Produzenten „unangemessen benachteiligt“

Landgericht Leipzig verbietet umstrittene Klausel in Sender-Verträgen

Durch eine offensichtlich rechtswidrige Vertragsklausel haben ARD und ZDF jahrzehntelang Verwertungserlöse beansprucht, die ihnen nie zustanden. Das ist die Konsequenz eines Urteils, mit dem das Landgericht Leipzig jetzt dem Mittdeutschen Rundfunk die weitere Verwendung der so genannten „VFF-Klausel“ untersagt. Geklagt hatte die AG Dokumentarfilm (AG DOK), die auch beim Deutschen Patentamt und beim Bundesjustizministerium schon mehrfach Beschwerde über die Entscheidungsstrukturen und die ungerechte Verteilungspraxis der Verwertungsgesellschaft der Film- und Fernsehproduzenten (VFF) erhoben hat. „Das Leipziger Urteil bestätigt unseren Verdacht, dass die Gelder der VFF nicht auf gesetzlicher Grundlage, sondern willkürlich verteilt werden“, kommentierte AG DOK-Vorsitzender Thomas Frickel gestern das Leipziger Urteil. Zugleich kündigte er weitere Schritte an.
Die so genannte VFF-Klausel wurde über viele Jahre hinweg nahezu gleichlautend von allen ARD-Anstalten sowie vom ZDF verwendet und verpflichtet die Fernseh-Auftragsproduzenten, alle entstehenden Filme der Verwertungsgesellschaft der Film- und Fernsehproduzenten (VFF) in München zu melden. Schon der Name dieser Verwertungsgesellschaft ist irreführend, denn dort kassieren die öffentlich-rechtlichen Sender von vornherein die Hälfte aller Verwertungserlöse für ihre Eigenproduktionen. Die andere Hälfte des Geldes sollte zwar den Fernseh-Auftragsproduktionen vorbehalten sein – aber auch davon kommt nur ein Teil tatsächlich bei den Produzenten an. Den Rest, so sieht es der interne Verteilungsplan der VFF vor, streichen wiederum die Sender ein. Für das Jahr 2011 summieren sich auf diese Weise 7,5 Millionen Euro, die der Produktionswirtschaft vorenthalten wurden. Abgesichert wurde dieser Griff in die Tasche der Produzenten durch eine standardmäßig verwendete Vertragsklausel, mit der die Sender alle Auftragsproduzenten in die VFF zwangen, sie damit der dort üblichen Verteilungspraxis unterwarfen – und jedesmal mit kassierten. Und zwar „unbeschadet der Rechtsfrage“, ob ihnen das Geld auch tatsächlich zusteht oder nicht. Damit ist jetzt Schluss.
Denn mit dieser Klausel, so begründet die 5. Zivilkammer des Landgerichts Leipzig (AZ 05 O 3921/09) ihr Urteil, werde nicht nur die Entscheidungsfreiheit über die Auswahl der Verwertungsgesellschaft signifikant beeinträchtigt, zugleich werde die gesetzlich vorgesehene alleinige Partizipation der Filmhersteller an den gesetzlichen Vergütungsansprüchen unterlaufen. Denn die Verwertungserlöse stehen ausschließlich den Inhabern der Leistungsschutzrechte zu – also denen, die auch die wirtschaftlichen Risiken der Produktion tragen. Und das sind nach einhelliger Meinung der Rechtssprechung in jedem Fall die Auftragsproduzenten. Außerdem verstößt die Klausel gegen das zum Schutz der schwächeren Vertragspartner gesetzlich verfügte Verbot der Vorausabtretung von Vergütungsansprüchen, „weil die Vertragspartner hierdurch die Hälfte der gesetzlich ihr zustehenden Vergütungen an die Beklagte abtreten.“ Durch all das würden die Produzenten „unangemessen benachteiligt“.
Ein Blick auf die Binnenstruktur der VFF mag erklären, wie es zu dieser nachteiligen Regelung kam: die Verwertungsgesellschaft der Film- und Fernsehproduzenten ist eine GmbH, an der ARD und ZDF auf der einen, sowie dem Bundesverband Deutscher Fernsehproduzenten e.V. auf der anderen Seite jeweils 50 Prozent der Gesellschaftsanteile halten. Im Fernsehproduzentenverband wiederum, der sich inzwischen der „Allianz deutscher Produzenten“ angeschlossen hat, zählen die großen Tochterfirmen öffentlich-rechtlicher Sendeanstalten zu den einflussreichsten und umsatzstärksten Mitgliedsfirmen. Sie geben aufgrund ihres Stimmgewichts bei der Besetzung aller wichtigen Entscheidungsgremien den Ton an. Dadurch gab es innerhalb der VFF immer eine stabile Mehrheit zur Durchsetzung der Sender-Interessen, kritische Fragen zur VFF-Klausel und zum Verteilungssystem der VFF waren unter solchen Umständen kaum zu erwarten. Flankiert wurde das System durch eine enge personelle Verzahnung zwischen den beteiligten Organisationen.
Diesen für sie komfortablen „status quo“ wollte die Sender-Seite offenbar erhalten. Deshalb zielte ihre Verteidigungsstrategie in dem Leipziger Gerichtsverfahren vorrangig darauf ab, der AG DOK die Legitimation zur Interessenvertretung der deutschen Dokumentarfilmbranche abzusprechen und stattdessen die Produzentenallianz als alleinige Repräsentanz der deutschen Produzentenlandschaft zu etablieren. Diese Sichtweise hat das Gericht ebenso detailliert wie unmissverständlich zurückgewiesen und der AG DOK dabei bescheinigt, dass sie sehr wohl zur Führung derartiger Verfahren legitimiert ist. Um so mehr, als sie sich nachweislich seit Jahren aktiv für die Interessen der Branche einsetzt.
(nach einer Pressemitteilung der AG DOK)
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