50. Nordische Filmtage Lübeck

(F)einfühlige Künstlerportraits

„Guillermo Steinbrüggen – Portrait eines Bildhauers“ (Oliver Rduch, D 2008)

„Ich. Immendorff“ (Nicola Graef, D 2007)

Zwei Künstlerportraits im Filmforum spüren (f)einfühlig weniger den portraitierten Künstlern nach als dem, was Kunst ist – oder sein könnte, dürfte, müsste, sollte … Der Lübecker Bildhauer mit spanischen Wurzeln Guillermo Steinbrüggen schafft großformatige Plastiken und kleine Bilder, bei Jörg Immendorff sind die Gemälde überdimensional, die Plastiken selten und klein. Ein Gegensatz, der sich bei den beiden Künstlerportraits im Filmforum nur zufällig ergibt. Denn die Frage, wie man sich einem bildenden Künstler im Film nähert, beantworten die Dokumentarfilme von Oliver Rduch und Nicola Graef ganz unterschiedlich und doch ähnlich – und regen gerade deshalb zum Vergleich an.
Wenn man Künstler vor die Kamera bittet, um über ihre Kunst zu räsonnieren, fällt das Ergebnis meist dürr aus. Künstler sind die schlechtesten und einsilbigsten Interpretatoren ihrer eigenen Kunst. Was in der Natur der Sache liegt: Wer sich Kunst als Ausdrucksmedium gewählt hat, kann darüber wittgenstein-gemäß nurmehr „schweigen“, sonst würde er keine Kunst machen. Was aber wird aus solchen Interviewfragen, wenn der Filmkünstler sie stellt? Wenn der Filmkünstler oder die Filmkünstlerin gut sind, zeigen sie durch eben dieses Schweigen des Künstlers über seine Kunst den Künstler. Genau das gelingt beiden Dokumentarfilmen.
Mit 25 Plastiken, z.T. so monumental wie der an den 30-jährigen Krieg gemahnende „Fanfarenbläser“, ist Guillermo Steinbrüggen in Lübecks öffentlichem Raum vertreten. Gleichwohl kennt kaum ein Lübecker den Schöpfer der im Stadtbild gegenwärtigen Skulpturen. Vielleicht deshalb, weil Steinbrüggen sich gegenüber seiner Kunst so bescheiden zeigt. Bevor er etwas aus dem Stein meißelt oder ins Metall gießt, fragt er sich nicht nach seinem Ausdruckswillen, sondern danach, „welche Form das Material in sich birgt“. Der Künstler als „Hebamme“ dessen, was die Natur seinem Material bereits einbeschrieb. Oder was die Technik als Schrott zurückließ, aus dem Steinbrüggen seine ersten Skulpturen „Homo technicus“ und „Der Schmied“ schuf. Rduchs Film zeigt nicht nur diesen Bescheidenen, sondern auch seine Arbeit im sozialen Bereich, etwa mit Strafgefangenen, denen er die künstlerische Ausdrucksmöglichkeit vermittelte.
Guillermo Steinbrüggen (Foto: NFL)
Jörg Immendorff war von Anfang an eine viel „eingebildetere“ Künstlerpersönlichkeit. In den späten 60er Jahren zeigte Immendorff Flagge – auch in eigener Sache – gegen den „Muff von tausend Jahren unter den Talaren“ und machte 68er-mäßig Furore im Düsseldorfer Kunstbetrieb. Im von seiner Krankheit geprägten Alter portraitiert ihn Nicola Graef als Despoten, der seinen Studenten als bloßen Erfüllungsgehilfen den Pinsel in seinem Namen führt, den er aufgrund seiner Nervenkrankheit nicht mehr selber auf die Leinwand setzen kann. Dennoch bleibt Immendorff der Künstler, der gegen alle – auch die eigenen – Widerstände um seinen Ausdruck ringt. Dass er sich dabei alle und alles, die und was ihm zur Verfügung stehen, zum Diener macht, wirkt in Graefs Portrait eher sympathisch. Immendorff ist nämlich einer, der sich – und der Not wegen auch andere – unbedingt in den Dienst der Kunst stellt. Kunst als Projekt, das ob der krankheitsbedingt erlahmenden Hand des „Großmeisters“ zu einem durchaus menschlichen, ja, humanistischen Gemeinschaftsprojekt wird.
Jörg Immendorff mit Studenten im Atelier (Foto: NFL)
Den herrischen Ton des Malermeisters, der aus seiner Sicht ungeeignete Studenten mit klaren Worten auf die Plätze verweist, kontrastiert Graef mit Bildern von dem schwer am Sauerstofftropf Atmenden, der sich sichtbar, aber nicht mehr hörbar gegen die Vereinnahmung von Politprominenz wie dem eloquenten, aber ganz und gar nicht kunstsinnigen Ex-Kanzler Gerhard Schröder wehrt. Eine Szene, die ein bezeichnendes Licht auf die Rollen Künstler versus Staat wirft, eine der stärksten Sequenzen aus Graefs Film. Nicht zu schweigen von den langen Schwenks über Immendorffs Atelier, als sei es eine Landschaft. Kurz nach den Dreharbeiten starb Immendorff im Mai 2007 an seiner Krankheit ALS. Das Portrait wurde damit auch zum einfühlenden Vermächtnis einer Künstlerpersönlichkeit, die in ihrem nichts unversucht Lassen bis hart an die Grenze zum Tod eine Unbedingtheit äußert, die gerade in der dokumentarischen Rückschau ungemein fasziniert. (jm)
„Guillermo Steinbrüggen – Portrait eines Bildhauers“, D 2008, 20 Min., DigiBeta. Buch, Regie, Schnitt, Produktion: Oliver Rduch, Kamera: Oliver Rduch, Andre Schuster. www.rduch.com.
„Ich. Immendorff“, D 2007, 98 Min., DigiBeta. Buch, Regie: Nicola Graef, Kamera: Alexander Rott, Schnitt: Kay Ehrich, Produktion: Lona Media Filmproduktion mit dem WDR. www.lonamedia.de.
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