„Provokation der Wirklichkeit“: Die Kurzfilmtage Oberhausen würdigen das Oberhausener Manifest

Unter dem Titel „Provokation der Wirklichkeit: Mavericks, Mouvements, Manifestos“ zeigen die 58. Internationalen Kurzfilmtage Oberhausen vom 26. April bis 1. Mai 2012 ein großes Themenprogramm zum 50. Jahrestag des Oberhausener Manifests. Im Zentrum stehen die Filme der Oberhausener; Dutzende ihrer Werke wurden eigens für das Programm gesammelt und restauriert.
Darüber hinaus stellen die Kurzfilmtage das Oberhausener Manifest in den Kontext seiner Zeit. Überall auf der Welt fanden sich damals Gruppen zusammen, die das Kino verändern wollten und dies oft genug per Manifest kundtaten. Das Festival stellt fünf Bewegungen aus fünf verschiedenen Ländern vor, die die ganze Bandbreite der Bestrebungen jener Jahre nach Veränderungen spiegeln. Zentrale Frage ist, was die Manifeste und Gruppen der Vergangenheit zur gegenwärtigen Situation der Kunst- und Kinokultur(en) zu sagen haben.
1959 wurde in Ungarn das Balázs Béla Stúdió als Experimentierfeld jenseits des offiziellen Kinos gegründet; die New American Cinema Group um Jonas Mekas forderte in ihrem First Statement im Sommer 1961 die radikale Veränderung des US-Kinos; im April 1964 fanden sich mehr als 80 japanische Filmschaffende zur Eiga geijutsu no kai (Filmkunstgesellschaft) zusammen, um das Dokumentarkino von Grund auf zu erneuern. Schon 1953 hatte die Groupe des Trente in Frankreich ihr Manifest zur Verteidigung des Kurzfilms veröffentlicht; in Schweden formierte sich Ende der fünfziger Jahre eine Gruppe um den Museumsgründer und Kurator Pontus Hultén – seine Bemühungen um die Verbindung von bildender Kunst und Experimentalfilm sind heute so aktuell wie damals.
Neben den Filmprogrammen organisieren die Kurzfilmtage eine Podiumsdiskussion über temporäre Zusammenschlüsse von Filmemachern, Künstlern und Intellektuellen, die sich über Manifeste, Kampfansagen oder Absichtserklärungen bemerkbar machten, und deren Tauglichkeit für die Gegenwart.
Anlässlich des 50. Jahrestags des Oberhausener Manifests erscheint zum Festival das Buch „Provokation der Wirklichkeit. Das Oberhausener Manifest und die Folgen“ im Verlag edition text + kritik, eine Sammlung von Dokumenten, Essays und Gesprächen. Darüber hinaus wird im Frühjahr 2012 in der Reihe „Edition Filmmuseum“ eine Doppel-DVD mit rund 20 Arbeiten der Unterzeichner aus den Jahren 1957 bis 1965 erscheinen.
Am 16. Januar 2012 ist die Website www.oberhausener-manifest.com der Internationalen Kurzfilmtage Oberhausen online gegangen. Das Oberhausener Manifest, fraglos das wichtigste Gruppendokument des deutschen Films, gehört zu den berühmtesten und zugleich am wenigsten bekannten Abschnitten der deutschen Filmgeschichte. Über die Umstände seiner Verkündung kursieren ähnlich viele Versionen wie über die Herkunft des Spruchs „Papas Kino ist tot“; die Filme, die die 26 Unterzeichner in ihrer aktivsten Zeit (1958-67) hergestellt haben, sind bis heute nie systematisch gesammelt und gesichert worden.
Die Frage, was vom Aufbruch geblieben ist und welche Relevanz das Manifest heute hat, greift die Website ebenso auf. Einen ersten Vorgeschmack bietet Max Linz’ Serie „Das Oberhausener Gefühl“, die am 28. Februar auf www.oberhausener-manifest.com startet. Gespräche mit Zeitzeugen und Mitschnitte von Diskussionen und Symposien zum Oberhausener Manifest, die im Laufe des Jahres ergänzt werden, dokumentieren ferner die aktuelle Auseinandersetzung.
„Provokation der Wirklichkeit“ wird gefördert von der Kulturstiftung des Bundes. Partner der Website sind www.filmportal.de und Arte Creative.
(nach Pressemitteilungen der Kurzfilmtage Oberhausen)
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