13. Filmfest Schleswig-Holstein Augenweide
Persönlichkeit ist wichtiger als Professionalität
Werkstattgespräch über den Animationsfilm
Im Werkstattgespräch des 13. Filmfests Schleswig-Holstein Augenweide diskutierten die Professoren Udo Engel (Hochschule für bildende Künste, Hamburg – HfbK) und Gil Alkabetz (Hochschule für Film und Fernsehen „Konrad Wolf“, Potsdam-Babelsberg – HFF) sowie der Hamburger Animationsfilmer Jim Lacey über die aktuelle Situation des Animationsfilms besonders an den Hochschulen.
Udo Engel sieht in der Digitalisierung eine „Segnung“ für den Animationsfilm, weil die digitale Technik die Kosten der Erstellung eines Animationsfilms extrem gesenkt habe. Mit einem Equipment im Wert von wenigen hundert Euro könne heute fast jeder zuhause Animationen erstellen. Da man nicht mehr teures Filmmaterial bei einem Fehlversuch „vernichte“, sei das Arbeiten auch um einiges entspannter geworden. Zudem sei man mittels digitaler Ausstattung auch als „Einzelkämpfer“ sofort arbeitsfähig.
Allerdings sei auch bei der neuen Technik immer noch ein wesentliches Problem für einen Animationsfilm, dass er eine gute Geschichte erzählen müsse, ergänzt Gil Alkabetz. Engel stimmt zu: Wenn die Geschichte gut ist, fallen technische Mängel kaum ins Gewicht. Überhaupt sei die künstlerische Persönlichkeit wichtiger als die handwerkliche Professionalität. An beiden Hochschulen werden die Bewerber deshalb auch gerade im Hinblick auf ihre Künstlerpersönlichkeit ausgewählt. „Wir suchen nach anderen Filmen“, sagen Engel und Alkabetz einhellig. Wer es mit der digitalen Technik des Home-Trickfilmstudios „nur“ zu handwerklicher Perfektion gebracht habe, sei an einer Fachhochschule besser aufgehoben. Alkabetz kritsiert auch Modeerscheinungen wie die, dass derzeit etwa ein Fünftel der Bewerber an der HFF Manga-Filme in ihren Mappen präsentieren. „Das ist langweilig“, so Alkabetz, „ansonsten unterstützen wir aber jede Richtung des Animationsfilms“.
Die also vor allem künstlerische Ausrichtung beider Hochschulen wie auch die gesellschafts- und wirtschaftspolitische Entwicklung führte in den letzten Jahren zu einem starken Rückgang der Bewerber von etwa 700 auf jetzt unter 200 an der HfbK (wovon etwa 20 Bewerber aufgenommen werden). An der HFF bewerben sich pro Semester knapp 100 zukünftige Filmemacher, wovon etwa 10 aufgenommen werden. Udo Engel führt diesen Rückgang darauf zurück, dass sich junge Menschen heute zweimal überlegen, ob sie „eine brotlose Kunst“ studieren. Wenn sie sich denn dazu entschließen, sollten sie aber „das Zeitfenster an der Hochschule“ besonders zur Ausbildung der eigenen künstlerischen Persönlichkeit nutzen, wozu die Hochschule durch ihre Dikussionszusammenhänge besonders geeignet sei.
Aber auch in der freien Wirtschaft (meistens Werbewirtschaft) sind die Aussichten eher geschrumpft, weiß Jim Lacey. In Hamburg gebe es nur rund 100 Animationsfilmer, die sich von weniger werdenden Aufträgen mehr schlecht als recht, aber immerhin ernähren können. Der klassische Zeichentrick sei „am Aussterben“, Jobs in der Werbung gebe es eher im Bereich voll digitalisierter 3D-Animation. Ab und an begegne man dann Filmemachern, die sich in Nischen ihren Unterhalt und das Geld für eigene Produktionen verdienen, etwa die Animationsfilmerin, die „seit 25 Jahren die Möhre von Bugs Bunny koloriert“, wie Lacey es beinahe kabarettistisch auf den Punkt bringt.
Zu konstatieren ist also einerseits ein enormer Zuwachs an Filmen, die mit den leicht und preiswert zugänglichen digitalen Mitteln meist von Amateuren produziert und über Portale wie YouTube in Umlauf gebracht werden und dort zum Teil auch enorme Zuschauer-/Klick-Zahlen erreichen, dabei aber eher selten auch künstlerisch wertvoll sind. Andererseits fällt den Hochschulen immer weniger die Rolle zu, für den Beruf auszubilden, was aber auch die Chance eröffnet, gezielter rein künstlerisch zu arbeiten. „Persönlichkeit ist wichtiger als Skills“, betont Engel noch einmal, während für Alkabetz „die Trennung zwischen Künstlerischem und Handwerklichen nicht so eindeutig“ ist, indem sich Form und Inhalt immer gegenseitig bedingen sollten, gerade bei künstlerischen Arbeiten.
Die im Auswahlprogramm beider Hochschulen gezeigten Animationsfilme scheinen jedoch genau die eher künstlerisch-experimentierfreudige Richtung der Hochschulen zu bestätigen (was natürlich an der Auswahl liegen könnte). Heutige Animationsfilmer setzen nicht auf die „cleanen“ und flüssigen Animationen, die moderne 3D-Programme ermöglichen. Vielmehr orientieren sie sich an alten „Looks“, die sie mit neuen Inhalten füllen und/oder mit den neuen Techniken kombinieren. So ermöglicht etwa die Software „Autodesk Maya“ die Verbindung von vektorgrafischer 3D-Animation und ausgesprochen „malerischer“ Texturen. Zur Anwendung kam diese moderne Software, die auch den „alten Trickfilm-Look“ erzeugen kann, etwa in Victor Orozcos „La Letra con Sangre entra“ (HfbK). Milen Vitanov von der HFF kombinierte in „My Happy End“ mittels Maya auf interessante Weise klassische 2D-Animation mit 3D, indem sich das Zeichenblatt quasi zur 3D-Bühne aufrollt und die Figuren gleichermaßen flächig wie drei-dimensional sind – nicht ohne einen ironischen Blick des alten Genres auf seine neuen 3D-Möglichkeiten. Die Form und auch die Technik werden in vielen der neuen Animationsfilme von den Hochschulen zumindest neben der eigentlichen „Story“ thematisiert. Das Medium reflektiert sich und gewinnt daraus manches witzige, gewitzte Element für den Plot. In Tomer Esheds „Our Wonderful Nature“ wird gar der 3D-Animations-Stil der großen Studios wie Pixar aufs Korn genommen, durchaus in Opposition zum Werkzeug durch dessen grotesk-exzessive Nutzung.
Gil Alkabetz zeigte zudem vier Ein-Minüter aus einem Workshop, dessen Aufgabe darin bestand, einen ganzen Animationsfilm in nur vier Tagen zu produzieren. Die Miniaturen wie etwa Ulrike Schulz’ „Brainstorm“ belegen einmal mehr, dass die gewitzte Geschichte entscheidender für einen guten Animationsfilm als die Technik ist. Für eine gute Idee reicht auch eine simple, 2D-animierte Strichzeichnung, sie umzusetzen. Freilich hilft die digitale Technik sehr, dies in so kurzer und preiswerter Produktion zu tun. Die neue Technik wird also von heutigen Animationsfilmern vor allem als (zusätzliches) Werkzeug eingesetzt, nicht als stilbildendes oder einen neuen „Look“ kreierendes Mittel. Letzteres überlässt man kommerziellen Filmen aus den großen Digital-Schmieden wie Pixar. Und das ist ganz gut so. (jm)