15. Filmfest Schleswig-Holstein – Augenweide 2011
Neulich (nicht nur) in Kiel
Eindrücke vom Kurzfilmabend „Kiel Spezial“
Wohl das „Teekesselchen“ – PET = Plaste-Pfandflasche / Pet = Haustier – hat Martina Harand zu ihrem Kurzfilm „PET“ (D 2010, 15 Min.) angeregt. Denn Herr Bachthaler (komödiantisch versiert: Colin Moore) weiß nicht, wie er die Krebs-OP seines treuen Haus- und Hundefreundes bezahlen soll, bis er entdeckt, dass er die 71 Euro für die rettende OP locker einsammeln kann, wenn er 284 Pfandflaschen zusammenbekommt. Dazu muss er allerdings im „Revier“ eines anderen Flaschenpfandsammlers (Andi Pooch) wildern, was so manchen slapstickhaften Kampf – inklusive Showdown-Duell um die letzte noch fehlende Flasche – herausfordert. Eine hübsche Plot-Idee, die Harand allerdings etwas langatmig verfilmt. Zu lange Einstellungen, zu wenig vom zu vielen Stummfilmpathos a la Laurel & Hardy. Gleichwohl recht nett, wie Harand mit den filmhistorischen Versatzstücken spielt. Ein Film, der auf mehr und Besseres im nächsten hoffen lässt.
Ähnlich geht es dem Betrachter in Ben-Niclas Jahns Musikvideo „Anna Yina – Herzschlag“ (D 2010, 3’30 Min.). Trotz recht netter Idee, die Schlagersängerin Anna Yina – Liedermacherin wäre zu viel gesagt – samt ihres roten Klaviers und um sie kreisender Kamera an die winterliche Kieler Hörn zu verfrachten, fragt man sich, ob dieser Film samt seines filmisch hübsch rotierenden „Herzschlags“ um die- und denselben sein musste. Freilich weniger ein Zuwenig vom Filmemacher als derer, die er da in Szene zu setzen hatte.
Wo die Darsteller schlecht sind, kann man keinen guten Film machen – umgekehrt ist es in Jan-Gerrit Seylers „Camille“ (DK 2009, 12 Min.), eine Arbeit des Kieler Filmemachers, der inzwischen an der Hamburg Media School studiert, während seines Aufenthalts am European Film College im dänischen Ebeltoft. Die 15-jährige Camille (bezaubernd bis verführerisch durchtrieben: Cecilie Sophie Flattum) mag nicht mehr ihren dogma-gefilmten („Das Fest“ von Ebeltoft-Dozent Thomas Vinterberg lässt nicht von Ungefähr grüßen) Eltern beim langweiligen Smalltalk zuschauen und haut für eine wilde Nacht ab. Sie trifft einen Fremden (verzweifelt klarsichtig: Morten Hauch-Fausbøll), der als Flucht aus seinem verfahrenen Familienleben ein schnelles sexuelles Abenteuer sucht, dann aber entdeckt, dass er ihr Vater sein könnte und sich so ihr väterlich-freundschaftlich verbunden fühlt. Eine poetische Geschichte ohne den darin erwarteten Missbrauch, vielmehr darüber, wie zwei Menschen sich als jeweils Einsame begegnen können, einander ein Helfer zu sein.
Ein ebenso ungleiches wie dennoch verbundenes Paar, dargestellt von nicht minder kongenialen Schauspielern, zeigt Hans Helle in seiner Kurzkomödie (Premiere bei der Augenweide 2011) „Nicht mein Ding“ (D 2010, 14’43 Min.). Er (wie gewohnt witzig: Peter Jordan) ist Sprachwissenschaftler, sie (nicht minder wundervoll komisch: Samantha Viana) ist Servierdüse am Tresen des (kongenialer Drehort) Kieler Cafés Exlex. Er hat eine herrenlose Pistole gefunden – Wink des Schicksals – und versucht einen Überfall. Geld her und zwar fix – „Je länger ich bleib’, desto mehr Risiko, desto mehr Geld, das ist Kapitalismus!“ Das ist aber auch Sprache, die bekanntlich nicht immer nur das sagt, was sie zu sagen vermeint. Räuber und ganz und gar nicht Beraubte liefern sich ein Wortgefecht, wie es die besten Sprachphilosophen nicht besser könnten. Statt Kugeln fliegen Worte und verwirren und durchsirren beide. Es ist eben nicht alles, was es scheint, noch weniger, was es besagt. Die kriminelle Energie versickert in der Energie der Sprechakte. Die Pistole „ist ein Ding an sich, aber nicht mein Ding“. So verhindert der Sprech- den Raubakt, der Krimi misslingt, indem er als Sprachspiel gelingt. Ein Konjunktiv aller Drehbücher, eine hoch komödiantische Studie über verhinderte Kammerspiele, die gerade deshalb so herrlich gelingen im Neongrün einer Szene-Kneipe. Hier gibt im Wortduell, eine Wortkugel die andere, und am Ende sind alle die Gelackmeierten. Herrlich witzig, klassisch heroisch. Ein Film der den Spaß macht, den man beim Dreh in Kiel offensichtlich hatte. (jm)