52. Nordische Filmtage Lübeck 2010

Jimi Hendrix’ letzter Auftritt

„Jimi – das Fehmarn-Festival“ (Rasmus Gerlach, Wolfgang Neitzel, Paul Kulms, D 2010)

Das Rockfestival auf Fehmarn ist sicherlich kein schlechtes Open-Air-Festival; es zehrt vom Ruhm eines verregneten Jimi-Hendrix-Auftritts während der ersten Veranstaltung hier auf der Südspitze der Ostseeinsel Anfang September 1970. Wenige Tage später verstarb Hendrix unter bis heute nicht wirklich geklärten Umstanden überraschend in London. So blieb dieser Gig sein letzter Auftritt und erreichte einen quasi legendären Ruf, jedenfalls für die, die dabei waren, die norddeutschen vielleicht sogar deutschen Rockfans der damaligen Generation und nun sogar für ihre Kinder.
Was bietet sich also mehr an für solch einen umtriebigen Dokumentarfilmer wie den Hamburger Rasmus Gerlach, als mit Gleichgesinnten eine so genannte „Fehmarnfestival-Research-Group“ zu gründen, um die damaligen Festivalumstände aufzuarbeiten, aber zugleich auf das heutige Festival zu blicken. Das damalige Festival trug den Namen „Love-and-Peace-Festival“, lockte 30.000 Fans an, geriet bedauerlicherweise unter Mitleidenschaft von ausgesprochen schlechtem Regenwetter – es stürmte und schüttete knapp drei Tage wie aus Eimern -, bescherte Fehmarn immense Flurschäden und war ein finanzielles Desaster. So blieb es für Jahrzehnte eine einmalige Episode in der Musikgeschichte Norddeutschlands bis 1995 das „Jimi-Hendrix-Revival-Festival“, kurz auch „Jimi“ genannt, gegründet wurde, das sich im Laufe der Jahre wachsender Beliebtheit erfreute, dessen Weiterbestehen über 2010 hinaus aber aus „naturschutzrechtlichen“ Bedenken (wie es so schön heißt) fraglich ist. Ein weiterer Grund für die Research Group, in alten filmischen Archivalien zu schwelgen, Zeitzeugen von damals vor der Kamera zu befragen und den Idealismus und Enthusiasmus der heutigen Festivalhelfer und Besucher einzufangen.
Wer mehr auf reine Fakten angewiesen zu sein glaubt, der ist eventuell bei Wikipedia und Konsorten besser aufgehoben. Wer aber authentische Einblicke in den damaligen Zeitgeist und natürlich auch in die „hörbare“ Festivalsaga gewinnen möchte, der ist bei den Filmdokumentaristen bestens aufgehoben. „Jimi – das Fehmarn-Festival“ zehrt unter anderem von alten 16mm-Film-Material, einem „illegalen“ Hendrix-Konzert-Audiomitschnitt, der auf abenteuerliche Weise zustande kam, Fernseh- und Wochenschau-Aufnahmen, die über pilgernde „Beatfreunde“ und Hippies berichten, zum Teil so, als wären es Wesen von einem anderen Stern. Dazu kommen neugierige Interviews von heute.
So erfahren wir beispielsweise, dass das Festival ohne das Sponsoring von Beate Uhse, die ihren Söhnen einen Herzenswunsch erfüllte, kaum zustandegekommen wäre, dass der „verkiffte“ Hendrix nur durch Fürsprache von Bundespräsidentengattin Wilhelmine Lübke aus den Fängen der Polizei am Hamburger Hauptbahnhof befreit werden konnte oder dass das Festival ab Samstagmittag als „Rocker-frei“ galt, nachdem die sich als Ordnungskräfte aufspielenden Hamburger Rocker erfolgreich eingesammelt und in die Hansestadt zurück verfrachtet werden konnten.
Der Film lebt von der Frische der Erinnerungen, der Nähe auch zum heutigen Festival und von den Musikeinspielungen. Jimi Hendrix, Colloseum, Ten Years After und andere, man hätte sich längere Ausschnitte davon gewünscht. Ein wenig ist alles noch mit heißer Nadel gestrickt, work in progress und bestimmt noch nicht die letzte Fassung des Films, wohl auch, weil er zu den Nordischen Filmtagen fertig sein sollte und die Fehmarn-Festivalmacher schnell Argumentationshilfe für ihre Bemühungen im Kampf zum Weiterbestehen des Festivals brauchten. Dennoch ist der Film sehenswert, kurios und erinnerungswürdig – langweilig zu keiner Sekunde. (Helmut Schulzeck)
„Jimi – das Fehmarn-Festival“, D 2010, 82 Min., Regie, Buch, Kamera, Schnitt: Rasmus Gerlach, Wolfgang Neitzel, Paul Kulms, Musik: Jimi Hendrix, Ten Years After, Dani Wilde, Erja Lyttinen, Produktion: Rasmus Gerlach, Moonlightmovies
Cookie Consent mit Real Cookie Banner