„Piraten-Mentalität bei ARD und ZDF!“
AG Dokumentarfilm greift Vertragspraxis der öffentlich-rechtlichen Sender an
In einem Schreiben an die Ministerpräsidenten aller 16 Bundesländer erhebt die Arbeitsgemeinschaft Dokumentarfilm/AG DOK schwere Vorwürfe gegen ARD und ZDF. Bis heute sei eine 2008 verabschiedete Protokollerklärung der Ministerpräsidenten-Konferenz, die den öffentlich-rechtlichen Sendern „ausgewogene Vertragsbedingungen und eine faire Aufteilung der Verwertungsrechte“ abverlangt, nicht in die Praxis umgesetzt worden, die von beiden Senderketten mit Hilfe ihrer Marktmacht durchgesetzten Vertragsbedingungen im Dokumentarfilmbereich seien nach wie vor weder fair noch angemessen.
Freie Autoren, Regisseure und Produzenten, die für öffentlich-rechtliche Sender in Deutschland arbeiten, gehören nach Aussage der AG DOK „zu den am schlechtesten bezahlten Beschäftigten der Medienbranche.“ Ihre Kalkulationen dürften sie nicht an den tatsächlichen Kosten eines Films, sondern nur an den einseitigen Vorgaben der öffentlich-rechtlichen Auftraggeber orientieren – selbstverständliche und weltweit akzeptierte Kostenfaktoren der Filmproduktion würden von den Sendern nicht anerkannt und auch nicht bezahlt. Selbst bei reinen Auftragsproduktionen stehen vielfach nur noch Pauschalbeträge zur Verfügung, die manchmal noch nicht einmal die Hälfte der Produktionskosten decken. Wiederholungsrechte, Internetverwertungen, Ausschnittrechte und viele andere Refinanzierungsmöglichkeiten werden freien Dokumentarfilm-Autoren, Regisseuren und -Produzenten durch Knebelverträge weggenommen – und zwar ohne jede zusätzliche Vergütung.
„Alle Welt redet in diesen Tagen über Internet-Piraterie. Aber keiner redet darüber, dass ARD und ZDF jeden Tag Inhalte ins Netz stellen, ohne die Urheber dafür zu bezahlen,“ klagt AG DOK-Vorsitzender Thomas Frickel. Im Schreiben an die Ministerpräsidenten wird dieser Vorwurf noch verschärft: „Durch diese Piraten-Mentalität verursachen die öffentlich-rechtlichen Sender der deutschen Dokumentarfilmbranche und weiten Teilen der Kreativwirtschaft immense wirtschaftliche Schäden. Während der öffentlich-rechtliche Apparat immer weiter aufgebläht und mächtiger wird, über zahllose Tochterfirmen wettbewerbsverzerrend in den Markt eingreift und in den Vergabegremien auch die Filmförderungen dominiert, werden Produktionsfirmen, Dienstleister und Freiberufler in der Medienbranche in den Ruin getrieben. Dass so etwas in einem System möglich ist, das mit Milliardenbeträgen öffentlich finanziert und durch die politisch verfasste Öffentlichkeit kontrolliert wird, ist skandalös.“
Die AG Dokumentarfilm, der bundesweit mehr als 870 Dokumentarfilm-Autoren, Regisseure und Produzenten angehören, appelliert in ihrem Schreiben an die Ministerpräsidentinnen und Ministerpräsidenten der Bundesländer, diesen Missständen ein Ende zu setzen und regulierend einzugreifen, „da das öffentlich-rechtliche Rundfunksystem aus sich selbst heraus nicht mehr zur Herstellung gerechter Rahmenbedingungen im Umgang mit Urhebern und Produzenten in der Lage ist.“
(nach einer Pressemitteilung der AG DOK)