Filmförderung Hamburg Schleswig-Holstein: Förderentscheidungen Gremium 2
Lebens-, Liebes- und Zeitgeschichte(n)
Ein filmisches Debüt, der zweite Langfilm, ein experimenteller Kurzfilm sowie Dokumentarfilme von bekannten Filmemachern und aufstrebenden Talenten: Gremium 2 der Filmförderung Hamburg Schleswig-Holstein (FFHSH), zuständig für Projekte mit Herstellungskosten bis 800.000 Euro, förderte 23 Projekte und gewährte zwei Hamburger Lichtspielhäusern erstmals Investitionszuschüsse für die Kinodigitalisierung. Insgesamt wurden in der Sitzung vom 29. November 2010 644.930 Euro vergeben.
Produktionsförderung erhalten zwei Spielfilme, neun Dokumentarfilme und ein experimenteller Kurzfilm für das Kino.
Der Spielfilm JESÚS UND MUHAMMED von Tim Staffel (35.000 Euro, Salzgeber & Co Medien, Berlin) ist der erste abendfüllende Spielfilm des in Berlin lebenden Dramatikers und Schriftstellers und zugleich die Verfilmung seines vierten Romans über die Liebesbeziehung zweier Außenseiter vor Sylter Kulisse. Gedreht wird ab Ende Februar 2011 auf der nordfriesischen Insel.
Mit TRES (AT) von Anahi Hoeneisen und Daniel Andrade(32.000 Euro) wagt sich der Hamburger Produzent Dirk Manthey an seine erste internationale Koproduktion mit Ecuador (La Maquineta) und Argentinien (Domenica Films). Der zweite Langfilm des Regie-Duos Hoeneisen/Andrade, das in diesem Jahr bei den Filmfestspielen in Cannes als „projet en development“ im Rahmen des „Pavillon Les Cinémas du Monde“ vorgestellt wurde, erzählt von einer Jungenfreundschaft Ende der 80er Jahre in Ecuador, über die erste Liebe, über Begierde und Schuld.
Als „Filmgedicht übers Radfahren“ bezeichnet der Hamburger Filmemacher Jörn Staeger seinen experimentellen Kurzfilm VELO- MYSTERIUM (16.000 Euro) über das komplexe Zusammenspiel zwischen Fahrrad und Fahrer.
Ausgehend von den Ereignissen des 9. November 1989 erzählt Jochen Hicks Dokumentarfilm OST KÜSST WEST (70.000 Euro, Galeria Alaska Productions, Hamburg) wie eine damals noch in beiden Teilen Deutschlands ausgegrenzte Bevölkerungsgruppe der Lesben und Schwulen auf ganz eigene Weise den Aufeinanderprall der Gesellschaftssysteme erlebte.
Der für seine Dokumentationen mehrfach ausgezeichnete in Hamburg ansässige Filmemacher Andrei Schwartz begleitet in der internationalen Koproduktion HIMMELVERBOT-LEBENSLÄNGLICH AUF BEWÄHRUNG (60.000 Euro, Tag/Traum Filmproduktion, Köln in Koproduktion mit Libra Film, Rumänien) den in Rumänien lebenslänglich Verurteilten Gavriel Hrib. Im August 2011 entscheidet ein Bewährungsausschuss, ob er das Gefängnis verlassen darf. Hintergrund ist, dass mit dem EU-Beitritt Rumäniens auch westliche Justizreglements Einzug erhalten haben, die vor Ort auf Argwohn stoßen.
Drei Ex-Priester stehen im Mittelpunkt des Dokumentarfilms IM NAMEN DES VATERS DES SOHNES UND DES HEILIGEN GEISTES (60.000 Euro, in Koproduktion mit Sophiemages, Belgien). Produzent, Autor und Regisseur Peter Woditsch, zeichnet ihren Lebensweg von ihrer Berufung bis zu ihrem Austritt aus der Kirche nach.
Von 1912 bis 1948 konnte man bei den Olympischen Spielen eine Medaille nicht nur für die sportliche Leistung, sondern auch für eine künstlerische Arbeit in den Kategorien Malerei, Bildhauerei, Musik, Literatur und Architektur gewinnen. Die in Hamburg lebende Filmemacherin Alexa Oona Schulz erläutert in ihrem Film KUNST IM OLYMP (55.000 Euro, Filmtank, Hamburg) diese besonderen Kunstwettbewerbe und ihre oft skurrilen Werke.
Sun City im US-Bundesstaat Arizona ist eine Seniorenstadt, in die man erst nach Vollendung des 56. Lebensjahres ziehen darf. Nach WASSER UND SEIFE erzählt die Hamburger Filmemacherin Susan Gluth in WILLKOMMEN IM WUNDERLAND (50.000 Euro, Junge Götter Filmproduktion, München) humor- und verständnisvoll über das Alter und den Tod sowie über das Phänomen einer alternden Gesellschaft, das kein typisch amerikanisches ist.
In dem Film HAUS TUGENDHAT von Dieter Reifahrt (37.000 Euro, Strandfilm, Frankfurt) geht es um die Geschichte eines besonderen Hauses im tschechischen Brünn, verbunden mit der bewegten Geschichte der jüdischen Familie Tugendhat. 1930 beauftragten das Ehepaar Grete und Fritz Tugendhat den Bauhaus-Architekten Ludwig Mies van der Rohe mit dem Bau eines Einfamilienhauses, das bis heute zu einem der bedeutendsten Werke der modernen Architektur zählt.
Der Filmemacher Philip Scheffner begibt sich mit seinem dokumentarischen Kriminalfilm REVISION (35.000 Euro, Pong Kröger & Scheffner, Berlin) auf Spurensuche nach Mecklenburg-Vorpommern. Dort wurden 1992 in Nadrensee zwei Roma erschossen. Die Täter waren drei Jäger, zwei aus den alten Bundesländern, einer aus der Gegend. Alle sind heute EU-Bürger. Scheffner rekonstruiert nicht nur einen historischen Fall, sondern hinterfragt zugleich die politische Definition des heutigen Europas.
Mit der Kamera schreiben, erzählen, denken und recherchieren: der Regisseur, Autor und Kameramann Alfred Behrens erzählt und visualisiert in DER SCHATTEN DES KÖRPERS DES KAMERAMANNS (AT) (30.000 Euro) seine Lebensgeschichte(n).
Mit dem Film AUFBRUCH DER MODERNE (20.000 Euro, Filmgalerie 451, Berlin) über die Architekten Auguste Perrets, Luigi Nervis und Luis Barragáns beschließt der Filmemacher Heinz Emigholz seine 1993 begonnene erfolgreiche Filmreihe „Architektur als Autobiografie“.
Mit 10.000 Euro wird der Dokumentarfilm TONALI 10 – DIE GEIGER (AT) (schneider + groos filmproduktion, Hamburg) über einen der wichtigsten internationalen Violinwettbewerbe für junge Talente in Hamburg in der Postproduktion unterstützt.
Projektentwicklung in Höhe von 20.000 Euro erhält der Spielfilm von Marc Meyer HEY JOE, LOVE IN YOUR HAND (miko film, Hamburg) über einen jungen Mann, der im Affekt seine Geliebte und deren Lover tötet und flüchtet, seiner Tat jedoch nicht entkommen kann. Mit 15.000 Euro wird der Dokumentarfilm IM SCHATTEN DER ANGKORBÄUME von Marina Kem (Sterntaucher Filmproduktion, Hamburg) über die Überlebenden der Roten Khmer und die langsame Verarbeitung der kambodschanischen Tragödie unterstützt.
Förderung in der Stoffentwicklung erhalten die Dokumentarfilme MAUERHAFT von Gerald Grote und Claus Oppermann (13.000 Euro, EinfallsReich Film, Kiel) über den Bau der Berliner Mauer aus privatem Blickwinkel, DIE WITTGENSTEINS von Bertram Rotermund (9.000 Euro, Rotermund Filmproduktion, Hamburg) über die Industriellen- und Intellektuellenfamilie Wittgenstein und DISCONNECTED von Dirk Manthey (7.000 Euro, Dirk Mantey Filmproduktion, Hamburg) über isolierte Orte und ihre Bewohner.
Im Verleih und Vertrieb wird die Kurzfilmrolle DAS GRAUEN KOMMT UM MITTERNACHT mit acht kurzen Thrillern bzw. Gruselfilmen des KurzFilmVerleihs Hamburg sowie der Dokumentarfilm THE GREEN WAVE von Ali Samadi Ahadi (10.000 Euro, Camino Filmverleih) unterstützt, der am 27. Januar 2011 im Kino startet.
Kinoförderung in Höhe von jeweils 4.000 Euro erhalten das 3001 Kino für die 21. LATEINAMERIKA FILMTAGE, (bis 15. Dezember 2010) mit aktuellen Produktionen aus der Region in der untertitelten Originalfassung und das Metropolis Kino für die HORST KÖNIGSTEIN WERKSCHAU (bis März 2011). Für das Filmprogramm VOLLER ILLUSIONEN u.a. mit Märchenfilmen wie „Drei Haselnüsse für Aschenbrödel“ oder dem bildgewaltigen Epos „Die Reise ins Glück“ von Wenzel Storch (bis 2. Januar 2011) wird das B-Movie mit 3.000 Euro gefördert.
Investitionszuschüsse für die Kinodigitalisierung aus dem in diesem Jahr neu aufgelegten Sonderprogramm Digitalisierung erhalten das Magazin Filmkunsttheater (21.600 Euro) und das u.a. auf Originalfassungen spezialisierte Filmtheater Streit’s (13.330 Euro).
Die Förderentscheidung haben getroffen: Gabriele Brunnenmeyer, Ulrike Dotzer, Stephan Holl, Eva Hubert, Dietrich Leder und Bernd-Günther Nahm.
(nach einer Pressemitteilung der FFHSH)