Kiel sehen – und lauschen

Kai Zimmer erforscht Kiel als audiovisuelle Kulisse für sein „Seestück“.

„Wie sich eine Stadt am Meer anfühlt“, weiß der gebürtige Kieler Videokünstler, Fotograf und Filmemacher Kai Zimmer eigentlich. Doch seit er von Kiel nach Berlin gezogen ist, ist ihm die Heimatstadt noch geheimnisvoller, also näher. Sein Plan für einen Kiel-Film reifte, als er im letzten Jahr wieder einmal über die Klappbrücke an der Hörn ging, sah und lauschte …

Weniger die Postkartenbilder von gen Skandinavien ablegenden Fähren, die man von dort aus schießen könnte, waren es, vielmehr die Geräusche, die Zimmer beeindruckten, „der Sound der Stadt“. Dennoch ist sein experimenteller Kurzfilm mit dem Arbeitstitel „Seestück“, für den die Filmwerkstatt Kiel der Filmförderung Hamburg Schleswig-Holstein Projektentwicklungsmittel bereitstellte, kein Hörspiel, auch kein Hörfilm, sondern ein neues Beispiel für Zimmers seit langem geübte eigenwillige Montagetechnik von Filmbild und Ton (zuletzt die Sounds von Hollywoods Geräuschemachern in „Night Windows“ – zu sehen und hören gewesen beim Filmfest „Augenweide“ im Mai).

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Kai Zimmer beim Dreh (Foto: jm)

So zieht Zimmer seit Juni durch die Kieler Hafenlandschaften, ausgestattet mit Foto- und Filmkamera, aber auch einem digitalen Tonaufnahmegerät. „Ganz bewusst intuitive“ Vorstudien für einen Film, bei dem „Kiel eigentlich nur Kulisse ist“. Zimmer will keinen klassischen Kiel-Film drehen, kein Stadtporträt. Gleichwohl werde man Kiel zumindest als Kieler in jedem Ton und jedem Bild wiedererkennen. Beide sind für eine der wenigen Hafenstädte, in der Hafen und Innenstadt quasi ein und derselbe Ort sind, einfach typisch und unverwechselbar. Etwa das surreale Bild, das man einfangen kann, wenn man von der Altstadt gen Förde schaut und „Schiffe wie Häuser, die durch die Straßen fahren“, sieht. Oder die Gangways, die sich „wie Nabelschnüre“ mit dem Ostseekai und damit der Stadt verbinden. Zimmer fotografiert und filmt derlei mit dem Teleobjektiv. Ihm geht es um den Ausschnitt, nicht das Panorama, „das Verhältnis von nah und fern, hell und dunkel, außen und innen“.

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Perspektiven auf tönende Details (Fotos: Kai Zimmer)
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Ausgangspunkt sind neben solchen Bildern die nahen und fernen Geräusche des Wassers, des Windes, der Meeresvögel, der Schiffshupen und -Diesel. Nachdem Zimmer nach ersten Geräuschaufnahmen anfangs – „wie man das beim Film so macht“ – mit der Filmkamera unterwegs war, sammelt er jetzt sein Material zunächst fotografisch und mit dem Tonaufnahmegerät. Dem Filmischen nähert er sich dabei aus naher Ferne, vom Detail statt vom großen Überblick her. Entsprechend gibt es weder Drehbuch noch eine vorgefasste Vorstellung, was aus dem Material letztlich wird. Zimmer lässt sich von den Motiven und Geräuschen durch die Stadt am Meer treiben, um die Details für sein „Seestück“ – nicht zufällig ein Begriff aus der Malerei – zu sammeln. Eine Art Puzzle aus Tönen und Bildern. Dieses intuitive, fragmentarische Verfahren ist Zimmer wichtig, um ein „rhythmisches Gefühl“ in Bildern und Tönen zu entwickeln – beim Sehen und beim Lauschen einer Stadt, die das Meer mitten drin hat. (jm)

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