Kinopreis des Kinematheksverbundes 2009
Im feierlichen Rahmen wurde am Freitag, dem 19. Juni 2009 in der Deutschen Kinemathek – Museum für Film und Fernsehen in Berlin zum zehnten Mal der Kinopreis des Kinematheksverbundes verliehen. Mit dem Kommunalen Kino Lübeck (1. Preis in der Kategorie II) ist auch ein schleswig-holsteinisches Kino unter den Preisträgern.
In vier nach Ortsgröße gestaffelten Kategorien mit je drei Preisen wurden 12 Kommunale Kinos für ihre herausragenden Jahresprogramme prämiert. Kriterien der fünfköpfigen Jury waren u.a. die Anteile von Stummfilmen, von deutschen Produktionen oder von Dokumentarfilmen am Gesamtprogramm des Jahres 2008.
Darüber hinaus vergab der Kinematheksverbund, dem Archive, Kinematheken und Filmmuseen angehören, einen Sonderpreis mit 5.000 Euro, der in diesem Jahr den kreativen Umgang mit Stummfilmen würdigt.
Die jeweiligen Hauptpreise in den vier Kategorien sind mit 4.000 Euro und die zweiten Preise mit 1.000 Euro dotiert. Die jeweils dritten Preisträger erhalten ein Jahresfreiabonnement der renommierten Zeitschriften „epd Film“ und „film-dienst“ sowie eine Ausleihe zu Sonderkonditionen aus den Filmarchiven des Bundesarchivs, des Deutschen Filminstituts – DIF oder der Deutschen Kinemathek – Museum für Film und Fernsehen.
Die Jury bildeten Peter Claus (Verband der deutschen Filmkritik), Jeanette Eggert (AG Dokumentarfilm), Michael Höfner (AG Verleih), Dieter Krauß (Bundesverband kommunale Filmarbeit) und Ralf Schenk (Kinematheksverbund).
Die Preisträger sind:
Kategorie I (mehr als 500.000 Einwohner)
1. Preis: Filmmuseum München
2. Preis: Cinémathèque Leipzig
3. Preis: Filmhaus Nürnberg
Kategorie II (200.001 – 500.000 Einwohner)
1. Preis: Kommunales Kino Lübeck
2. Preis: Caligari FilmBühne, Wiesbaden
3. Preis: Kommunales Kino Freiburg
Kategorie III (100.001 – 200.000 Einwohner)
1. Preis: Kommunales Kino Leverkusen
2. Preis: Kommunales Kino Pforzheim
3. Preis: Cine k, Oldenburg
Kategorie IV (1 – 100.000 Einwohner)
1. Preis: Kommunales Kino im mon ami, Weimar
2. Preis: Latücht, Neubrandenburg
3. Preis: fabrik.kino 2, Neustrelitz
Sonderpreis: Cinémathèque Leipzig
Auch 2008 bewiesen die Kommunalen Kinos kuratorisches Geschick, Engagement und Neugier für die anspruchsvolle Filmkunst; sei es für deutsche und europäische Produktionen, den Kinder- und Jugendfilm oder für ungewöhnliche Dokumentar- und selten gezeigte Stummfilme. Ihr Interesse gilt dabei gleichermaßen dem historischen wie dem aktuellen Filmschaffen, das sie im Kontext präsentieren und u.a. mit Einführungen oder Regisseurbesuchen zum Kinoerlebnis machen. Innerhalb der Kulturlandschaft in Städten und Gemeinden zeigen sie sich so als kompetente Zentren der Filmvermittlung.
Jury-Begründungen
Kategorie I, 1. Preis: Filmmuseum München
Die gestalterisch und inhaltlich äußerst sorgfältigen Programmhefte, die mehr sind als nur Filmbegleitung und deswegen zum Archivieren einladen, machen dieses Filmmuseum zu einem einzigartigen Kommunalen Kino. Die hervorragenden und im Anspruch auf Vollständigkeit vorbildlich zusammengestellten Reihen finden eine entsprechend ausführliche Vorstellung in diesen Publikationen. Das Programm geht weit über das beim Namen Filmmuseum vermutete filmhistorische Spektrum hinaus, in alle Verzweigungen des aktuellen Filmschaffens. München darf sich auch freuen, dass diese hohe qualitative Ambition mit beeindruckendem Erfolg realisiert wird.
Kategorie I, 2. Preis: Cinémathèque Leipzig
Die Cinémathèque Leipzig hat ihre Programmqualität kontinuierlich gesteigert und gehört damit heute zu den besten Kommunalen Kinos. Das breitgefächerte Gesamtprogramm folgt in Anspruch, Konzeption und Umsetzung konsequent der Aufgabe einer öffentlichen Institution der Filmbildung. Dabei reicht das Spektrum von Stummfilmen bis zu den unterschiedlichsten Themen in Dokumentarfilmen. In beiden Bereichen gehört Leipzig auch statistisch zu den Spitzenreitern. Besonders erwähnenswert ist die Reihe „Solo für Licht“, die anhand von Stummfilmen sehr plastisch und mit aktuellen Bezügen Filmsprache analysiert und bewertet.
Kategorie I, 3. Preis: Filmhaus Nürnberg
Mit dem umfangreichsten Programm aller Kommunalen Kinos verfolgt Nürnberg nach wie vor den Anspruch, alle Aspekte, die ein Kommunales Kino zu erfüllen hat, zu berücksichtigen und gehört damit unverändert zu den Spitzenreitern. Dabei geht diese Quantität an keinem Punkt zulasten der Qualität. Besonders herausragend und deswegen unbedingt erwähnenswert ist die gemeinsam mit dem Kommunalen Kino Latücht in Neubrandenburg konzipierte und realisierte Programmreihe „Deutsch-Deutsche Filmwelten“, die im Kinosaal weit mehr zum gegenseitigen Verständnis zwischen Ost und West beitragen kann als manches politische Großprojekt.
Kategorie II, 1. Preis: Kommunales Kino Lübeck
Das Ziel ist klar: Das Kommunale Kino Lübeck will eine erste Adresse sein, wenn es in der Nobelpreisträger- und Hansestadt um Kultur geht. In einem Umfeld, in dem es diese in den letzten Jahren nicht gerade einfach hatte, behauptet sich das Haus nach einer Neuorganisation als Verein mit einer finanziellen Ausstattung, die einer Stadt mit 217.000 Einwohnern nicht angemessen ist. Es behauptet sich so gut, dass es der Jury die Siegerprämie wert war: durch die Klarheit schon des Antrags, die Klarheit des Programmkonzepts und die Klarheit, mit der man die Auseinandersetzung mit dem örtlichen Kinomonopolisten sieht.
Kategorie II, 2. Preis: Caligari FilmBühne, Wiesbaden
Wiesbaden ist nur unwesentlich größer als Lübeck, dieser Kommune ist ihr Kommunales Kino aber das x-fache wert. Für eine „Nebenmetropole“, als die sich die Landeshauptstadt im Rhein-Main-Gebiet behaupten muss, ist das Programm ebenso wie die Präsentation herausragend, und das seit Jahren. Die Jury zeigt sich beeindruckt von der Vielfalt des Angebots und der Umsicht, mit der die Mittel des Hauses verwendet werden, das nächstes Jahr sein zwanzigstes Jahr als städtisches Haus feiern kann.
Kategorie II, 3. Preis: Kommunales Kino Freiburg
Freiburg, du hast es besser. Nicht nur der Wein, das Wetter, die Nähe zum Elsass und der Schweiz sollten einen erwägen lassen, in die Breisgaustadt zu ziehen, sondern auch das Angebot des Kinos im Alten Wiehrebahnhof. Aus einer ansehnlichen finanziellen Ausstattung machen die festen und freien Mitarbeiter das Optimale – und das an einem Ort, wo es an Filmkultur nicht mangelt. Der Jury gefielen die teilweise einzigartigen Programme, wie etwa zum Avantgardefilm. Auch Service und Kommunikation sind vorbildlich. Dies zeigt sich auch an der guten Auslastung, die für eine große Akzeptanz vor Ort steht.
Kategorie III, 1. Preis: Kommunales Kino Leverkusen
Die einstimmig von der fünfköpfigen Jury gefällte Entscheidung wurde wesentlich beeinflusst von der breit gefächerten Fülle des Angebots unter auffallender Beachtung von Zuschauerinteressen, von der ausgesprochen originellen Präsentation, bei der „Inhalt und Verpackung“ durchweg eine gelungene Einheit bilden, und von der Vielfalt der Kooperationen mit verschiedenen Partnern. Nicht zuletzt erfreut die spürbare Lust der Programmgestaltung. „Honoriert“ wird mit dem Preis zudem die hier ersichtliche Weiterentwicklung der Programmkonzeption, die nicht auf einem einmal erreichten Erfolg verharrt.
Kategorie III, 2. Preis: Kommunales Kino Pforzheim
Hier werden sogar eingefleischte Filmfans angenehm überrascht. Im Besonderen hat die überzeugende Kreativität das auch in diesem Fall einstimmige Jury-Votum beeinflusst. Hier erfreut zudem in hohem Maße das Engagement für den Kinderfilm fern des Alltäglichen. Auch für das Kommunale Kino Pforzheim gilt: ein Team, dessen Kreativität überzeugt.
Kategorie III, 3. Preis: Cine k, Oldenburg
Der dritte Preis in der Kategorie III für die geleistete Arbeit im Jahr 2008 geht, ebenfalls in einstimmiger Entscheidung, an das Cine k in Oldenburg. Die Vielfalt des Angebots fern vom Durchschnittlichen und die geistreiche Präsentation führten insbesondere zu der Entscheidung – verbunden mit der Hoffnung der Jury-Mitglieder, mit der Ehrung auch zu ein wenig mehr Mut zum Risiko zu motivieren.
Kategorie IV, 1. Preis: Kommunales Kino im mon ami, Weimar
Mit 927 Veranstaltungen und 17.526 Besuchern führt das Kino im mon ami in Weimar die Hitliste unter den zehn Mitbewerbern in seiner Kategorie an, wobei die Auslastung sich mit 27% im guten Mittelfeld bewegt. Schließlich befindet sich das Kommunale Kino in guter kultureller, aber auch konkurrenzträchtiger Gesellschaft von Goethe, Schiller, Deutschem Nationaltheater, Zwiebelmarkt, Thüringer Wald & Co. Da gilt es ein erstklassiges Programm anzubieten, um möglichst viele Weimarer, deren Kinder und die neu hinzugezogenen Bauhaus-Uni-Studenten hinter den Öfen und Computern hervorzulocken – was dem Kino aber auch wieder im Spieljahr 2008 ohne Wenn und Aber gelungen ist. Besonders hervorzuheben ist das Engagement des Kinos bei der Präsentation von europäischen, insbesondere deutschen Produktionen, Dokumentarfilmen und Kinderfilmen. Ein Highlight bildet der 2007 gegründete Kinderfilmclub 8 1/2, der im Herbst 2008 seinen ersten eigenen Kurzfilm drehte und zum 10jährigen Geburtstag des Kinos Anfang 2009 uraufführte. Herzlichen Glückwunsch – auch noch nachträglich!
Kategorie IV, 2. Preis: Kino Latücht, Neubrandenburg
Es war ein turbulentes Jahr 2008 für das Latücht in Neubrandenburg, denn trotz wirtschaftlicher Schwierigkeiten und Schließungszeiten, trotz Kürzung kommunaler Mittel und Mindereinnahmen wurde Kino gemacht für Groß und Klein, Jung und Alt, fernab von kultureller Ballung und Überfluss. Das erfordert Mut und Durchhaltevermögen. Die Kinomacher des Latücht Neubrandenburg wagten es. Besonders hervorzuheben ist neben dem starken Engagement im Kinder- und Jugendmedienbereich die mittlerweile in die vierte Staffel gehende Filmreihe „Deutsch-Deutsche Filmwelten“ in Kooperation mit dem Filmhaus Nürnberg – ein Beispiel für die Nutzung von Synergien. Ein Happy End für den Fortbestand des Latücht ist allerdings noch nicht in Sicht. Macht trotzdem weiter!
Kategorie IV, 3. Preis: fabrik.kino 2, Neustrelitz
Sie geben es selbst zu: Sie haben 2008 keinen einzigen Stummfilm gespielt und nicht über die Nouvelle Vague oder den italienischen Neorealismus parliert. Es gab oft nur wenige Besucher pro Vorstellung, die Kinderkinovorstellungen mussten verlegt werden und die Kinotechnik ist eher auf einem bemitleidenswerten Niveau. Und weder Uni noch Fachhochschule sind in der Nähe. Und trotzdem halten sie das Fähnchen der Filmkunst aufrecht in einer wundervollen, aber doch recht menschenleeren und karriereresistenten Gegend. Ja, sie steigerten sogar den Anteil beim Vorführen von deutschen Filmen und Dokumentarfilmen. Sie reden immer über die vorgeführten Filme, laden immer wieder Filmemacher ein und versuchen, die Zuschauer dort abzuholen, wo sie sich mit ihren Interessen und Bedürfnissen gerade befinden. Dabei werden möglichst viele regionale Partner eingebunden. Doch auch dieses Kino ist immer wieder von Kürzungen bedroht, obwohl es erheblich zur Programmvielfalt und Lebensqualität der Menschen mitten in „Meck-Pomm“ beiträgt.
Sonderpreis: Cinémathèque Leipzig
Mit diesem Preis wird das Programm „Solo für Licht“ geehrt, das über einen Zeitraum von zwei Monaten rund zwanzig stumme und weitgehend dialogfreie Filme von 1919 bis 2007 vereinte. Damit schlug „Solo für Licht“ einen Bogen von Murnaus „Nosferatu“ bis Béla Tarrs „Satanstango“, erinnerte an Vergessenes und Verdrängtes, hob verloren geglaubte Schätze und brachte Unbekanntes ans Licht. An mehreren Spielorten, unter anderem im Leipziger GRASSI Museum und in der Schaubühne Lindenfels, wurde nach der Kraft der Bilder und der Montage geforscht, begleitet von klassischen Kinoorgeln und avantgardistischer Livemusik. Für die Zuschauer bedeutete dieses Programm ein anspruchsvolles ästhetisches Vergnügen, eine Reise in die Film- und Zeitgeschichte, eine Herausforderung, sich auf das einzulassen, was Kino vor allem bedeutet: die Kunst des bewegten Bildes. Abseits konventioneller Wege im Umgang mit dem Stummfilm eröffnete „Solo für Licht“ die Gelegenheit, das Medium Film neu und wieder zu entdecken. Ein überzeugendes Konzept für ein begeisterungsfähiges, hellwaches Publikum.
(nach einer Pressemitteilung des Kinemathekverbunds)