Mediatage Nord 2008

„Kieler Modell“: Weniger Bürokratie durch E-Government

„EU-Dienstleistungsrichtlinie“ – das klingt nicht eben revolutionär.
Gleichwohl könnte diese Richtlinie die Verwaltung in Deutschland
revolutionieren. Sie wird nicht nur die nationalen Grenzen für die Anbieter
von Dienstleistungen öffnen, sondern sie vereinfacht auch
Genehmigungsverfahren, stellt die gängigen Verwaltungsprozesse auf den
Prüfstand und verhilft dem E-Government zum Durchbruch. Darin sind sich die
Teilnehmer der Veranstaltungen zum Thema „E-Government“ auf den Mediatagen
Nord 2008 einig. Und noch in einem weiteren Punkt herrscht Einigkeit:
Schleswig-Holsteins Ansatz, die EU-Dienstleistungsrichtlinie mit
E-Government-Lösungen umzusetzen, ist für viele andere Bundesländer
wegweisend. „Die EU-Dienstleistungsrichtlinie ist ein Hebel zur
Verwaltungsmodernisierung“, erklärt Klaus Schlie, Staatssekretär für
Entbürokratisierung und Verwaltungsmodernisierung im Finanzministerium des
Landes Schleswig-Holstein. Das „Kieler Modell“ für die Umsetzung der
EU-Dienstleistungsrichtlinie ist bundesweit einmalig. Dieser Ansatz wird auf
den Mediatagen Nord 2008 vorgestellt, diskutiert und weiter entwickelt.

Als 2006 die EU-Dienstleistungsrichtlinie in Kraft trat, hat man im
nördlichsten Bundesland früh erkannt, dass hier der Schlüssel für den Umbau
der gesamten Verwaltung liegt. „Es geht um einen Bürokratieabbau durch die
Vereinfachung von Verfahren“, sagt Prof. Dr. Utz Schliesky, Leiter der
Abteilung Verwaltungsmodernisierung im Finanzministerium des Landes
Schleswig-Holstein. Dabei kommt drei Bereichen wesentliche Bedeutung zu: Zum
einen schreibt die Dienstleistungsrichtlinie vor, dass es ab Ende 2009 einen
so genannten Einheitlichen Ansprechpartner für alle geben muss, die ein
Dienstleistungsgewerbe anmelden wollen. Außerdem besteht ab diesem Zeitpunkt
für die Behörde die Pflicht, die Abwicklung des Verfahrens auf
elektronischem Wege anzubieten. Und darüber hinaus müssen alle rechtlichen
Vorschriften einem „Normen-Screening“ unterworfen werden und dahingehend
überprüft werden, ob sie angemessen und sinnvoll sind.

Bereits der Einheitliche Ansprechpartner bedeutet eine tiefgreifende
Veränderung für die Verwaltung. Denn zukünftig muss jeder, der in einem oder
mehreren Bundesländern oder EU-Staaten ein Gewerbe anmelden will, nicht
länger bei zahlreichen verschiedenen Behörden vorstellig werden. Vielmehr
kann er – wenn er will – nur noch den Einheitlichen Ansprechpartner
aufsuchen, der dann die Abläufe für den Antragsteller innerhalb der
zuständigen Behörden koordiniert – und das auch länderübergreifend.
„Verfahrensmanager“ nennt Schliesky den Einheitlichen Ansprechpartner.
„Dieser Ansatz ist eine besondere Herausforderung für ein föderal
organisiertes Land wie die Bundesrepublik Deutschland“, ergänzt
Staatssekretär Schlie.

Für die Einführung der EU-Dienstleistungsrichtlinie sieht man sich in
Schleswig-Holstein gut gerüstet: „Kein anderes Bundesland ist in dieser
Hinsicht so weit. Schleswig-Holstein hat für viele Vorbildcharakter“,
berichtet Schlie. So hat man ein E-Government-Gesetz in den Landtag
eingebracht und alle Verwaltungsabläufe in einem „Prozessregister“ erfasst.
Eine weitere schleswig-holsteinische Besonderheit ist, dass man von Anfang
an auf die Kooperation von Land, Kommunen, Industrie- und Handels- sowie
Handwerkskammern gesetzt hat. Das hat sich beispielsweise beim Einheitlichen
Ansprechpartner bewährt, der hier von den genannten Akteuren in gemeinsamer
Trägerschaft ausgestaltet wird. „Eine schnell und kostengünstig arbeitende
Verwaltung ist ein Standortfaktor“, unterstreicht Schliesky die
wirtschaftliche Bedeutung der Verwaltungsmodernisierung.

Mehr als 100 Teilnehmer aus Verwaltung, Wirtschaft und Wissenschaft
tauschten sich auf den Mediatagen Nord 2008 über die aktuellen
Entwicklungen, rechtlichen Anforderungen und Umsetzung der
EU-Dienstleistungsrichtlinie aus. Daneben präsentierte das Finanzministerium
zusammen mit zwei Universitäten das EU-Projekt „Acess-eGov“. Es zeigt, wie
Informationen und Services verschiedener Verwaltungen im Internet
zusammengeführt werden können, um Bürger mit Hilfe eines Online-Assistenten
Schritt für Schritt durch Behördengänge zu führen. Am Beispiel Eheschließung
ermittelt der Assistent, welche Dokumente im Vorfeld benötigt werden, welche
Behörden zuständig sind und welche Leistungen diese anbieten. Auf einem
zweitägigen Konvergenzworkshop wird zudem mit Partnern aus Wirtschaft,
Wissenschaft und Verwaltung an der Beantwortung verschiedener Fragen
gearbeitet. Dabei geht es unter anderem um Innovationen und Strategien für
kooperative Informationssysteme sowie rechtliche, technische und
organisatorische Verbesserungen für die elektronische Verwaltung.

(nach einer Pressemitteilung der Mediatage Nord)

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