62. Internationale Filmfestspiele Berlin – Berlinale 2012
Mentale Zustände und globale Strukturen: Forum Expanded untersucht neue Spielräume von Kunst, Kino und Politik
37 Arbeiten von Künstlern, Filmemachern, Theoretikern und Musikern aus 20 Ländern bilden im diesjährigen Forum Expanded ein dichtes und konzentriertes Programm. Es umfasst Ausstellungen, Filmprogramme, Diskussionen und Performances und steht im Zeichen der ästhetischen Auseinandersetzungen mit globalen und individuellen Dimensionen gegenwärtiger Krisen. Das Programm prüft die Aktualität vergangener radikal-avantgardistischer Ideen und versucht sich an der Neubestimmung eines Kinos der Gegenwart.
Die Ausstellung im Salon Populaire (Kunstsaele Berlin) trägt dieses Jahr den Titel „Kritik & Klinik“. Die Kritik der Institutionen und insbesondere der klinischen Psychiatrie nahm in den 60er und 70er Jahren des letzten Jahrhunderts einen zentralen Platz in den politischen Diskursen ein. Diese Bewegung sah Psychopathologien als Produkt sozialer Verhältnisse und repressiver gesellschaftlicher Strukturen. Mit Luke Fowlers Film All Divided Selves über die Arbeit des Psychiaters und Gurus der Anti-Psychiatriebewegung RD Laing nimmt die Ausstellung „Kritik & Klinik“ hier ihren Ausgangspunkt. Die präsentierten Arbeiten setzen sich mit den gegenwärtigen psychologischen Dimensionen politisch-gesellschaftlicher Strukturen auseinander. Indem sie das Verhältnis von mentalen Zuständen und globalen Strukturen untersucht, wird die Ausstellung zu einem diagnostischen Panorama der „Psychosphären“ eines Kapitalismus, dem Leben, Subjektivität und Psyche zur zentralen Ressource geworden sind. Wie das gesamte Programm des diesjährigen Forum Expanded stellt sie dabei auch die Frage nach den visuellen und narrativen Handlungs- und Spielräumen der Kunst.
In einer weiteren Ausstellungspräsentation im Gutschow-Haus in der Friedrichstraße werden globale Konfliktgeografien thematisiert. Im Blickpunkt steht dabei der israelisch-palästinensische Grenzraum (Elle Flanders/Tamara Sawatzky und Yazan Khalili), aber auch ein südspanisches Kupferabbaugebiet, das für die Marsforschung genutzt wird (Anne Quirynen). Im Marshall-McLuhan-Salon der Botschaft von Kanada präsentieren wir in diesem Jahr kurze Trouvaillen des Experimentalfilmers Steve Reinke, die zusammen einen Langfilm ergeben.
Im HAU – Hebbel am Ufer wird Forum Expanded erneut das Kino auf die Bühne bringen. Der israelische Regisseur Avi Mograbi, dessen Arbeiten das Forum wiederholt zeigte und der für seine radikalen Inszenierungen des Selbst im Dokumentarischen bekannt ist, kehrt als Musiker nach Berlin zurück und tritt mit seiner vierköpfigen Band im HAU 2 auf. The Last Days of British Honduras von Caroline Sullivan und Farhad Sharmini, eine Verfilmung des gleichnamigen Theaterstücks von Ronald Tavel, ist ein filmisches Abenteuer des Absurden.
Zwei Programme von Harun Farocki und Constanze Ruhm/Angela Melitopoulos widmen sich dem Kino als Geschichtsraum der Gegenwart und geben dabei einen Einblick in das groß angelegte Projekt „Living Archive – Archiv als künstlerische und kuratorische Praxis der Gegenwart“ am Arsenal – Institut für Film und Videokunst.
In den Filmprogrammen von Forum Expanded sind Arbeiten von bildenden Künstlern wie Deimantas NarkeviÄius vertreten, aber auch Filmemacherinnen wie Isabell Spengler und Isabelle Prim, die beide schon früher Gäste des Forum Expanded waren. In den Kurzfilmprogrammen werden experimentelle Arbeiten von Eva Heldmann, Laure Prouvost, Ahmad Ghossein u.v.a. zu sehen sein.
Das Foyer des Kino Arsenal wird zum zweiten Mal von den Prinzessinnengärten bepflanzt, die auch die Bar betreiben. Wie jedes Jahr ist auch das b_books-Kollektiv mit einem Bücherstand vertreten.
Forum Expanded wird kuratiert von Stefanie Schulte Strathaus (Leitung), Anselm Franke, Nanna Heidenreich, Bettina Steinbrügge sowie Ulrich Ziemons (Assistenz).
(nach einer Pressemitteilung der Berlinale)