“Verbotenes Lichtspiel“, eine kleine Gruppe Kieler Cineasten, präsentierte 2008 eine Reihe mit italienischen Giallo- und Exploitation-Filmen in unterschiedlichen Kulturstätten in Kiel. Die vom Publikum sehr gut angenommenen Veranstaltungen werden im März 2009 fortgesetzt mit der neuen Reihe
Angels of Vengeance // Racheengel
Im Kino herrscht meist der männliche Blick. Männer schauen auf Frauen, und die Kamera schaut mit. Das hat mit Macht zu tun, mit Lust, mit Gier. Oft auch mit Gewalt. Im Horrorfilm treten nur Scream-Queens ihre Regentschaft im Reich der Schmerzen an, Scream-Kings gibt es erst gar nicht. Aber nicht immer fügen sich die Opfer in ihre Rolle. Manchmal, wenn der Schmerz und die Demütigung zu groß werden, drehen sie den Spieß um, und es schlägt die Stunde der Vergeltung. Worauf die Täter dann nicht hoffen können, sind Gnade und ein ordentliches Gerichtsverfahren. “Angels of Vengeance” ist ein kurzer Spießrutenlauf durch ein unheimliches, oft voyeuristisches, manchmal befreiend anarchistisches Genre, den Frauen-Rache-Film, dem Quentin Tarantino mit “Kill Bill” ein so eindrucksvolles Denkmal gesetzt hat.
Ob in einem opulent zusammenfantasierten historischen China (“Intimate Confessions of a Chinese Courtesan”), in der brutalen Hölle eines nur vermeintlich idyllischen Neuenglands (“I Spit on Your Grave”) oder im sonnenüberfluteten Los Angeles (“Coffy”, mit Blaxploitation-Ikone Pam Grier) – überall sind die Männer mehr oder weniger Schweine. Das gilt natürlich auch für New York, wo der traumatisierten “Frau mit der 45er Magnum” (“Ms .45“) ihre Rache zum verstörend lustvollen Feldzug gerät. Und der Aufenthalt im Gefängnis wird zum Albtraum, wenn Staatsmacht und sexuelle Repression im uniformierten Mann zusammen fallen – in Kalifornien (“Jackson County Jail“) ebenso wie in Japan (“Sasori”, mit Meiko “Lady Snowblood” Kaji).
Was fasziniert an der Rache der Frauen? Handelt es sich um Befreiungsschläge? Oder um fragwürdige Selbstjustizorgien? Im besten Fall gelingt dem Frauen-Rache-Film eine irritierende Gegenbewegung. Eben noch zweifaches Opfer – des männlichen Blicks und der männlichen Gewalt – wandelt sich die Frau zur höchst aktiven Täterin. Und widersetzt sich damit auch dem Blick. Zu kurzsichtig? Am Ende liegt es im Auge der BetrachterIn.
Alle Filme sind frei ab 18 Jahren. Zu allen Filmen gibt es eine filmhistorische Einführung.
Intimate Confessions of a Chinese Courtesan // Ai nu
Chor Yuen. HK 1972. ca 87 Min. OmeU. Mit Lily Ho
Do 5. 3., 21:00 Luna Club
“Werd’ ich zum Augenblicke sagen: / Verweile doch! du bist so schön! / Dann magst du mich in Fesseln schlagen, / Dann will ich gern zu Grunde gehn!” – Chor Yuens Film ist voll von visuellen Augenblicken, die man festhalten möchte. Freilich auch von Menschen, die darin zugrunde gehen oder zumindest in Fesseln gelegt werden. Erzählt wird die Geschichte der Ai Nu, die jugendlich ins Bordell verschleppt, von dessen Chefin geliebt und ausgebildet wird, um schließlich Rache zu üben an ihren Peinigern. Alles mit ein wenig nackter Haut und viel von dem darunter, namentlich Blut. Wir nennen es Action. Überwältigend schön, fast surreal anmutend, entführt uns der Film in Bildwelten, die hoch artifiziell und seltsam durchkomponiert anmuten. Als Shaw Brothers Produktion erstrahlt der Film noch dazu im formidablen Shaw Scope. Ein Juwel, ein erhabenes Vergnügen und eine versprochene Unterhaltung.
Irgendwann im Laufe des Films versucht Ai Nu, sich das Leben zu nehmen, ohne Erfolg. “It ain’t easy to die here,” spottet daraufhin die Bordellchefin und wird natürlich eines Besseren belehrt. Schönheit und ihr Anblick können im Kino noch immer tödlich sein.
I Spit on Your Grave // Day of the Woman
Meir Zarchi. USA 1978. 101 Min. dt. Fassung. Mit Camille Keaton
Di 10. 3., 21:00 KoKi Underground im Roten Salon
Um an einem Roman zu arbeiten, bezieht Jennifer Hill ein idyllisches Haus im amerikanischen Hinterland. Schon nach drei Tagen wird sie von vier Männern überfallen, mehrfach vergewaltigt und schließlich in dem Glauben, sie sei tot, zurückgelassen. Dann jedoch bricht der titelgebende Tag der Frau an: Jennifer bittet in einer Kirche vorsorglich um Vergebung, um sich schließlich fürchterlich an ihren Peinigern zu rächen …and there isn’t a jury in this country that will convict her! Von Kritikern verachtet und von den Behörden aus den Regalen gefegt, wurde Meir Zarchis ursprünglich als Day of the Woman veröffentlichter Rachefilm unter dem Verleihtitel “I Spit on Your Grave” zu einem der berüchtigsten und einflussreichsten Videoschocker.
Coffy // Coffy – Die Raubkatze
Jack Hill. USA 1973. 91 Min. OmeU. Mit Pam Grier
Mi 18. 3., 20:30 HansaFilmpalast
Am Tage eine Krankenschwester, nachts die tödlich-attraktive Rächerin mit der Pump Gun. Coffy sucht die Drogendealer, die ihre kleine Schwester auf die Intensivstation gebracht haben. Doch sie macht nicht bei den kleinen Pushern halt, sondern schleust sich über eine dubiose Model-Agentur in das Innere eines Drogenringes ein. Unter vollem, körperlichem Einsatz dringt sie zu den Hintermännern vor und räumt gründlich auf.
Pam Grier gab mit Coffy eine stilprägende Action-Heldin der modernen Filmgeschichte und bereitete über das Blaxploitation-Genre hinaus den Weg für eine Reihe von Hard-Boiled-Amazonen von Sigourney Weaver über Linda Hamilton bis Carrie-Ann Moss und Angelina Jolie. Doch “Coffy” ist deshalb ein Klassiker des B-Movies, weil er hemmungslos überzogen, sexy und cool ist. Und einen erstklassigen Soul-Soundtrack hat. Eben ein Riesenspaß.
Wir zeigen die ungekürzte Originalfassung. Im Anschluss an den Film gibt’s die Soul-Hits aus den Blaxploitation-Soundtracks im Sponti-Hansa.
Sasori – Scorpion // Joshuu 701-gô: Sasori
Shunya Ito. Jap. 1972. 87 Min. OmU. Mit Meiko Kaji
Sa 21. 3., 20:00 Subrosa
Stoisch erträgt Nami Matsushima die Demütigungen und Übergriffe, die ihren Alltag zwischen opportunistischen Mitgefangenen und sadistischen Wärtern im Frauengefängnis bestimmen. Vergeben wird sie ihren Peinigern jedoch ebenso wenig wie dem Mann, der sie ausgenutzt und in der Hölle des Strafvollzugs zurückgelassen hat. Wer in ihre Augen sieht, erkennt: Wenn ihre Zeit gekommen ist, wird diese Frau keine Gnade mehr gewähren…
Sasori ist Frauengefängnisfilm zwischen Arthouse und Sexploitation, mit großartiger Musik und einer visuellen Stilsicherheit, die ihn zu einem der unvergesslichsten japanischen Rachefilme macht.
Ms .45 // Angel of Vengeance // Die Frau mit der 45er Magnum
Abel Ferrara. USA 1981. 82 Min. engl. Fassung. Mit Zoe Tamerlis
Mi 25. 3., 20:30 Weltruf
Thana arbeitet in einer Kleiderfabrik und ist stumm. An einem schicksalhaften Tag wird sie auf dem Heimweg vergewaltigt. Sie kann zwar fliehen, aber der Alptraum setzt sich fort: Ein Einbrecher wartet in ihrer Wohnung auf sie und auch er vergewaltigt sie. Diesmal allerdings tötet Thana den Täter. Sie zerstückelt ihn, gefriert ihn und verteilt ihn schließlich heimlich in New York. Mit seiner 45er Magnum beginnt sie, Männer zu erschießen, von denen sie sich bedroht fühlt. Und davon gibt es eine Menge…
In “Ms .45″ (auch “Angel of Vengeance”) wird die Heldin vom hilflos ausgelieferten Opfer, das in der männerdominierten Gesellschaft keine Stimme hat, erst zur Rächerin und schließlich selbst zur Täterin. Irgendwann geht ihr Rachefeldzug über den unmittelbar befriedigenden Aspekt der Genugtuung hinaus. Dann wird es verstörend.
Mit Referenzen an Roman Polanskis “Ekel” und reichlich katholischem Hintergrund schickt Regisseur Abel Ferrara seine Heldin Thana (im Griechischen ist Thanatos der Tod) auf die Straßen von New York, den Männern das (Mündungs-)Feuer zu bringen.
Jackson County Jail // Vergewaltigt hinter Gittern
Michael Miller. USA 1975. 84 Min. dt. Fassung. Mit Yvette Mimieux
Sa 28. 3., 22:30 KoKi
Ein schlimmer Tag für Dinah Hunter: Nachdem zwei Anhalter ihr den Wagen gestohlen haben und sie sich auf der Polizeistation nicht ausweisen kann, gelangt sie in Untersuchungshaft und wird von einem Hilfssheriff vergewaltigt. In Notwehr erschlägt sie ihren Peiniger und ergreift zusammen mit einem Mithäftling, dem Gewaltverbrecher Coley, die Flucht; eine Odyssee quer durch die USA beginnt, während der die beiden Flüchtenden immer verzweifelter – und gewalttätiger – um ihre Freiheit kämpfen müssen. – Die glühende Rache für die erlittene Gewalttat ist der Auslöser für eine Kette immer neuer Gewaltakte. Dinah Hunter ist Jägerin und Gejagte zugleich in diesem stringent komponierten Drama aus der Talentschmiede Roger Cormans, dem selbst die kirchlichen Filmwächter hierzulande eine spannende Inszenierung und die düstere Logik der Gewalteskalation als Pluspunkte zugestanden.