Filmisches Echo verlorener Gefühle
Musik-Video des Kieler Regisseurs Kay Otto war für den ECHO 2012 nominiert
Als der Kieler Regisseur Kay Otto die Nachricht erhielt, konnte er es kaum glauben. Sein Musik-Video, das er vor knapp einem Jahr mit „Lowest Budget“ für den Song „Wann bleibst du endlich“ der Berlin-Hamburger Band Mikroboy im Studio des Offenen Kanals Kiel und in einer ausgemusterten Science-Fiction-Filmkulisse der Bavaria Film produziert hatte, war für den ECHO 2012 „Bestes Video National“ nominiert – neben „Screen-Bustern“ wie denen von Rammstein, Casper oder Lena. Zwar kam das Musik-Video nicht unter die ersten fünf, die gegenwärtig noch im Rennen sind, dennoch ist die Nominierung für Otto eine Art filmischer „Ritterschlag“.
Denn Ottos Bildsprache in „Mikroboy: Wann bleibst du endlich“ (gefördert u.a. von der Filmwerkstatt Kiel der FFHSH) ist für einen Videoclip un- und außergewöhnlich. Statt ein übliches Performance-Video zu machen, wo man in schnellen Schnitten der Band beim Spielen zusieht, erzählt Otto, angeregt vom Text des Songs, eine parabelhafte Geschichte. „Das lyrische Ich ist darin ein depressives, der Protagonist lebt wie in einer entfernten, entfremdeten Blase, in die kaum noch etwas von außen dringt“, beschreibt er das verlorene Gefühl in Mikroboys Song, das bei ihm das (Film-) Bild eines Astronauten „lost in space“ aufscheinen ließ.
Lost in Space verlorener Gefühle: Sänger Michi Ludes in Kay Ottos ECHO-nominiertem Musik-Video „Mikroboy: Wann bleibst du endlich“ (Foto: Aron Krause)
Nur wie verfilmt man so eine aus der Zeit gefallene Vision mit einem „guerilla-mäßig“ minimalen Budget, ohne dass es amateurfilmhaft wirkt? Otto und sein kleines Team entschieden sich, das „kulturelle Wissen“ eines Science-Fiction-Films zwar aufzurufen, aber in einer Kulisse, die wie die „Blase“ des Protagonisten als solche erkennbar ist. Izabela Guziewicz, Bühnenbildassistentin am Theater Kiel, baute eine solche im Studio des Offenen Kanals auf, unter Verwendung von Haushaltsgegenständen, etwa einem Waschmaschinenfenster als „spaciges“ Bullauge wie einst bei „Raumpatrouille Orion“. Den Raumanzug für Sänger Michi Ludes entlieh man von der Berliner Theaterkunst Kostümausstattung. Selbst die Schwerelosigkeit im leeren All ließ sich dank gewitzter Kameraführung (Aron Krause) simulieren. Für die End-Sequenz begab man sich in den Münchner Bavaria Filmpark, wo der Rest einer Kulisse aus Wolfgang Petersens „Enemy Mine“ reaktiviert wurde.
Low-Budget-Dreh für ein weiteres Mikroboy-Video Anfang Februar in der Alten Mensa der Kieler Uni: (v.l.) Regisseur Kay Otto, Mikroboy-Bassist Kai-Steffen Müller und Kameramann Torben Sachert (Foto: Tim Butenschön)
Das Video sammelte auf myvideo.de bereits am ersten Wochenende nach Erscheinen knapp 100.000 Klicks, die ECHO-Nominierung steigerte die „Hits“ umso mehr. Nicht nur gut für die Indie-Band Mikroboy, für die Otto auch die Single „Es hat sich einiges getan“ verfilmte, auch für den Filmemacher, der zwar weiß, dass man mit Musik-Videos nur selten Geld verdient, sie aber als produktive „Fingerübung“ begreift. Solche lieferte er auch schon für Bands der „Hamburger Schule“ wie Kettcar, Tomte oder Clickclickdecker ab. Anfang Februar 2012 drehte er – „mit schon fast keinem Budget mehr“ – im 70er-Ambiente der Alten Mensa der Kieler Uni sein drittes Mikroboy-Video. Wenig bis kein Geld kann Otto nicht abschrecken, gerade wenn er „in diesem ausgelutschten Genre noch an einer Schraube drehen“ darf – auf jenes Gegenlicht, das seine Videos verzaubert zu einer anderen (Film-) Welt, gegen die nicht mal das Glanzlicht einer ECHO-Nominierung anleuchten kann. (jm)
Videos auf www.mikroboy.com/page/videos/musikvideos.