58. Internationale Filmfestspiele Berlin – Berlinale 2008

Sexuelle Versuchsanordnung

„Die Dinge zwischen uns“ (Iris Janssen, D 2008)

Das junge Glück scheint perfekt: Gemeinde-Bibliothekarin Myriam bezieht mit Ehemann und frisch gebackenen Bürgermeister Bernd ihr neues Zuhause, ein Einfamilienhaus in einer konservativen, katholischen Kleinstadt am Niederrhein. Durch einen Zufall entdeckt Myriam, dass ihr Mann regelmäßig ein Bordell jenseits der holländischen Grenze besucht. Anstatt ihn zur Rede zu stellen, versucht Myriam, das Bedürfnis ihres Mannes nach käuflicher Liebe zu ergründen. Sie arbeitet heimlich als Tresenkraft im Bordell und beobachtet Freier und Prostituierte. Ihren Mann irritiert sie mit der Nachahmung leidenschaftlichen Liebesspiels, er will keine Veränderung im heimischen Bett. Myriam jedoch entdeckt ihre Sexualität neu und verliert darüber den Bezug zu ihrem Alltag. Als ein vernachlässigter Freund der Familie Selbstmord begeht, will sich Myriam wieder in die heile Beziehungswelt flüchten. Doch das Paar findet nicht mehr zueinander.

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Der Sex lässt sie nicht mehr zueinander finden: Christoph Jacobi, Daniela Wutte in „Die Dinge zwischen uns“ (Foto: Berlinale)

Selbst in einer katholischen Kleinstadt aufgewachsen, findet Iris Janssen die passenden Protagonisten für ihre Versuchsanordnung zur vermeintlichen Unvereinbarkeit männlicher und weiblicher Sexualität. Eine Atmosphäre provinzieller Enge stellt sich ein, die patriarchalische Dominanz in den sozialen Strukturen einer Kleinstadt ist nachvollziehbar. „So sind Männer eben“, erklärt ihr der Kollege ihres Mannes, als sie bei ihm Rat sucht und schenkt ihr erstmal einen Cognac ein. Bei dermaßen eloquent demonstriertem männlichem Unvermögen zur verbalen Kommunikation leuchtet es ein, dass Myriam sich nichts von einem Gespräch mit ihrem Mann verspricht. Weniger einleuchtend ist allerdings die Naivität der Hauptfigur, die sich von der besten Freundin – von der sie nicht wusste, dass sie sich mit Internet-Sex das Gehalt aufbessert – erst einmal notgeile Männer vorführen lassen muss. Myriam ist schockiert und angewidert. Trotzdem macht sie sich als Sexualforscherin auf ins Bordell. Das vermeintliche Eintauchen in eine geheimnisvolle Welt, die auch in Myriam eine radikale Veränderung herbeiführt, überzeugt filmisch allerdings nicht. Die Inszenierung arbeitet mit gewollt dokumentarisch wirkender Wackelkamera und naturalistischen Dialogen. Das will nicht zu der stark konstruierten Geschichte passen. Überdeutlich transportiert Janssen häufig ihre Statements in Dialog, Spiel und Bild, der Zuschauer wird zu sehr bevormundet.

„Die Dinge zwischen uns“ untersucht sehr ernsthaft das uralte, aber immer wieder interessantes Thema weiblicher und männlicher Lust. Er bleibt aber zu sehr typischen Konstellationen verhaftet und kämpft mit einigen formalen Schwächen. (dakro)

Die Dinge zwischen uns, D 2008, 90 Min., HD. Buch, Regie: Iris Janssen, Kamera: Andreas Köhler, Schnitt: Nicola Undritz, Produktion: Melanie Andernach, Darsteller: Daniela Wutte, Christoph Jacobi, Antje Widdra u.a.

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