48. Nordische Filmtage Lübeck
Länglicher Untergang
„Der Untergang der Pamir“ (Kaspar Heidelbach, Deutschland 2006)
Viel Wasser fließt nicht nur die Elbe hinunter, sondern auch durch den Film-Wassertank auf Malta, um den „Untergang der Pamir“ standesgemäß windig und nass zu inszenieren. Kaspar Heidelbach hat, wie er bereits 2003 mit dem „Wunder von Lengede“ bewies, ein glückliches Händchen für Katastrophen, die nicht spektakulär, sondern länglich daherkommen. Wer sich bei der Spielfilm-Variante der Schiffskatastrophe, die sich am 21. September 1957 im Hurrikan „Carrie“ in der Nähe der Azoren ereignete, dramatische Action erwartet, wird enttäuscht.
Drei Stunden dauerte der Todeskampf der Pamir, bevor sie kenterte und sank, drei Stunden dauert zusammengenommen auch Heidelbachs Zweiteiler. Ein Untergang in Echtzeit sozusagen, der jedoch nicht durch die gute halbe Stunde, die wir mit den fünf Überlebenden in Rettungsboot Nr. 4 bangen, quälend lang wirkt, sondern durch die vielen unnötigen Szenen und Erzählstränge.
(Foto: NFL)
So wird nicht darauf verzichtet, das Bordleben vor dem Sturm in aller Ausführlichkeit zu zeigen, vom Hängematten Aufhängen übers Füttern der Hühner (die bezeichnenderweise keine Eier legen wollen) bis zur pittoresken Äquatortaufe. Erzählerisch führt das jedoch auf viele tote Gleise, zumal Fritz Müller-Scherz’ Drehbuch in solchen Längen auf deren mögliche Funktion zur Zeichnung der Charaktere verzichtet. Die bleiben sowieso recht blass. Bootsmann Aki Lüders etwa, der seine junge Frau verloren hat und in Selbstmitleid versinkt, wäre da nicht sein Töchterchen Jule – und die See, auf die und die Pamir es ihn nun wieder zieht. Bisschen norddeutsche Akkordeonmusik dazu und perfekt ist das Abziehbild, aber kein Charakter. Den vermag allenfalls Klaus J. Behrendt der flachen Figur einzuhauchen. Ebenso ist es bei den weiteren Protagonisten: Die Schauspieler (Jan Josef Liefers als 1. Offizier Hans Ewald, Herbert Knaup als Kapitän Ludwig Lewerenz) retten ihre eindimensionalen Rollen in ein nur durch ihre Darstellung passables Fernsehspiel.
Potential, das allerdings auch weitgehend vergeben wird, steckt in Nebenfiguren wie dem Kadetten Carl-Friedrich von Krempin (Max Riemelt). Er liebt (und schwängert vor der Abreise) die junge Tochter des Bäckers im Dorf irgendwo in Schleswig-Holstein, die seinem Vater, einem alt gedienten aber im Krieg invalidisierten Marineoffizier ebenso unstandesgemäß scheint wie die Ambitionen seines Sohns, Schriftsteller statt Schiffsoffizier zu werden. Da hätte eine Geschichte draus werden können, doch sie bleibt Zierrat. Hergeholt und zu typisiert scheint auch der Erzählstrang über Kapitän Lewerenz’ eheliche Hintergründe, die Affäre seiner an Land vereinsamten Frau mit einem forschen Flugkapitän. Viele Filmminuten, die man getrost überspringen kann, weil sie nicht weiter führen. Dafür bleibt die Chance vertan, etwas mehr über die Hintergründe des Schiffsunglücks zu erfahren, nämlich die aus Profitgier falsche Beladung der Pamir, die – es wurde nie ganz geklärt – zum Kentern im Sturm geführt haben soll. Zwar wird das erzählt, aber wenig einleuchtend.
So wartet man denn die meiste Zeit gespannt, wann endlich wenigstens die „Action“ kommt. Aber viel Wasser vor der Kamera hat Wolfgang Petersen in „Das Boot“ eben auch schon viel besser inszeniert. Es bleibt der Eindruck vertaner Chancen, eines Films, der alle Voraussetzung hat, das aus ihm etwas werden könnte, aber dann länglich untergeht. Kleine Rettungsringe wie die Leistungen der Schauspieler (hervorzuheben neben den schon genannten: Dietmar Bär als knuffiger Funkoffizier Klaus Nissen) einmal ausgenommen. (jm)
„Der Untergang der Pamir“, Deutschland 2006, 180 Min., DigiBeta, Regie: Kaspar Heidelbach, Buch, Fritz Müller-Scherz, gefördert von FilmFörderung Hamburg, Filmstiftung Nordrhein-Westfalen, Nordmedia Fonds (Niedersachsen und Bremen) und MSH.