58. Internationale Filmfestspiele Berlin – Berlinale 2008

Zwischen Bibel und Ball

„Jesus liebt dich“ (Lilian Franck, Michaela Kirst, Robert Cibis, Matthias Luthardt, D 2007)

Islamistische Fundamentalisten waren es, die am 11. September 2001 Amerika angriffen und einen neuen Glaubens- und Weltkrieg eröffneten. Jener 11. September war auch die Geburtsstunde für die 411-Church in New York. Scott Rourk sammelte 250.000 Dollar Spenden und gründete eine Kirche nahe „Ground Zero“ – die Antwort der fundamentalistischen Christen auf ihre islamistischen Widersacher. Fünf Jahre später ruft Deutschland zum Fußball-WM-Fest: die ideale Gelegenheit für Mission und den „Kreuzzug“ der Evangelikalen.

Das Regie-Quartett Lilian Franck, Michaela Kirst, Robert Cibis und Matthias Luthardt porträtiert vier der christlichen Fundamentalisten bei ihrer Mission in Fußball-Deutschland. Tilman Pforr hat die Tausendschaft Evangelikale aus aller Welt im bayrischen Hurlach versammelt, um sie dort für den Kampfeinsatz in „Gottes Armee“ zu trainieren. Der aus China stammende Amerikaner Cody Mui ist erst vor kurzem bekehrt worden, als Soldat Christi tut er sich im fremden Land Deutschland schwer. Gershom Sikaala kommt aus Sambia und will das Evangelium, das einst aus Europa kam, dorthin zurücktragen. Scott Rourk ist der ideologische Einpeitscher. Wenn er die Mission in Gefahr sieht, gucken seine „Soldaten“ betreten. Vier Kämpfer für den Christ, denen sich die vier Regisseure mit Feingefühl widmen.

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Dornenkrone als Droge: Evangelikale bereiten sich auf den Kampfeinsatz vor
(Foto: Berlinale)

Die Komik der Mission ergibt sich am Set des Dokumentarfilms. Da muss nicht nachgeforscht werden, die Fundamenatlisten entlarven sich selbst in ihrem ebenso naiven wie anti-demokratischen Glaubenswahn. Die Beobachter müssen das nicht kommentieren, hier spricht und betet jeder selbst den Irrsinn gläubiger Verblendung.

Sind solche Menschen eine Gefahr? Wohl nicht, denn sie sind ehrlich – selbst in ihrem Fundamentalismus. Sie verstellen sich kaum, auch wenn Rourk ihnen empfiehlt, bestimmte „Keywords“ nicht zu nennen. „Missionar“ etwa sei in Europa negativ besetzt, deshalb lieber „undercover“ fragen, was die Fußball-Fans nicht nur vom Ball, der bekanntlich rund ist, sondern auch vom Jesus-Match halten. Die Protagonisten stellen sich dabei mal diplomatisch, mal plump an. Die Quittung kommt von den zu Missionierenden prompt: „Hast du einen Glauben?“ „Ja, dass Deutschland gewinnt!“ Bibel und Ball sind eben doch zwei Welten …

Der behutsam erzählte Dokumentarfilm enthält sich jeden Kommentars, den liefern die Protagonisten inmitten ihres missionarischen Eifers – manchesmal unfreiwillig komisch. Selbiges erscheint dennoch authentisch, wird nicht verteufelt. „Wie hältst du’s mit dem Glauben?“ – das muss eben auch jeder Zuschauer für sich selbst entscheiden. (jm)

Jesus liebt dich, Deutschland 2007, 80 Min., HD. Regie: Lilian Franck, Michaela Kirst, Robert Cibis, Matthias Luthardt, Kamera: Kolja Raschke, Jakob Bejnawowicz, Lukas Schmid, Schnitt: Nelia Székely

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