungen kanadischen Regisseur und Autor Xavier Dolan gelingt es, das schwierige Thema der Transsexualität in einer farbigen, musik- und emotionsgeladenen Collage zu behandeln, die von großartigen Darstellern getragen wird und durch die Liebe zum Detail besticht. Dolans Film über das Mannsein, das Frausein, das Menschsein hat das Potential, ein junges Publikum anzusprechen, das sonst für Arthousefilme oft nur schwer zu begeistern ist.“
Vergeben wird der Preis bereits zum fünften Mal vom internationalen Verband der Filmkunsttheater (C.I.C.A.E.) bei Filmfest Hamburg. Die Jury bestand aus zwei Kinobetreibern: Erdmann Lange (Atlantis Kino, Deutschland) und Raphael Lie (kult.kino, Österreich). Die Filmförderung Hamburg Schleswig-Holstein begleitet den Preis mit einer Summe von 5.000 Euro und fördert damit PR-Maßnahmen des deutschen Verleihs. Nominiert waren 16 Filme.
Preis der Hamburger Filmkritik
Der Gewinner: „Lore“ (Regie: Cate Shortland, Drehbuch: Cate Shortland und Robin Mukherjee, Deutschland, Australien, Großbritannien)
Aus der Begründung der Jury: „Ein Mädchen, ihr Vater eine Nazigröße unter Hitler, ist auf dem Weg in ein neues Leben: Lore ist ein sehr deutscher Film und doch kein deutscher Film. Sondern ein komplett auf deutsch gedrehtes Werk der Australierin Cate Shortland, die mit ihrem australischen Kameramann ein Deutschland einfängt von Süd nach Nord, das kalt und brutal wirkt und dabei gleichzeitig unglaublich poetisch und idyllisch. Hier erlebt eine 15-Jährige, traumhaft sicher gespielt von der Newcomerin Saskia Rosendahl, ihren persönlichen Weltuntergang, eine Anti-Nazifizierung im Kleinen, Privaten, die die deutsche Gesellschaft im Großen noch Jahrzehnte später beschäftigen und heimsuchen wird. Ein Film, der konsequent aus der Perspektive von Kindern, die in einer Familie der Täter aufgewachsen sind, das Kriegsende erzählt, was ihn zugleich radikal macht und eingängig. Bilder, Schauspieler, Regie, Kulisse: Hier stimmt einfach alles und umso größer ist unsere Verzauberung, in der auch ganz viel Verstörung steckt.“
Zu der Jury gehörten Volker Behrens (Hamburger Abendblatt), Thorsten Pilz (NDR 90,3), Matthias Schmidt (Stern) und Daniel Sander (Der Spiegel). Die Nachrichtenmagazine „Der Spiegel“ und „Stern“, die Tageszeitung „Hamburger Abendblatt“ und der Radiosender „NDR 90,3“ vergeben diesen Preis seit 2004 an einen Film, der sich durch einen originellen Blick auszeichnet. Nominiert waren zwölf Filme.
Foreign Press Award
Der Gewinner: „God’s Neighbors“ (Regie und Drehbuch: Meni Yaesh, Israel)
Aus der Begründung der Jury: „Den diesjährigen Preis vergeben wir an den israelischen Film „God’s Neighbors“ von Meni Yaesh. Die Gewalt in Verbindung mit religiösem Fanatismus ist ein Thema, das täglich die Nachrichten dominiert. Doch dieser Film ist mehr als ein Abbild der Realität, er bietet einen universellen, menschlichen Zugang zu einem komplexen Thema, das oft unzugänglich für die Außenwelt bleibt. In einer beeindruckenden Vielschichtigkeit erzählt der Film auch von existenziellen menschlichen Bedürfnissen nach Liebe, Geborgenheit und dem inneren Frieden. Wenn diese Werte greifbar sind, bekommen Menschen einen Halt und eine Alternative zur Gewalt. Deshalb gibt dieser Film Hoffnung. Besonders haben uns die jungen Schauspieler gefallen sowie die Arbeit der Kamera und die Musik – sie macht den Zugang zu der Welt der Protagonisten und ihren Emotionen leichter.“
Zum vierten Mal verliehen vier Vertreter des Vereins der ausländischen Presse in Deutschland (VAP e.V.) diesen Preis. Zu der Jury gehörten Eldad Beck (Achar Jedi’ot onot, Israel), Stefan May (APA, Österreich), Nazmun Nesa (freie Journalistin, Bangladesch), Rosalia Romaniec (freie Journalistin, Polen). Das Votum der deutschen Jury wird so um eine internationale Perspektive erweitert. Nominiert waren dieselben zwölf Filme wie für den Preis der Hamburger Filmkritik.
NDR Nachwuchspreis
Der Gewinner: „Germania“ (Regie und Drehbuch: Maximiliano Schonfeld)
Aus der Begründung der Jury: „Wir haben zwölf tolle Filme gesehen, aber nur einer wirkt ins uns fort – über die ganze Woche. Und das ist das Größte, was man über einen Film sagen kann. Bemerkenswert ist, dass der Film es schafft, die Geschichte in einer einzigen Szene zusammenzufassen und einen gefangen zu nehmen. In dem Film geht es um Abschied und Trennung von der Kindheit und von einem festen Ort. Es gelingt dem Film, vielschichtig zu erzählen, das Geschehen in Worten auseinanderzupulen – aber als Erlebnis ist es eins. Die Schauspieler sind alle Laien, doch sie werden behutsam geführt und wir glauben ihnen jedes Wort. Wenn die Kamera erzählt, wird man von der Schönheit der Bilder gefangengenommen und trotzdem dient sie der inneren Entwicklung der Geschichte.“
Dieser Nachwuchspreis wird zwar seit 2008 vergeben, das Preisgeld in Höhe von 5.000 Euro wird aber seit diesem Jahr erstmals vom NDR zur Verfügung gestellt (zuvor hieß der Preis „Die Elfe“). Gefördert werden Filmschaffende, die bei Filmfest Hamburg ihr Langfilmdebüt oder ihre zweite Regiearbeit zeigen. Die Jury bestand aus Hark Bohm (Regisseur, Autor) Hermine Huntgeburth (Regisseurin) und Georgij Pestov (Kameramann). Nominiert waren ebenfalls zwölf Filme.
Montblanc Drehbuch Preis
Der Gewinner: „Gnade“ (Drehbuch: Kim Fupz Aakeson, Regie: Matthias Glasner, Deutschland/Norwegen).
Aus der Begründung der Jury: „Kim Fupz Aakeson schafft Figuren, die, gefangen in ihrer Selbstlüge, isoliert in der Dunkelheit der Polarnacht, unerwartete und in ihrer Logik abseitige und doch emotional nachvollziehbare Entscheidungen treffen. Die Geschichte überrascht mit unverhohlener Klarheit in diesem emotional finsteren Familiendrama, das mit Mitgefühl, aber ohne Mitleid zeigt, was nicht eingestandene Schuld mit einem Menschen machen kann. „Gnade“ schafft die wunderbare Gratwanderung zwischen Berührung, Distanz, Empathie und Wut, und man ertappt sich selber in der Versuchung, den moralisch falschen, aber leichteren Weg der Lüge gehen zu wollen. Durch diese Ambivalenz wird der Zuschauer mit einem gespaltenen Gefühl der Gerechtigkeit und mit viel Stoff zum Weiterdenken entlassen. Wir gratulieren Kim Fupz Aakeson zu dieser berührenden und aufwühlenden Geschichte.“
Dieser Preis ist mit 10.000 Euro dotiert und wird in der Sektion „Nordlichter“ vergeben, gemeinsam mit dem Hamburger Traditionsunternehmen Montblanc. Insgesamt waren sechs Produktionen nominiert. In der Jury saßen Ursula Höf (Filmeditorin), Peter Lohmeyer (Schauspieler) und Max Zähle (Regisseur).
Michel Preis vom Michel Kinder und Jugend Filmfest
Der Gewinner: „Bitte bleib!“ (Regie: Lourens Blok, Drehbuch: Mirjam Oomkes, Willemine von der Wiel, Niederlande)
Aus der Begündung der Jury: „Bitte Bleib!“ erzählt die Geschichte der mutigen Freunde Lieke und Milad, die mit allen Mitteln versuchen, die Abschiebung von Milad und seiner Familie in den Iran zu verhindern. Der Film behandelt ein wichtiges, sehr ernstes Thema auf spannende und glaubwürdige Weise. Der Film ist besetzt mit fabelhaften Schauspielern, umgesetzt in eindringliche Bilder und untermalt mit origineller Musik.“
Den Preis übergab Uschi Reich, Produktionsleiterin der Bavaria Filmverleih- und Produktions GmbH in Hamburg mit den Worten: „Bei uns haben deutsche Kinder und Jugendfilme eine lange Tradition und die sind alle mit viel Begeisterung von den Kindern aufgenommen worden. Und jetzt geben wir das mit diesem Preis zurück“. Leider konnte Regisseur Lourens Blok nicht persönlich vorbeikommen, weil er bereits einen neuen Film dreht, aber er bedankte sich per Videobotschaft. Das Preisgeld in Höhe von 5.000 Euro stellte die Bavaria Film zum ersten Mal zur Verfügung. Insgesamt waren sieben Filme im Wettbewerb. Den Gewinner hatte eine Kinderjury zwischen zwölf und 14 Jahren ausgewählt. Mit dabei waren: Efim, Eva Carlotta, Murat-Alparslan, Sarah-Luna, Joel, Konrad und Amelia.
Das Michel und Jugend Filmfest, das in Kooperation mit dem LUCAS Kinderfilmfestival in Frankfurt organisiert wird, fand 2012 zum ersten Mal im Abaton-Kino statt. Mit großem Erfolg, wie Festivalleiter Albert Wiederspiel feststellte: „Wir haben nach den ersten Auszählungen der Michel-Tickets doppelt so viel eingenommen wie im Vorjahr. Darüber sind wir besonders glücklich.“
Die folgenden zwei Preise wurden bereits im Laufe des Festivals verliehen:
TV-Produzenten-Preis
Der Gewinner: „Mörderische Jagd“ (Produzentin: Claudia Schröder, Aspekt Telefilm-Produktion GmbH). Nominiert waren 13 Filme.
Douglas-Sirk-Preis
Der südkoreanische Regisseur Kim Ki-duk wurde bereits am 4.10. 2012 mit dem Douglas-Sirk-Preis ausgezeichnet und war mit seinem neusten Film „Pieta“ im Programm von Filmfest Hamburg vertreten.
(nach einer Pressemitteilung von Filmfest Hamburg)