Home is the Rest
„Familie Rabel fährt in den Urlaub“ (D 2009, Sarah Roloff)
Kerstin Rabel (Sina Magdalena Morcinek) ist alleinerziehende Mutter ihrer halbwüchsigen Töchter Friederike und Annegret (Gesa Penthin, Ruby Winter). Nicht nur für einen Urlaub fehlt der kleinen Familie chronisch das Geld. So machen sie ihn zuhause, tun aber mit Unterstützung der Großmutter (Ina Holst), die von der liebevollen Omi zum „Hausdrachen“ der vermeintlichen „Pension Möwenruh“ konvertiert, so, als wären sie verreist – von Zuhause nach Zuhause.
Das ist, in verkürzter Synopse erzählt, die Plot-Idee von Sarah Roloffs jüngstem Kurzfilm „Familie Rabel fährt in den Urlaub“. Eine kleine, wunderbare Idee für einen dicht erzählten, in mancher Einstellung luzide psychologisierendem Kurzfilm, der sich seiner wie der Figuren und der Geschichte Selbstironie stets bewusst ist.
Urlaub zuhause ist heute für viele Menschen am Rande der Armut und damit der Gesellschaft die einzige Möglichkeit für Erholung: Home is the Rest! Das hätte man sozialkritisch erzählen können, aber auf so etwas lässt sich Roloff nur am Rande ein. Ihre „Heldinnen“ lassen sich von Geldmangel und auch den dadurch untereinander erzeugten Spannungen (Mutter Kerstin ist vom Chaos, das ihre Töchter in der Wohnung anrichten, oft überfordert) nicht beirren. Sie spielen den Urlaub, reisen pro forma von Kiel nach Hamburg und zurück, um ins Urlaubsdomizil der eigenen Wohnung wieder einzuziehen und den Falckensteiner Strand ganz bewusst mit dem von „Malle“ zu verwechseln. Not macht bauernschlau und ironisch erfinderisch.
Roloff erzählt diese Geschichte in zarten, aber in manchen nah aufgenommenen Blicken umso intensiveren Bildern. Buchstäblich wird die ersehnte Ferne erst nah, wenn man zuhause bleibt – eine Metapher, die fast schon Programm sein könnte: Fahre nicht in die Ferne, um dich zuhause, ganz nah bei dir, zu entdecken und zu erkennen.
Umso schöner, dass – zumindest im Film – das durch sein daraus Verschwinden wieder vertraut werdende Zuhause manche träumerische, exotische Attraktion bietet. Da steigen slapstickend wassermännliche Taucher aus den Fördewassern oder staksen am fremd-vertrauten Ort durch die Bücherei. Roloff spielt mit diesen Bildern, die auch heimatliche Fernwehträume ihrer Protagonistinnen sein könnten.
Home is dabei nicht nur „the Rest“, sondern erstmals auch „the Best“. Eine Heimkehr aus einem Film, der für die Heimat als Ort verbundener Liebe plädiert. Manchmal muss man nicht erst verreisen, um für sich den Weg aus der Selbstentfremdung zu finden. Das Gute liegt – von der Ferne träumend – doch so nah. (jm)
„Familie Rabel fährt in den Urlaub“, D 2009, 15 Min., Idee, Buch: Sarah Roloff, Michael Hergt, Regie, Schnitt: Sarah Roloff, Kamera: Aron Krause. Gefördert von der LAG Jugend und Film, unterstützt von der Filmwerkstatt Kiel der FFHSH.