60. Internationale Filmfestspiele Berlin (11. – 21. Februar 2010)

Nachdenken über das Kino und die Wirklichkeit: Perspektive Deutsches Kino kündigt die ersten sechs Filme an

Die neunte Ausgabe der Perspektive Deutsches Kino beginnt mit einer guten Nachricht: Drama geht auch anders. Renn, wenn du kannst heißt der Eröffnungsfilm der Reihe. Der Regisseur Dietrich Brüggemann (Absolvent der HFF „Konrad Wolf“ in Babelsberg) war 2006 mit seiner grandiosen Stilübung Neun Szenen bereits zu Gast im Programm. Jetzt hat er zusammen mit seiner Schwester, der Schauspielerin Anna Brüggemann, eine Dreiecksgeschichte entwickelt, die aus einer dramatischen Situation auch heitere und romantische Momente zieht. Die Männer in dieser Geschichte werden von Robert Gwisdek und Jacob Matschenz gespielt.
Die zweite gute Nachricht ist allmählich eine Selbstverständlichkeit im jüngsten deutschen Kino: Der Dokumentarfilm bleibt stark und wird dabei immer vielfältiger und unterhaltsamer. Das geht besonders gut, wenn man wie die Regisseurin Saara Waasner drei kluge und selbstbewusste Prostituierte jenseits der für das Gewerbe üblichen Altersgrenze dazu bringt, frei und reflektiert über ihren Beruf und ihren Lebensalltag zu sprechen. Frauenzimmer ist ein Dokumentarfilm, der Türen öffnet. Und während man in einem Film vom Filmemacher ganz nah zu den Protagonisten gebracht wird, macht sich in einem anderen der Filmemacher selber zum Protagonisten. Weil Jan Raiber (Filmakademie Baden-Württemberg) in Alle meine Väter seine persönliche Geschichte ins Zentrum des Films stellt, eine Geschichte, die er gar nicht beherrschen und kontrollieren kann, erlebt der Zuschauer mit dem Filmemacher manch eine Überraschung.
Ein Programm mit drei mittellangen Filmen beschäftigt sich auf höchst unterschiedliche Weise mit dem Filmemachen selbst. Glebs Film von Christian Hornung (Hochschule für bildende Künste, Hamburg) ist ein Film über einen Film, den es noch gar nicht gibt. Der Hamburger Friseur Gleb hat ihn aber schon lange im Kopf und erzählt ihn – unter der diskreten, aber genauen Beobachtung des Regisseurs – seinen Kundinnen und Kunden. The Boy Who Wouldn’t Kill klingt nicht nur wie der Titel eines Westerns, der Film sieht auch so aus. Linus de Paoli (Deutsche Film- und Fernsehakademie Berlin) hat mit Pit Bukowski in der Hauptrolle eine auf allen Ebenen filmischer Effekte beeindruckend gespielte Variation über die Muster und Methoden des Genres, das immer wieder neu erfunden zu werden scheint, gedreht. Der junge Schauspieler Sergei Moya hat nicht nur Spaß am Filmemachen, er weiß auch, wie man diesen dem Publikum vermittelt. Sein Film Hollywood Drama mit Clemens Schick und Carlo Ljubek ist eine treffsicher inszenierte und gespielte Satire auf den Traum vieler Vertreter der Generation von Filmemachern, die das Programm der Perspektive Deutsches Kino bestimmen und so lebendig machen.
„Natürlich geht es in den Filmen der jüngsten Filmemachergeneration auch in diesem Jahr wieder sehr ernst zu“, sagt Sektionsleiter Alfred Holighaus zur diesjährigen Auswahl. „Aber selten zuvor haben die Filmemacher dabei gleichzeitig so viel Mut zum Spaß gehabt wie heute.“
(nach einer Pressemitteilung der Berlinale)
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