Hollywood für Sparfüchse – Digitales Filmen
Der Titel von Frank Sauerlands schlankem Bändchen ist durchweg ernst gemeint. Es geht um den Spagat zwischen großem Anspruch und kleinem Geldbeutel beim Filmemachen. Auslöser, Kick und Hauptthema ist dabei die Technik, die nie zuvor so leistungsfähig und preisgünstig zugleich war. Das senkt die Einstiegsschwelle zum Filmhandwerk enorm, doch wie soll man den ersten Schritt wagen?
Frank Sauerland, studierter Journalist, Drehbuchautor und Werbefilmproduzent liefert auf gerade einmal 160 Seiten pointierte Tipps und provokante Thesen mit Mut zur drastischen Verknappung.
Die für den Laien eventuell seltsam anmutende Auswahl seiner Ratschläge und Grundregeln zeugt tatsächlich von praktischer Erfahrung und professioneller Abgeklärtheit: Lass Dich nicht verrückt machen vom High-Definiton-Hype, nimm eine 3-Chip-Kamera, schalte die Automatik aus, benutze ein externes Mikrofon, kontrolliere den Ton, sorge für gutes Essen und Toiletten am Drehort und egal wie klein dein Team ist: Tonangler und Fahrer sind unverzichtbar.
Damit wird deutlich, dass sich der Autor vor allem an ambitionierte Amateure wendet, die Orientierungshilfe suchen, um den Vorbildern der großen Leinwand ein Stück näher zu kommen. Es geht um schnelle Spots und großes Erzählkino. Künstlerisch experimentelles Arbeiten oder Dokumentarisches sind nicht sein Thema.
Darin liegt auch ein zentraler Widerspruch dieses Buches. Durchgängiges Leitbild ist der freischaffende, kommerziell erfolgreiche Produzent, der pfiffige Filmideen vermarktet oder mit Industrie- und Messefilmen sein Geld verdient. (Denn welche andere Motivation als Geldverdienen könnte ein Filmemacher haben?)
Doch die detaillierten Hinweise und praktischen Arbeitsanleitungen des Buches propagieren alle ein Filmemachen im Stil des „quick and dirty”, bis hin zu den sehr gelungenen „Zehn Geboten des Guerillafilmens”. Bezeichnenderweise ist dem Autor das gute, alte Kamerastativ ähnlich suspekt wie das Drehbuch, das er für überflüssig hält, zumindest „bei 80 Prozent der Filmaufträge, die ein Produzent in Deutschland erhalten kann. Ein ausgefeiltes Drehbuch kann einen minimalistischen, spritzigen Filmclip eher belasten. Bücher für kleine Movies sind wie Stative. Sie machen den Streifen solide, aber womöglich verliert er an Spontaneität und Ursprünglichkeit.”
In seiner Konzentration aufs Technische verliert sich Frank Sauerland jedoch nie in reinen Basteltipps, sondern verweist dann auf entsprechende Websites. Er warnt sogar davor, die fürs Filmen benötigte Energie beim Bau von Do-it-yourself-Technik im Hobbykeller verpuffen zu lassen. Während dramaturgisch-inhaltliche Fragen eher nebenbei abgehandelt werden und vor allem mit dem Ziel der Verdichtung und Beschleunigung eines Films, ist es besonders lobenswert, dass der Autor immer wieder eine Lanze für den guten Ton bricht, ob bei der Aufnahme oder in der Postproduktion, ein Aspekt, der meist sträflich vernachlässigt wird.
Auch scheut er, trotz der gebotenen Kürze, nicht vor den Details technischer Grundlagen zurück und versucht sich z.B. in der Erläuterung von Codec-Problemen und Signalverarbeitung. Dabei begibt er sich allerdings vereinzelt auf unsicheres Terrain, was in der begrenzten Themenauswahl eines 160-Seiten-Bandes entsprechend schwerer zu Buche schlägt. Die Behauptung, dass die Bewegungsunschärfe („Motion Blur”) einem Videobild „leider völlig fehlt” und dass darin (neben großer Schärfentiefe und mangelnder Auflösung) ein Hauptunterschied zum allseits angestrebten „Filmlook” besteht, ist irreführend (S. 102). Ein Video-Halbbild wird in der Regel mit derselben 1/50 Sekunde belichtet wie ein Einzelbild auf dem Filmstreifen in der Kinokamera, inklusive aller Bewegungsunschärfen (vorausgesetzt die Shutter-Automatik der Videokamera ist ausgeschaltet). Bei der Projektion eines Kinofilms gibt es jedoch zwischen den Einzelbildern jeweils auch eine Schwarzphase von 1/50 Sekunde, die benötigt wird, um den Filmstreifen im Projektor ein Bild weiter zu bewegen. Beim Video fällt diese Schwarzphase durch das kontinuierliche Verzahnen der aufeinander folgenden Halbbilder weg. Im Kino muss das menschliche Hirn eine deutlich größere „Rechenleistung” erbringen, um aus dem Geflacker von Hell und Dunkel ein bewegtes Bild zu erkennen als beim Video. Unser Sehzentrum rechnet sich das Kinobild schön. Das ist der eigentliche Kern des weicheren Filmlooks.
Ohne weiter ins Haarspalterische abdriften zu wollen, sei noch eine weitere kleine Ungenauigkeit erwähnt. Die in Zoll angegebene Chipgröße einer Videokamera bezieht sich in Wahrheit nicht auf die Diagonale des Bildwandlers (S. 15), sondern unverständlicherweise auf den Außendurchmesser einer Braunschen Röhre von vergleichbarer Auflösung. Das ist zwar ähnlich sinnlos wie eine Motorleistung in Pferdestärken oder Schiffsvolumen in Bruttoregistertonnen anzugeben, führt aber zu etwas größeren und daher werbewirksameren Zahlen. Die messbare Diagonale eines sogenannten 1/3 Zoll Chips beträgt also nicht ein Drittel eines Zolls oder Inches (8,5 mm), sondern in Wahrheit nur etwa 6 mm. Das von Sauerland angesprochene Problem der Winzigkeit der elektronischen Bildwandler, wird dadurch allerdings noch untermauert.
Was das Buch auf Anhieb sympathisch und glaubhaft macht, ist der Umstand, dass es seine eigenen Regeln strikt befolgt. Es ist extrem verdichtet und unterhaltsam geschrieben, ohne sich anzubiedern. Es umgeht unnötige Kosten durch Verwendung selbstgemachter Fotos, nachgezeichneter Grafiken und offensichtlich honorarfreier Werbebilder. Themen, die der Autor nicht selbst beherrscht (z.B. Urheberrecht) überlässt er Fachleuten als Gastautor.
Das Schlusskapitel über die deutsche Produktionsmisere im Klammergriff von Fernsehredaktionen und Fördergremien ist eingebettet in eine lesenswerte Reportage vom Besuch auf der Mipcom-Verkaufsmesse in Cannes, dem „Weltmarkt für audiovisuellen Content” (nicht zu verwechseln mit den Filmfestspielen!). Das ist witzig geschrieben, dürfte jedoch an der Kerngruppe der Leserschaft vorbei zielen.
Ein Großteil der Zielgruppe, die nach der Lektüre des Buches mit Ikea-Reispapierlampen, selbstgelöteten XLR-Adaptern und „zum Ferrari getunten” Aldi-Computern dem Hollywood-Ideal hinterher eifert, wird froh sein, wenn ihre Werke unentgeltlich ein Publikum finden auf einem der unzähligen Kurzfilmfestivals, die in Sauerlands Buch keinerlei Erwähnung finden. Auch die zunehmende Möglichkeit, im direkten Kontakt mit Kinoveranstaltern eigene Kurzfilme in Sondervorstellungen und Arthouse-Programmen unterzubringen, kommt vermutlich wegen mangelnder Profitaussicht gar nicht erst vor.
Das Missing Link zwischen Profi-Welt und Consumer-Technik: Der Mini-Klinke-XLR Adapter (Ausriss aus dem Buch)
Wenn man die etwas eingeschränkte Sicht auf das Filmemachen erst einmal akzeptiert hat, ist „Hollywood für Sparfüchse” ein sehr hilfreicher Rundumschlag für Neu- und Quereinsteiger, der die Angst vorm Anfang schmälert und mit seinen fundierten handwerklichen Tipps den Finger gezielt in die typischen Wunden des Amateurfilms legt. Das Buch bricht unterhaltsam respektlos mit alten Lehrsätzen und liefert eine Vielzahl von weiterführenden Anregungen.
In der geballten Konzentration seiner Informationen mag das Büchlein manchen Filmneuling allerdings dennoch überfordern, so dass z.B. ein illustriertes Glossar auf der zugehörigen Website www.digitales-filmen.de sehr wünschenswert wäre. (Lorenz Müller)
Frank Sauerland
Hollywood für Sparfüchse – Digitales Filmen
2., überarbeitete Auflage
2008, 160 Seiten, br., Abb.: 33 sw.
ISBN 978-3-86764-054-1
EUR 14,90
(Praxis Film, Band 40)
UVK Verlagsgesellschaft mbh
www.uvk.de/buch.asp?ISBN=9783867640541