13. Filmfest Schleswig-Holstein Augenweide
Maler des Medialen
„Der Mann in der Brandung“ (Wilhelm Rösing, D 2008)
Seine Fotos von Wind und Wellen vor seiner Heimatinsel Helgoland wirken wie Gemälde von Caspar David Friedrich, der wie er das ebenso Elementare wie Stille, Kontemplative der Natur einfing. Andere sind so lebendig wie das Strandleben auf der Helgoländer Düne – oder auch sein brennendes Haus nach der Bombardierung Helgolands 1944. Franz Schensky (1871 – 1957) war einer der letzten Fotografen, die das Lichtbilden noch als Malerei verstanden, und einer der ersten, die ihre Reportage-Objektive dem prallen Leben eröffneten. Mit seinem Dokumentarfilm „Der Mann in der Brandung“ entreißt Wilhelm Rösing den Helgoländer Fotografen dem Vergessen und legt zudem eine umfangreiche Recherchearbeit zu dessen Leben und Wirken vor.
1871 wurde Schensky als vermutlich unehelicher Sohn des damaligen britischen Gouverneurs auf Helgoland geboren. Nach einer Lehre als Manöverfotograf, die seine sachliche Haltung zum abgebildeten Objekt schärfte, eröffnete Schensky 1890, im Jahr, als die Hochseeinsel von den Briten an das Deutsche Reich übergeben wurde, auf Helgoland ein Atelier und Fotogeschäft und wurde zum kaiserlichen Hoffotografen ernannt. Seine Spezialität aus jenen frühen Tagen waren minutiös malerisch vor dem Objektiv inszenierte Porträts. Ab 1910 widmete sich Schensky vermehrt der „lebendigen“ Fotografie. Obwohl seine Fotos arbeitender Menschen, Fischer und Schiffer, immer noch streng durchkomponiert waren, zeigen sie Ansätze von spontan eingefangener Bewegung, seinen Blick für das Elementare des Augenblicks.
Malerisch und realistisch – Franz Schenskys Blick auf die Helgoländer Brandung
Und für die uninszenierbare Bewegung, der der Fotograf nur auflauern kann. Bis heute uneingeholt in der Präzision der Abbildung und der Lichtführung sind Schenskys Aufnahmen aus dem 1902 auf Helgoland eröffneten Aquarium, Fotos fliegender Möwen, die bis dahin niemand so „federnah“ eingefangen hatte, und seine Motive der brandenden See. Bei den damaligen fototechnischen Möglichkeiten glichen solche Aufnahmen Zauberei, mit der Schensky schnell weit über den engen Küstenkreis seiner Insel bekannt wurde. Sein Kampf um den richtigen Moment und das richtige Licht brachte Aufnahmen hervor, die noch heute erstaunen und – wie seine Brandungsfotos – zu seiner Zeit noch als kaum bildwürdig galten. Schensky war insofern ein fotografischer Visionär, allerdings abseits von den Avantgarden, die sich in den 10er und 20er Jahren des 20. Jahrhunderts in den europäischen Metropolen bildeten, ihnen aber – unerkannt – ebenbürtig.
Ein Großteil von Schenskys Negativen wurde im 2. Weltkrieg vernichtet. Dennoch sind viele Fotos erhalten, weil Schensky sie schon früh als Postkartenserien vermarktete. Ebenso seine lebensnahen Fotografien von der Düne, mit denen er in den 30er und 40er Jahren seinen Lebensunterhalt verdiente. Verdienen musste, denn als Gegner der Nationalsozialisten war Schensky im „Tausendjährigen Reich“ nicht eben wohl gelitten.
Und stellte damit auch seinem Dokumentar eine Falle. Es ist nicht verkehrt, in einem Porträt auch die Lebens- und Geschichtsumstände des Porträtierten zu erzählen. Rösing versinkt dabei jedoch in der Fülle seines Recherchematerials. So verzettelt sich der Film streckenweise nicht nur in der begleitenden Erzählung der Geschichte Helgolands, sondern auch im antifaschistischen Gestus, der sich an Schenskys Leben nur am Rande festmachen lässt. Geradezu grotesk wirkt die Stilisierung Schenskys zum Antifaschisten anhand einiger wenig glaubwürdiger Zeitzeugen, die Rösing vor die Kamera zitiert.
Rösing leistet mit seiner Schensky-Biografie Großes gegen das Vergessen eines Bildkünstlers des Elementaren, verliert sich aber über viele Filmminuten in Material, das besser geschnitten worden wäre, weil es allzu vielsagend nichtssagend ist. Schenskys späte Fotos aus dem Schleswiger „Exil“ zeigen weniger den heimatlos melancholischen Blick, den Rösing evozieren möchte, als vielmehr den ebenso sachlichen wie poetischen eines Fotografen, der es verstand, das Malerische des 19. Jahrhunderts mit dem neuen Element des Medialen zu verbinden. (jm)
„Der Mann in der Brandung“, D 2008, 73 Min. Buch, Regie: Wilhelm Rösing, Kamera: Lars Barthel, Barbara Metzlaff, Schnitt: Maria Hemmleb. Gefördert von der Filmförderung Hamburg Schleswig-Holstein.