53. Nordische Filmtage Lübeck 2011

Ostfriesisches Macho-Phlegma trifft auf maghrebinischen Frauencharme

„Fischer fischt Frau“ (Lars Jessen, D 2011)

Fischer Hein Schüpp (Peter Heinrich Brix) aus Ostfriesland „fischt“ gern Trübsal – oder noch besser gesagt: wird als chronisch schlecht gelaunt und mundfaul in die TV-Komödie „Fischer fischt Frau“ eingeführt. Mit seiner Frau Rieke (Anna Loos) lebt er in strapaziöser, weil noch nicht endgültig finanzierter Scheidung, und gegen den von einem holländischen Großhändler angestrebten Aufkauf seines Krabbenkutters wehrt er sich energisch bis wütend. Auch das verkniffene Äußere dieses Mitfünfzigers, sein beständig mürrisches Gesicht und anderes tragen nicht gerade zu seinem Sympathie-Appeal bei. Diesen sozial durchaus „schwierigen“ Charakter lässt das Drehbuch (Daniel Speck und Sathyan Ramesh) auf die sehr attraktive, akademisch gebildete, sprachgewandte und durchaus emanzipierte Marokkanerin Mona (Saana Alaoui) treffen. Sie pult umständehalber mit Hunderten von anderen Frauen Krabben in Tanger. Hein trifft sie dort auf einem Kurztripp, zu dem ihm seinem Freund und LKW-Fahrer Matze (Bjarne Mädel) verführt hat. In Marokko sei die Frau noch eine Frau und der Mann noch der Mann, schwärmt er dem Scheidungsgeschädigtem vor. Hein verkuckt sich prompt in die schöne Marokkanerin und schafft es, sie erfolgreich an die friesische Küste einzuladen, trotz seines Minimaltemperaments, das nur in cholerischen Momenten eine schöne Blüte erfährt.
Ein ungleiches Paar: friesischer Fischer (Peter Heinrich Brix) mit seinem marrokanischen Gast (Sanaa Alaoui) (Foto: ZDF / Marion von der Mehden)
In Ostfriesland werden nun sowohl Clash of Cultures als auch Geschlechterkampf auf mildem Komödienniveau prime-time-verträglich ausgefochten. Ostfriesisches Macho-Phlegma trifft auf maghrebinischen Frauencharme. So heftig Hein gegen seine Exfrau Rieke im Versorgungsstreit auch wettert und sich von seiner derb rustikalen Art zeigt, so konfliktscheu, ja beinahe sensibel begegnet er Mona. Das schützt beide freilich nicht vor zeitweiliger Sprachlosigkeit untereinander, die Regisseur Lars Jessen aber mit Gespür gewähren lässt und nicht beschönigend mit irgendwelchen harmonischen Patentlösungen zukleistert. Jessen zeigt auch trotz aller Sympathie zwischen den Protagonisten, wie fremd sich Mona und Hein über lange Zeit bleiben und dass Mona noch auf lange Zeit hin eine Fremde in Ostfriesland bleiben wird. Sie ist befremdet und wird eher skeptisch von Heins Familie und seinen Freunden beäugt. Hein ist eher hilflos bis gegen seine Umwelt polternd. Bald fragt man sich, was ihn wohl jenseits aller Illusionen dazu „geritten“ haben mag, Mona zu sich einzuladen, zu wenig scheint er den daraus sich ergebenden Konflikten gewachsen zu sein. Und was mag wohl Mona bei aller vermeintlicher „Versorgungsmentalität“ und trotz ihres sich bisweilen unterordnenden Temperaments dazu bewogen haben, diese „kühne“, aber von Hein gelassen ausgesprochene Einladung anzunehmen? Auch das Umfeld der beiden zeigt sich bis auf einen polnischen Mitschüler im Integrationskurs der Volkshochschule wenig hilfreich. Heins Mutter wittert multikulturelle Familien-Probleme und sieht in Mona eine unerwünschte Konkurrentin beim Krabbenpulen; Heins restliche Familie scheint sich kaum um Mona zu kümmern.
Obwohl absurde, trockene Momente den Stoff würzen, wünscht man sich manchmal etwas mehr Geschehen in der Geschichte, Tempo und Tatendrang von Hein Schüpp, wollte er doch zupackend sein Schicksal in die Hand nehmen und weiß jetzt voll sturer Blindheit für das eigentlich Angesagte nicht, wie er mit Mona zu Potte kommen soll. Gelassen versucht die Regie, diese Schwächen in der Geschichte auszugleichen. So werden die Typen von der Küste mit Sinn für Mentalität und Charakter der Leute aus dem Norden in den Film gesetzt. Einmal mehr zeigt sich die passende Wahl des Regisseurs für seinen norddeutschen Stoff. Er kennt die Gegend und weiß, wie er was hier erzählen kann. Bei aller komödienhaften Wendung zum genregeforderten glücklichen Ende nach kurz zuvor erfolgter Beziehungskatastrophe scheinen die Figuren in ihrer Art zu stimmen. Sie gehören hier her, selbst letztendlich Mona als Kontrastperson, gerade wegen der Herausforderungen an beide Seiten, und Regisseur Lars Jessen zu solchen, heimatlich regional gefärbten Stoffen. (Helmut Schulzeck)
„Fischer fischt Frau“, Deutschland 2011, 89 Min., Regie: Lars Jessen, Buch: Daniel Speck und Sathyan Ramesh, Kamera:Kay Gauditz, Schnitt:Sebastian Schultz, Musik: Jack Johnson, The Kooks („Seaside“), Darsteller: Peter Heinrich Brix (Hein Schüpp), Sanaa Alaoui (Mona Ben Arouz), Anna Loos (Rieke Schüpp), Petra Kelling (Gesine Schüpp), Nele Mueller-Stöfen (Antje Kocken), Steffen Münster (Gerd Kocken), Bjarne Mädel (Matze), Marion Breckwoldt (Friederike Verhülsdonk), Produktion: Kerstin Schmidbauer, Constantin Television für Arte und das ZDF; der Film ist im August 2011 schon bei Arte ausgestrahlt worden und wird noch beim ZDF gesendet.
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