CHINA UNDERGROUND – der kritische Blick von unten

Über mehrere Jahre reiste eine Crew Norddeutscher Filmenthusiasten nach China, um dort deutsche Kurzfilme im Rahmen des BLITZFILM FESTIVALS zu präsentieren. Die dort gewachsenen Kontakte ermöglichten es nun, ein ungewöhnliches Festival mit Filmen aus dem Reich der Mitte in Norddeutschland zu präsentieren. CHINA UNDERGROUND lässt die unabhängigen Stimmen das Landes sprechen, zeigt die Konflikte, die aus der Wandlung des Landes von einer Planwirtschaft in die Marktwirtschaft entstanden. Einige der Protagonisten der jungen Filmszene Chinas präsentieren persönlich diese Filme und stellen sich der Diskussion mit dem Publikum. Doch es geht hier nicht nur um die Probleme des Landes, das sich auf dem Sprung zu einer der wichtigsten Wirtschaftsmächte befindet. In dem Chaos des Landes weiß man sich mit Humor und einer gewissen Frechheit zu behaupten, und kulturelles Aufbegehren und kreativer Umgang mit den Verhältnissen zeichnen die momentane Situation.
Die Gäste der Veranstaltungsreihe sind:

Wang Bang
Freie Autorin und Journalistin, Comiczeichnerin, Filmkritikerin und Filmemacherin. Sie ist mit einer Dokumentation, einem Spielfilm und einem Kurzfilm im Festivalprogramm.
Ni Kun
ist einer der aktivisten jungen Kuratoren in China. Er ist aktiv im Aufbau von Strukturen der freien Kunstszene. Er hat ein besonderes Interesse an den aktuellen Entwicklungen im Bereich der Medien und ist der Koordinator des BLITZFILM-Festivals in China. Er unterstützt auch unabhängige Strukturen zur Verbesserung der Arbeit chinesischer Filmemacher.
Zhandong Ma
Dokumentarfilmer, machte an der Beijing Film Academy seinen Abschluss als Fotograf und lebt heute in Chengdu. Als freiwilliger Helfer erlebte der die Folgen des Erdbebens in Sichuan und erzählt in dem Film MAYDAY die Geschichte eines Ehepaars, das beim Erdbeben in Beichuan das einzige Kind verloren hat.
Die Veranstaltungen in Hamburg finden im Rahmen der CHINA TIME statt, als Teil des kulturellen Programms der chinesischen Wirtschaftsmesse in der Partnerstadt Shanghais. In Schleswig-Holstein reist das Festival durch verschiedene Städte mit unterschiedlichsten Veranstaltungsorten.

Festivalprogramm:


11.9.: Disorder
Vorpremiere: MAYDAY
Stadtgalerie Kiel

12.9., 20:30: Kurzfilmprogramm
Koki Kiel

13.9., 18:00: Kurzfilmprogramm
20:00: Premiere! The Rat Trap and the Rose
BSIC Eckernförde

14.9., 20:30: University City Savages
Koki Kiel

15.9., 20:00: Disorder, anschließend Branchengespräch mit den Gästen
Metropolis Hamburg

16.9., 17:00: Bewegung im offiziellen Film (My Body is controlled by You / Going to the City)
19:00: Though I am Gone
Metropolis Hamburg

17.9., 17:00: Eight Diagrams
19:00: Kurzfilmprogramm
21:20: University City Savages
Metropolis Hamburg

18.9., 17:00: To Live is better than to Die
19:00: MAYDAY
22:00: Die Rote Frauenarmee
Metropolis Hamburg

19.9., 19:00: The Nail
20:30: The Rat Trap and the Rose
Metropolis Hamburg

20.9., 16:00: Bewegung im offiziellen Film
20:00: University City Savages
Kinocenter Husum

21.9., 16:00: The Nail
20:00: The Rat Trap and the Rose
Kinocenter Husum

22.9., 16:00: Kurzfilmprogramm
19:30: MAYDAY
Kinocenter Husum

Filme:


Disorder
Huang Weikai, 2009, 58 min
Das urbane Chaos durch die Augen von Filmamateuren. Der Filmemacher Hung Weikai schuf ein Portrait der radikalen Umbrüche der chinesischen Gesellschaft in einer Collage von Bildern verschiedener Amateurfilmer. Schweine auf der Autobahn, ein Lebensmüder auf einem Brückengeländer, Unglaubliches in den Tiefkühltruhen eines Restaurants und offene Bestechungsversuche.


Eight Diagrams
Fu Hao, 2009, 92 min
„Ba Gua“ nennt man die acht Trigramme des altchinesischen I Ging, wobei ein Trigramm aus drei – jeweils durchgezogenen oder unterbrochenen – Linien besteht. Darauf bezieht der Regisseur Fu Hao auch seine drei Erzählungen, die parallel im Laufe dieser wichtigen Nacht geschehen. Im Gegensatz zu dem leidlich bekannten Muster, das in der Regel vom dramaturgischen Effekt des Aufeinanderpralls lebt, geht es Fu Hao um die Atmosphäre der Zehnmillionenstadt Guangzhou: Gerade so, als ob die Stadt von ihnen Besitz ergriffen hätte und nicht umgekehrt, irren die Menschen durch die Straßen, suchen nach einer billigen Unterkunft oder einem ebensolchen Vergnügen.


Though I am Gone
Hu Jie, 2006, 67 min
Die Direktorin einer Volksschule wird zu Zeiten der Kulturrevolution von ihren Schülern erschlagen. Ihr Mann hat sein Leben dem Andenken an seine Frau gewidmet, doch nicht nur als persönliches Gedenken, sondern auch als gesellschaftliches Andenken. Ein bewusster Akt, die eigene Erinnerung der offiziellen Geschichtsschreibung entgegenzusetzen.


The Nail
Jiang Zhi, 2009, 75 min
In der Metropole Chongqing weigert sich das resolute Ehepaar Wu, sein Haus den Plänen der Investoren zu räumen. Sein Kampf wird auch von der Weltpresse beobachtet. Mit ihrer schließlich erfolgreichen Hausbesetzung wurden sie international bekannt und im Land zu Volkshelden. Während die Bevölkerung sie als Symbole für mutigen Widerstand sieht, rühmt sich die Stadtverwaltung mit ihrem Verhandlungswillen und Liberalität, die zu dem einvernehmlichen Ende führte.


Kurzfilmprogramm
ca. 90 min
Aktuelle Kurzfilme der chinesischen Independent-Szene, zusammengestellt von Ni Kun. Junge Chinesen probieren sich in den neu eroberten Medien. Es wird mit der Bildsprache gespielt und man sucht Möglichkeiten, das Lebensgefühl in den Megacities auszudrücken. Vom Animationsfilm bis zum Musikvideo, kurze Geschichten und skurrile Ideen.

Bewegung im offiziellen Film
Trotz staatlicher Kontrolle entstehen in den Sendern zunehmend kritische Produktionen. Die Freiheiten bei den staatlichen Medien werden ausgetestet. Die Sendungen aus Hong Kong und auch der Informationsfluss im Internet nehmen hier Einfluss. Die Freiheiten sind regional unterschiedlich, der Süden gilt als vergleichsweise liberal, Beijing und Shanghai unterliegen stärkerer Kontrolle. Der Regierung geht es manchmal zu weit, und auch bereits ausgestrahlte und auf Festivals erfolgreiche Filme werden wieder vom Markt genommen.

My Body is Controlled by You
Gu Tao, 2009, 55 min
Portrait eines männlichen Modells. Sein Bruch mit dem tradionellen Rollen führt zu Spannungen mit Familie und Umwelt. Einblicke in die soziale Situation und Alltagsprobleme eines Menschen, der einen sehr eigenen Weg beschreitet.


Going to the City
Zhang Ping, 2009, 60 min
Die chinesische Landbevölkerung migriert in die Städte auf der Suche nach Arbeit. Dieser Film wirft ein Licht auf die größte Migrationsbewegung innerhalb eines Landes jemals. Der Kampf der Wanderarbeiter für eine Verbesserung ihrer sozialen Situation und politischen Rechte wird zu einem gewissen Grad auch von den offiziellen Medien unterstützt.


To Live is better than to Die
Chen Weijun, 2002, 63 min
Ein Großteil der Dorfbevölkerung ist HIV-infiziert. Blutspenden sind in der Armut eine wichtige Geldquelle, doch sie werden nicht unter ausreichenden Hygienemaßnahmen durchgeführt. Der Filmemacher begleitet eine Familie, in der nur eines der drei Kinder nicht HIV positiv ist. Die Mutter stirbt noch während der Dreharbeiten.


University City Savages
Wang Bang, 2010, 88 min
Die chinesische Regierung versucht, mit Mega-Bauprojekten zu glänzen. Die von Landwirtschaft lebende lokale Bevölkerung steht dem Bau eines gewaltigen Universitätskomplexes (im Großraum Guangzhou) im Weg und soll weichen. Die Betroffenen beschreiben vor der Kamera das Geschehen. Die Filmemacherin zeigt die Wut und den Durchhaltewillen der Zwangsgeräumten. Sie haben den Bau nicht verhindern können, doch haben sie sich nie mit ihrer Vertreibung abgefunden und haben nicht die Verzichtserklärung unterschrieben, die als Voraussetzung an eine gewisse Entschädigung geknüpft war. Der Staat setzte hier mit aller Härte das marktwirtschaftliche System durch und begegnete auch denjenigen mit Repression, die den Bauern juristische Unterstützung anboten. Die Geräumten betrachten den Fall bis zum heutigen Tag nicht als abgeschlossen und warten auf eine neue Gelegenheit für Proteste.


Die Rote Frauenarmee
Klassiker aus der Kulturrevolution. Buntes Revolutionsepos in plakativen Bildern in der Tradition des Volkstheaters und der Pekingoper. Als Clubevent mit Live Sound-Remix und Performance mit Xyramat und Uwe Bastiansen.


The Rat Trap and the Rose
Wang Bang, 2010, 78 min
Die Zehnmillionenmetropole Guangzhou ist eine multikulturelle Megacity im subtropischen Südchina, doch ist die Stadt kein Schmelztiegel. Der Film lässt vier Charaktere denkbar verschiedener Hintergründe in dieser Stadt aufeinandertreffen: Eine arme Chinesin aus der Provinz, ein kämpferischer Afrikaner aus dem Kongo, ein reicher französischer Geschäftsmann und eine desillusionierte chinesische Ehefrau. Die Vielschichtigkeit der multikulturellen Metropole spiegelt sich in dem Film in der Verwendung verschiedener Sprachen und Dialekte wieder. Die heutige chinesische Gesellschaft verteilt ihre Chancen nach Klassenzugehörigkeit, Geschlecht und Herkunft und produziert so Verlierer und neue Konflikte. Erstmalig wird diese Thematik in einem chinesischen Film aufgegriffen.


MAYDAY
Zhandong Ma, 2010 (Vorpremiere in Kiel), 138 min
Das Erdbeben in Sichuan am 12. Mai 2008 kostete mehr als 80.000 Menschen das Leben. Das Beben beschädigte in Sichuan und den anliegenden Provinzen mehr als fünf Millionen Gebäude, und 5,8 Millionen Menschen wurden obdachlos. Der Filmemacher reiste in das Erdbebengebiet, um praktische Hilfe zu leisten. Als verschiedene Probleme in der Erdbebenregion offensichtlich wurden, entschloss er sich, seine Kamera mitzunehmen und den Betroffenen so eine Stimme zu verleihen. Die Protagonisten seines Films sind ein junges Paar, das sein einziges Kind bei der Naturkatastrophe verloren hat. Er begleitet die Familie zwei Jahre, bis sie mit Hilfe künstlicher Befruchtung wieder schwanger wird …
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