52. Nordische Filmtage Lübeck 2010
Pernilla Augusts „Der Schweinestall“ gewinnt NDR Spielfilmpreis
Pernilla Augusts Sozialdrama „Der Schweinestall“ mit Noomi Rapace hat den mit 12.500 Euro dotierten NDR Spielfilmpreis der 52. Nordischen Filmtage Lübeck gewonnen. Die Verfilmung des Bestseller-Romans von Susanne Alakoski über die schwierige Kindheit eines Einwanderermädchens im Schweden der 70er Jahre überzeuge „durch thematische Relevanz und radikale Intensität“, urteilt die Jury des NDR Spielfilmpreises in ihrer Begründung. „Der Schweinestall“ ist das Regiedebüt von Pernilla August, die als Schauspielerin in Filmen Ingmar Bergmans Berühmtheit erlangte.
Die isländische Tragikomödie „Ein gutes Herz“ des Regisseurs Dagur Kári wurde mit dem LN Publikumspreis der 52. Nordischen Filmtage Lübeck ausgezeichnet, der mit 5.000 Euro dotiert ist. Die Zuschauer des Festivals kürten die Geschichte einer Freundschaft zwischen einem grantigen Barbesitzer und einem obdachlosen Jugendlichen zu ihrem Lieblingsfilm. Der Baltische Filmpreis ging an „Sound of Noise“ von Ola Simonsson und Johannes Stjärne Nilsson aus Schweden. Die musikalische Komödie ermutige ihre Zuschauer dazu, „im Widerspruch zu unseren Instinkten, gegen das Diktat der Routine anzutreten“, heißt es in der Jurybegründung. Mit dem Kirchlichen Filmpreis wurde das schwedische Schicksalsdrama „Between Two Fires“ von Agnieszka Lukasiak ausgezeichnet. Der Regisseurin und ihrer Hauptdarstellerin Magda Poplawska sei es gelungen, das Thema Asylsuche glaubwürdig und facettenreich umzusetzen, schreibt die Jury des mit 2.500 Euro dotierten Preises in ihrer Begründung. Den mit 2.500 Euro dotierten Dokumentarfilmpreis gewann „Steam of Life“ von Joonas Berghäll und Mika Hotakainen. Die Sauna-Dokumentation zeigt laut Jury „das Glück und Leid von Menschen mit unterschiedlichen Schicksalen, denen sich in der Sauna nicht nur die Poren öffnen, sondern die dort auch ihr Innerstes nach außen kehren“.
Der schwedische Jugendfilm „Sebbe“ von Babak Najafi erhielt den mit 5.000 Euro dotierten Kinder- und Jugendfilmpreis. Die Geschichte eines 15-Jährigen, der mit Armut und einer alkoholkranken Mutter zu kämpfen hat, ist nach Ansicht der Jury „ein in seiner Hoffnungslosigkeit provozierendes Sozialdrama, das nachhallt“. Der Preis der Kinderjury, dotiert mit 5.000 Euro, ging an den norwegischen Beitrag „Großstadtengel“ von Lars Berg, ein Kinder-Krimi, in dessen Mittelpunkt „der Zusammenhalt der drei Freundinnen steht, die sich von vorschnellen Urteilen der Erwachsenen nicht entmutigen lassen“, so die Kinderjury.
Den Cinegate-Preis hat „Go Bash!“ von Stefan Prehn und Paula Bergner aus Deutschland gewonnen. Der Kurzfilm „nimmt provokant und unterhaltsam die mediale Jagd und Vermarktung von immer neuen Jugendtrends aufs Korn“, heißt es in der Jurybegründung.
Die Preisträger der 52. Nordischen Filmtage im Überblick
NDR Spielfilmpreis: „Der Schweinestall / Svinalängorna“, Regie: Pernilla August, Schweden
Jurybegründung: Ein Film, der uns stark bewegt zurücklässt – durch seine thematische Relevanz und durch seine radikale Intensität. Die konsequente künstlerische Umsetzung in Kombination mit einer beeindruckenden schauspielerischen sowie visuellen Leistung überzeugt. Die inhaltliche Auseinandersetzung mit einem scheinbar aussichtslos prägenden, dann jedoch auch überwundenden Milieu hat uns zutiefst berührt. Ein Film, der ebenso sozial bedeutungsvoll wie künstlerisch substanziell den Kosmos seiner Geschichte entfaltet.
LN Publikumspreis: „The Good Heart / Ein gutes Herz“, Regie: Dagur Kári, Island
Baltischer Filmpreis: „Sound of Noise“, Regie: Ola Simonsson und Johannes Stjärne Nilsson, Schweden
Jurybegründung: Der Baltische Filmpreis wird an einen Film verliehen, der uns Gewohntes aus einer neuen Perspektive zeigt. Ein Film, der uns im Widerspruch zu unseren Instinkten dazu ermutigt, gegen das Diktat der Routine anzutreten. Ein Film, der überrascht und inspiriert, ohne dabei den Takt zu verlieren.
Kirchlicher Filmpreis: „Between Two Fires“, Regie: Agnieszka Lukasiak, Schweden
Jurybegründung: Der Film erzählt die Geschichte einer jungen Frau, Marta, die aus Weißrussland flieht, um ihre Tochter und sich selbst vor Gewalt und Missbrauch zu retten. An Stelle der erwarteten Zuflucht erlebt sie in Schweden institutionelle Kälte und nur seltene Momente menschlicher Wärme. Der Regisseurin Agnieszka Lukasiak und ihrer Hauptdarstellerin Magda Poplawska ist es gelungen, das Thema Asylsuche glaubwürdig und facettenreich umzusetzen. Trotz der Kälte des Systems und der Opfer, die Marta gezwungen ist zu bringen, bewahrt sie sich ihre Würde.
Lobende Erwähnung: „Mamma Gógó“, Regie: Fridrik Thór Fridriksson, Island
Ein sensibler Film über eine an Alzheimer erkrankte Frau, mit feiner Ironie erzählt, der in seiner Bildersprache selbst in den verstörenden und traurigen Momenten noch eine Vision von Hoffnung und Sinn zum Ausdruck bringt.
Dokumentarfilmpreis: „Steam of Life / Miesten vuoro“, Regie: Joonas Berghäll und Mika Hotakainen, Finnland
Jurybegründung: Die Regisseure zeigen an skurrilen Orten das Glück und Leid von Menschen mit unterschiedlichen Schicksalen, denen sich in der Sauna nicht nur die Poren öffnen, sondern die dort auch ihr Innerstes nach außen kehren. Emotionale Aufgüsse wechseln sich ab mit Bildern von nicht ganz ernst gemeinten Orten für Saunagänge. Das Zulassen von Schweigen ermöglicht den Protagonisten, sich vollkommen zu öffnen. Der Zuschauer vergisst die Anwesenheit des Filmteams und erhält das Gefühl mit im „Steam of Life“ zu sitzen.
Kinder- und Jugendfilmpreis: „Sebbe“, Regie: Babak Najafi, Schweden
Jurybegründung: „Sebbe“, das Langfilmdebüt von Regisseur Babak Najafi, schmerzt. Der 15-Jährige Sebbe ist allein. Verzweifelt auf die Liebe seiner Mutter hoffend, ist er ihrer emotionalen Unberechenbarkeit ausgeliefert. Sebbe hat keine Chance, seinem durch Armut, Schicksalsschlägen und Perspektivlosigkeit geprägten Alltag zu entkommen. Besonders das leise Spiel der beiden Hauptdarsteller Sebastian Hiort af Ornäs und Eva Melander erzeugt eine Wucht, der wir uns zu keiner Zeit entziehen konnten. Der Film ist fein komponiert und präzise inszeniert. Aus dem stimmigen Zusammenspiel aller kreativen Abteilungen, entsteht ein in seiner Hoffnungslosigkeit provozierendes Sozialdrama, das nachhallt.
Lobende Erwähnung: „Superbruder / Superbror“, Regie: Birger Larsen, Dänemark
Einfühlsam inszeniert Regisseur Birger Larsen die Beziehung zwischen dem 10-jährigen Anton und seinem autistischen großen Bruder Buller. Das beeindruckende Spiel der beiden jungen Hauptdarsteller überzeugt in der gesamten Bandbreite der Emotionen. „Superbruder“ ist virtuoses Popcorn-Kino und berührende Tragikkomödie zugleich – fantasievoll, unterhaltsam und originell.
Preis der Kinderjury: „Großstadtengel / Asfaltenglene“, Regie: Lars Berg, Norwegen
Lobende Erwähnung: „Das Geheimnis des magischen Silbers / Julenatt i BlÃ¥fjell“, Regie: Roar Uthaug and Katarina Launing, Norwegen
Jurybegründung: Wahrscheinlich waren wir in den letzten Tagen die glücklichsten Kinder der Stadt, da wir statt die Schulbank zu drücken, in bequemen Kinosesseln sitzen durften. Denn wir sind die Kinderjury und hatten die wichtige und schwierige Aufgabe aus sechs Filmen den besten auszuwählen. Jeden einzelnen Film haben wir gründlich diskutiert und anschließend bewertet. In der Entscheidungsfindung konnten wir uns recht schnell auf zwei Favoriten einigen, die endgültige Entscheidung fiel uns allerdings sehr viel schwerer. Beide Filme haben uns regelrecht an die Kinosessel gefesselt und uns auch danach nicht mehr losgelassen. Zunächst möchten wir für den Film „Das Geheimnis des magischen Silbers“ von Roar Uthaug und Katarina Launing eine lobende Erwähnung aussprechen. Das Motto des Films „Wer keine Ängste hat, kann niemals mutig sein“ und die dadurch motivierte Entwicklung der Hauptdarstellerin Prinzessin Bluerose hat uns sehr beeindruckt. Zudem haben uns die Musik, der Zusammenhalt und die Gemeinschaft der Zwerge und die spannenden und mutigen Taten der Prinzessin gefallen. Dass Freundschaft, Zusammenhalt und ein bisschen Fantasie selbst die schwierigsten Vorhaben möglich machen können, hat uns der Gewinnerfilm gezeigt. Vor allem die schauspielerische Leistung der Hauptdarstellerinnen gab den fesselnden und actionreichen Szenen die richtige Würze. Im Vordergrund dieses Kinderkrimis steht aber immer der Zusammenhalt der drei Freundinnen, die sich von vorschnellen Urteilen der Erwachsenen nicht entmutigen lassen. Wir nehmen das Motto des Films „Einer für alle, alle für einen“ mit und vergeben den Preis der Kinderjury an „Großstadtengel“ von Lars Berg.
Cinegate-Preis: „Go Bash!“, Regie: Stefan Eckel and Stefan Prehn, Deutschland
Jurybegründung: Der Kurzfilm von Stefan Prehn und Stefan Eckel nimmt provokant und unterhaltsam die mediale Jagd und Vermarktung von immer neuen Jugendtrends aufs Korn. Die Regisseure setzen dafür stilsicher und souverän die unterschiedlichsten Film- und Fernsehformate ein – vom Handy-Video bis zur sensationsheischenden News- oder Magazinsendung – und beweisen damit eine ebenso hintergründige Herangehensweise an aktuelle Themen wie deren professionelle und trotzdem visuelle außergewöhnliche Umsetzung.
Eine lobende Erwähnung für die Regisseurin Lena Liberta: Zwei visuell und erzählerisch vollkommen unterschiedliche Filme und doch aus einer Hand: Mit ihren beiden eindringlichen und unterhaltsamen Filmen „Stiller See“ und „Uwe & Uwe“ stellt Regisseurin Lena Liberta die außergewöhnliche Bandbreite ihres Könnens unter Beweis. Der schon jetzt sehr sichere Inszenierungsstil und die visuelle Ausdruckskraft der Absolventin der Meisterklasse der Hamburg Media School bei diesen ganz verschiedenen thematischen Aufgabenstellungen aus den letzten beiden Semestern macht uns neugierig auf ihre weitere Entwicklung.
(nach Pressemitteilungen der NFL)