12. Filmfest Schleswig-Holstein – Augenweide 2008
Bahnen, Banken und Banditen
„Die schiefe Bahn“ (Jim Lacy und Kathrin Albers, D 2008)
Brecht sagte mal, dass es ein größeres Verbrechen sei, eine Bank zu gründen, als sie auszurauben. Dasselbe gilt für Bahnen statt Banken. So weit so links. Doch in Zeiten der Globalisierung neigen auch ehemalige Staatsunternehmen zum Börsengang, also – nach Brecht – zum Verbrechen.
Was bleibt ehemaligen Bahnbeamten, die nurmehr in Beschäftigungsgesellschaften „outgesourcet“ werden? Vielleicht wie in Brechts „Dreigroschenoper“ der Griff der neuen Bettler zur alten Macht. Ein brisantes, aktuelles, politisches Thema greifen Jim Lacy und Kathrin Albers in ihrem bei Augenweide preisgekrönten Animationskurzfilm auf. Doch statt den warnenden Zeigefinger ob der drohenden sozialen Schieflage an der jüngsten Weiche der DB zu erheben, machen sie aus dem Kampf der Entrechteten einen kurzweiligen, lustigen, augenzwinkernden, vor allem aber spannenden Mini-Krimi.
Die Ratten entern das sinkende Schiff (Still aus dem Film)
Was der Krimi an Stereotypen hergibt, sammeln die Filmemacher auf, transponieren sie in ein Lächeln ob der Lügen der Unternehmer. Ein politischer Film? Gewiss! Und doch eine Persiflage auf Lokführerstreiks, die ewigen Verspätungen des „Unternehmens Zukunft“, kurzum ein witziger und gewitzter Rundumschlag gegen die multiplen Schieflagen der Bahn.
Die Dramaturgie folgt dabei dem Krimi- und Bankräuberschema und ironisiert es zugleich. Sozialkritik, wenn man das dann mal so nennen möchte, ist umso wirksamer, als sie Witz hat. Wo in der nicht animierten Realität der Privatisierungszug schon längst abgefahren ist, schicken ihn Lacy und Albers geschickt aufs Abstellgleis. Das hat auch ein wenig was von Vision, von Aufforderung zum Widerstand – und ist insofern ein durchaus politischer Film in der Tradition des politischen Kabaretts.
Auf solch „schiefer Bahn“ gewinnt der Film eine Zugkraft, die über die technische und animatorische Perfektion weit hinausgeht: Ein Filmzug, der so schön abgefahren ist, dass die Bahn eigentlich nie mehr zu spät kommen sollte. Ob die Mehdorns & Co. schlau genug sind – und genügend gute Verlierer, diesen wunderbaren Film in ihr ICE-Kinoangebot aufzunehmen? Dem Fahrplan könnte das zumindest filmisch aus der Schiefe auf die Sprünge helfen. (jm)
„Die schiefe Bahn“, D 2008, 9:45 Min., Buch, Regie, Kamera: Jim Lacy, Design, Animation: Kathrin Albers, Schnitt: Georg Krefeld, Musik: Ed Harris, Ton: Pierre Brandt, Produktion: Stoptrick – Jim Lacy, Kathrin Albers. Gefördert von der Filmwerkstatt Kiel der FFHSH.