58. Internationale Filmfestspiele Berlin – Berlinale 2008

Zurückspulen, bitte!

„Be Kind Rewind“ (Michel Gondry, USA 2008)

Manchmal füllt das Kino einen weißen Fleck auf unserer Landkarte. Ein solcher ist wohl Passaic, New Jersey. In der knapp 70.000-Seelen-Stadt hat Mr. Fletcher (Danny Glover) seinen Video-Shop „Be Kind Rewind“ in einem Gebäude, das fast so alt ist wie Passaic selbst. Das Haus hat geradezu kulturgeschichtliche Bedeutung, schließlich wurde laut Mr. Fletcher der Jazzpianist Fats Waller dort geboren. Desto entsetzlicher, dass die Behörden Fletcher die Pistole auf die Brust setzen: Entweder, er schafft Geld für die Sanierung des baufälligen Hauses an, oder dieses fällt dem sozialen Wohnungsbau zum Opfer. Fletcher bleibt nichts anderes übrig, als sich für zwei Tage freizunehmen, um die politischen Entscheider zu überzeugen. Den Laden vertraut er seinem jungen Helfer Mike (Mos Def) an. Unter einer Bedingung: Jerry (Jack Black) muss draußen bleiben!

Jerry ist zwar herzensgut, aber auch ziemlich eigen. Er leidet unter dem Verfolgungswahn, das örtliche Kraftwerk sei dabei, ganz Passaic zu verstrahlen. Bei einem nächtlichen Anschlag auf das Kraftwerk bekommt er allerdings den Stromschlag seines Lebens – und läuft fortan als wandelnder Magnet durch die Gegend. Nicht wirklich ideal für die Leihware im Videoladen. Zu Mikes Entsetzen ist mit Jerrys Betreten des Ladens der Inhalt sämtlicher Bänder gelöscht. Da gibt’s nur eins: selbst in die Filmproduktion gehen. Und zwar ohne dass Miss Falewicz (Mia Farrow) davon erfährt, die Mr. Fletcher zweifellos alles verraten würde …

Kleine Filme im Eigenbau und ihr Gelingen in Perfektion sind die Spezialität des französischen Regisseurs Michel Gondry, der seit Beginn der 90er-Jahre eine glanzvolle Marke nach der anderen mit seinen Musikvideos für die Stars der Branche setzte: Björk, Rolling Stones, Radiohead, Kylie Minogue – um nur wenige zu nennen. 2004 punktete Gondry als Regisseur von „Eternal Sunshine of the Spotless Mind” (dt. „Vergiss mein nicht“), denn Charlie Kaufman erhielt für den Film 2005 den Oscar für das beste Original-Drehbuch – Gondry hatte daran mitgearbeitet.

Nach dem 2006 in Frankreich gedrehten „La science des rêves“ (dt. „Anleitung zum Träumen“) ist „Be Kind Rewind“ Gondrys zweites Spielfilmwerk als Regisseur und Drehbuchautor. Noch vor der Berlinale wurde die Komödie auf dem Sundance Film Festival präsentiert und lief am 22. Februar 2008 in den USA an. Besonders dort muss sie ein Erfolg werden, möchte man meinen. Schließlich müssen Mike und Jerry für den Neudreh zahlreicher Lieblinge des amerikanischen Kinos sorgen, allen voran „Ghostbusters”. Der Terminus technicus dafür: „schweden“ (= to swede) – und da das Land Schweden von Passaic aus betrachtet weit weg ist und sicherlich ein hohes Preislevel hat, lassen sich die Kunden von „Be Kind Rewind“ überzeugen, dass sie für die nun meistens kürzeren Filme genauso viel bezahlen müssen. Mr. Fletcher bleibt dies alles natürlich nicht verborgen, aber spätestens, als er mit seiner seit Jugendjahren angebeteten Miss Falewicz „Miss Daisy und ihr Chauffeur“ „schweden“ darf, ist er versöhnt. Da mittlerweile das ganze Viertel mit-„schwedet“ und der drohende Hausabriss immer weiter hinaus geschoben werden kann, sieht alles bestens aus – bis auf einmal Hollywood vor der Tür steht und Tantiemen sehen will …

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„Ghostbusters“ im Eigenbau: Jack Black und Mos Def in „Be Kind Rewind“
(Foto: Junkyard Productions LLC.)

„Be Kind Rewind“ ist eine einfallsreiche, verrückte Komödie mit gut platzierten Gags und unbedingt ein Ensemblefilm. In der sympathischen Crew um Jack Black, den Gondry schon während des Drehbuchschreibens für die Rolle des Jerry haben wollte, agieren u.a. der auch als Rapper bekannte Mos Def, der ergraute Danny Glover, die ungebrochen zauberhafte Mia Farrow und die 23-jährige Melonie Diaz.

Gondry vertritt seine cineastisch-anarchische Grundidee, bekannte Filme einfach mal neu zu drehen, aus Überzeugung. Am Nachahmen sei doch nichts Negatives, wenn daraus eine neue Kreation werde. Und erneut zeigt sich Gondrys Zugang zum phantastischen Kino, wenn er die unrealistische Idee, Filme könnten in kürzester Zeit erfolgreich von Laien neu produziert und auf den Markt gebracht werden, in ein realistisches Setting packt – mit sichtlichem Vergnügen. So geht es in „Be Kind Rewind“ längst nicht nur um die Faszination des Kinos und die Liebe zur Musik, sondern auch um Kreativität als Gemeinschaftserlebnis.

„Be Kind Rewind“ lautet in den USA die Aufschrift auf den Leihvideos. Der deutsche Verleih hat einen ebenbürtig-doppelsinnigen Titel gefunden: „Abgedreht“ läuft ab 3. April 2008 auch in den deutschen Kinos. (gls)

Be Kind Rewind, USA 2008, 98 Min., 35mm Cinemascope, Buch, Regie: Michel Gondry, Kamera: Ellen Kuras, Schnitt: Jeff Buchanan, Darsteller: Jack Black, Mos Def, Danny Glover, Mia Farrow, Sigourney Weaver u.a.

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