57. Internationale Filmfestspiele Berlin – Berlinale 2007

Traumhaft

„Yella“ (Christian Petzold, D 2007)

Eine gescheiterte Ehe, keine Aussicht auf Arbeit: Yella (Nina Hoss) will aus der kleinstädtischen Enge in der ostdeutschen Provinz ausbrechen. Ein Jobangebot aus der Messehauptstadt Hannover scheint neue Horizonte zu eröffnen. Doch der Traum von einem neuen Leben ist schon vorbei, bevor er angefangen hat, der neue Arbeitgeber längst insolvent. In dieser Situation scheint es nicht verwunderlich, dass Yella das Angebot von Philipp (Devid Striesow) annimmt, für ein paar Tage als seine Assistentin zu arbeiten. Im Auftrag einer Private-Equity-Firma bietet Philipp geldknappen Industrieunternehmen Finanzierungen an. Yella kennt sich mit Bilanzen aus, schnell findet sie sich bei den knallharten Verhandlungen in der Welt des Venture Capitals zurecht. Sie kommt Philipps Unterschlagungen auf die Schliche, der unsentimentale Geschäftsmann entpuppt sich als Finanz-Hasardeur mit Traum vom eigenen, großen Investment. Aus den beiden werden Komplizen und Geliebte. Für den Traum von einer gemeinsamen Zukunft blufft Yella ohne Philipps Wissen einen Geschäftsführer über das Limit, es kommt zur Katastrophe, der Traum ist aus.

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Ein Paar wie Bonnie & Clyde: Devid Striesow und Nina Hoss (Foto: Berlinale)

Christian Petzold lag nach eigenem Bekunden nicht die Beschreibung spezifisch west- oder ostdeutscher ökonomischer und sozialer Befindlichkeiten am Herzen. Zwar wählte er das am Ostufer der Elbe gelegene Wittenberg als Ausgangspunkt für Yellas Reise zum Ziel ihrer Träume. Doch Wittenberg steht nur für eine Stadt, in der die Arbeit ausgeht, so Petzold in der Pressekonferenz der Berlinale. Die Flexibilisierung des Geldes sei ein globales Phänomen. Im Mittelpunkt seines Films aber steht eine Frau, die auf dem Weg in eine ungewisse Zukunft einen Gefährten findet.

Auch wenn sich die Inhaltsangabe wie „Wirtschaftskrimi meets Gesellschaftsstudie“ liest, ist „Yella“ viel mehr. Es klingen große Vorbilder an. Hoss und Striesow gemahnen in ihren langen Autofahrten und im gegenseitigen Belauern, das sich ganz langsam in eine unbedingte Komplizenschaft wandelt, an Bonnie & Clyde, an Doc McCoy & Carol. Und die beiden Hauptdarsteller halten dem Vergleich stand. Petzold bewegt sich mit traumwandlerischer Sicherheit in Genres wie dem Road Movie oder dem Mystery Thriller und bleibt doch ganz Petzold. Von Schuld und Vergangenheit fast erdrückt, kämpfen seine Helden um ihr Glück, Petzold beobachtet sie mit Distanz, aber einer einnehmenden Zärtlichkeit. Die dritte Zusammenarbeit mit Nina Hoss wird für seinen zugänglichsten Film gehalten. Das mag an der geradlinigen, spannenden und gleichzeitig vielschichtigen Geschichte liegen, die der hervorragende Erzähler und Schauspieler-Regisseur Petzold geschrieben hat. Aber mit Sicherheit auch an der brillanten Nina Hoss, die als Yella durch den Film schwebt, in den Augen stets die Ahnung eines dunklen Geheimnisses. Ihren Blick vom Beifahrersitz wird man so schnell nicht vergessen. (dakro)

Yella, D 2007, 89 Min., 35 mm. Buch & Regie: Christian Petzold, Kamera: Hans Fromm, Schnitt: Bettina Böhler, Darsteller: Nina Hoss, Devid Striesow, Hinnerk Schönemann, Burghart Kalußner u.a.

 

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