60. Internationale Filmfestspiele Berlin: Perspektives Deutsche Kino

Ein kurzes Verwöhnprogramm

„Glebs Film“ (Christian Hornung, D 2010)

Frisören werden – wie Taxifahrern und Barkeepern – besondere kommunikative Fähigkeiten und Aufgaben zugeschrieben. Sie kennen den neuesten Tratsch, wissen, wo was los ist, oder geben Rat in allen schiefen Lebenslagen. In einem kleinen Altonaer Frisörladen kann man sich vom Meister allerdings gleich einen ganzen Film erzählen lassen. Wie amüsant das sein kann zeigt der halbstündige Dokumentarfilm „Glebs Film“ von Christian Hornung.
Der weißrussische Immigrant Gleb betreibt den einzigen Laden in einer kleinen Altonaer Straße. Seine Kunden sind vorwiegend reizende ältere Damen, für die seine aufmerksame Haarpflege ein willkommener Höhepunkt im Rentneralltag ist. Doch Frisör Gleb bietet mehr als Waschen, Scheiden, Legen. Eine filmreife Geschichte entfaltet der leidenschaftliche Erzähler vor den Ohren seiner aufmerksamen Klientel: Ein gestrauchelter junger Mann, eine vereinsamte Frau mit Gewichtsproblemen und ein Frisör, der amouröse Verbindungen knüpft. Die zunehmende soziale Kälte und die Vereinsamung der Menschen, „die wie ein Virus um sich greift“, inspirierten den Frisör zu seiner Drehbuchidee. Gemeinsam mit den Besucherinnen seines Salons feilt Gleb bei jedem neuen Haarschnitt an seiner Dramaturgie, die Damen führen die Geschichte durch ihre Kommentare um Fragen direkt zum Happy End samt Modellkarriere.
Leidenschaftlicher Geschichtenerzähler: Frisör Gleb (Foto: Berlinale)
Die Idee zu diesem Dokumentarfilm kam Christian Hornung, als er zwei Damen in der U-Bahn belauschte: „Das ist doch eine Filmidee, die müsstest du mal aufschreiben.“ Auf der Suche nach solchen Filmideen von Filmlaien traf Hornung auf Frisör Gleb. Nach den ersten Probedrehs wurde klar, dass Gleb seinen eigenen Film bekommen würde. Durch die geschickt unaufdringlichen Kameraarbeit von HfBK-Kommilitone Karsten Krause gelingt Hornung nicht nur das unterhaltsame Portrait eines begeisterten Geschichtenerzählers und Menschenfreundes, sondern auch der Einblick in eine kleine soziale Oase. Denn „Glebs Geschichte“ wird schon durch ihre Erzählung zur Realität, stiftet sie doch die menschliche Gemeinsamkeit, die sie beschwören will; zumindest zwischen dem Frisör und seinen immer wiederkehrenden Stammkundinnen. Dass „Glebs Film“ diese unvermutete Insel der Fantasierwilligen für uns im Bild festhält, ist ein Glücksfall. (dakro)
„Glebs Film“, D 2010, 27 Min., HDCAM, Buch, Regie, Schnitt, Koproduktion: Christian Hornung, Kamera: Karsten Krause, Ton: Roman Vehlken, Produktion: Hochschule für bildende Künste Hamburg, Förderung: Filmförderung Hamburg Schleswig-Holstein (FFHSH)
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