Mediatage Nord 2009:

Mehr Medienkompetenz durch Bildung – was wissen wir über die jugendlichen Nutzer moderner Medien?

Laut Pisa-Studie 2006 sind rund 20% der Jugendlichen „funktionale Analphabeten“, das heißt sie haben nur rudimentäre Lesefähigkeiten und sind nicht in der Lage, Texte zu verstehen. Ein riesiges Problem für die Ausbildungsfähigkeit junger Menschen. Ebenso problematisch ist die eingeschränkte Medienkompetenz von Jugendlichen, wenn es darum geht, das Internet nicht bloß zum Vergnügen, sondern als Informationsmedium zu nutzen. In der Veranstaltung „Mehr Medienkompetenz durch Bildung – was wissen wir über die jugendlichen Nutzer moderner Medien?“, zu der die IHK Schleswig-Holstein und die Arbeitsgemeinschaft Bildung & Medien im Rahmen der Mediatage Nord einlud, dachten Experten über die Lösung dieses Problems nach.
Der Erziehungswissenschaftler Prof. Dr. Rudolf Kammerl bilanzierte eine erhöhte Nutzung des Internet durch Jugendliche. Die „digital natives“ bekommen ihren ersten PC bereits zur Einschulung, und 90% von ihnen nutzen PC und Internet täglich oder mehrfach pro Woche. Trotz solcher intensiver Internet-Nutzung durch junge Menschen bleibt ein „digital divide“ hinsichtlich familiärer Situation, Finanzkräftigkeit und Bildungsstand der Eltern. Gymnasiasten nutzen das Netz kompetent als Informationsquelle, Hauptschüler eher „hedonistisch“. Daraus folgen erhebliche Differenzen im Erwerb von Medienkompetenz.
Auch die Schule hält nicht Schritt mit dem rasanten Wandel des digitalen Lebens. Zwar sind bundesweit 78% der Schulen bereits vernetzt, doch die Medienbildung spielt im Unterricht nur eine marginale Rolle. Zwar ist Medienbildung inzwischen in den Lehrplänen verankert, aber Papier ist geduldig, Nachhaltigkeit und Breitenwirksamkeit fehlen. Zudem wirkt hier ein „Teufelskreis“: Medienaffine Schüler entscheiden sich nur selten für ein Lehramtsstudium, sprich: diejenigen werden Lehrer, die selbst mit den neuen Medien wenig am Hut haben, und sind somit auch keine Multiplikatoren für Medienbildung und -kompetenz.
„Zwei Leitkulturen in einem Kulturraum“ sieht daher Kammerl. Vormittags, während des Schulunterrichts regiere die klassische Buchkultur, außerhalb der Schule tummeln sich die Jugendlichen im Netz, lernen dabei jedoch nicht, sich selbstbestimmt und kreativ in diesem Medium zu bewegen. Die Kulturtechnik Medienkompetenz bleibt auf der Strecke, obwohl sie ganz neue Formen der Meinungsbildung und Partizipation ermöglicht.
Um diesem Problem abzuhelfen, müsste Medienbildung größeres Gewicht in der Lehrerausbildung haben, und Medienkunde müsste mit mindestens einer Wochenstunde als eigenes Fach auf dem Stundenplan stehen.
Jörg E. Feuchthofen, Chefredakteur der Fachzeitschrift „Weiterbildung“, geht noch weiter. Obwohl die neuen Medien dem Prinzip „Show, don’t tell“ folgen, bleibt die klassische Lesekompetenz Grundlage für Medienkompetenz. 20 bis 25% eines Altersjahrgangs haben zu wenig Lesekompetenz, so dass sie auch keine Medienkompetenz erwerben können. Sie sind nicht in der Lage, Konzepte zu verstehen, Prozesse zu beherrschen, und haben keine situative Handlungskompetenz. Lese- und Medienkompetenz müssten daher zusammengedacht werden – ohne Lesekompetenz auch keine Medienkompetenz.

Nicht allein die Schule kann dieses Problem bewältigen. Sie kann nicht „reparieren“, was im familiären Umfeld vorher versäumt wurde, um Kindern das Lesen nahezubringen. Die Eltern sind also gefragt. Aber auch die Wirtschaft, wenn sie die Generierung ihres Fachkräftenachwuchses nicht allein der Schule überlassen will. Statt nur „brauchbaren Output“ zu fordern, müsse sich die Wirtschaft auch selbst an der Förderung von Lese- und Medienkompetenz beteiligen, so Feuchthofen.

(nach einer Pressemitteilung der Mediatage Nord)
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