vorher/nachher, Sonja Marie Krajewski, 2009
Sonja Marie Krajewskis „vorher/nachher“, Gewinner des diesjährigen Cinegate-Kurzfilmpreises, bekam vom Publikum viel Zuspruch, reizte aber auch zur Kontroverse über die Erwartungen, die man an einen Film zum Thema Vergewaltigung haben kann. Eine junge Sportlerin trainiert joggend kurz vor einem Wettkampf. Die Zufallsbekanntschaft mit einem Jogger führt zu einer Vergewaltigung. Die junge Frau ist zwar psychisch völlig am Boden, sammelt aber alle Kraft, um doch noch am Wettbewerb teilzunehmen. Bewusst konzentriert sich Krajewski auf die Innenperspektive des Vergewaltigungsopfers, der Zuschauer erlebt die Tat und die Verzweiflung in den ersten Stunden danach unmittelbar. Diese erzählerische Beschränkung ist schon durch die Länge eines festivaltauglichen Kurzfilms bedingt, eine ungewöhnlich anmutende Formatwahl, um das Thema aufzuarbeiten. Konsequent verzichtet Krajewski daher auf den Nachgang einer Vergewaltigung, Anzeige, Prozess, Zurückfinden in den Alltag. Stattdessen gibt sie dem Opfer eine Stimme, die scheinbar zeitlich schon etwas entfernt aus dem Off über ihre Gefühle während und nach der Vergewaltigung räsoniert. Krajewski liefert stellvertretend für ihre Erzählerin ein Kondensat aus zahlreichen Gesprächen mit betroffenen Frauen. Die Zerstörung des Selbstbewusstseins der jungen Frau ist zunächst vollständig. Dass ihrer Figur nach einem solch schweren Einschnitt der Mut zum Weitermachen bleibt, ist der zarte Hoffnungsschimmer, den „vorher/nachher“ vermitteln kann.