Fünf Minuten Herzschmerz
„Farbenblind“ (Oliver Boczek, D 2008)
Nur fünf verdichtete Minuten braucht der Wendtorfer Filmemacher Oliver Boczek, um ein kleines Horrormärchen zu erzählen. Sein Kurzfilm „Farbenblind“ geht buchstäblich an und ins Herz.
Jan (Janos Hennicke) und Beate (Melanie Riebe) fahren von einer Karnevalsparty nachhause. Auf der Straße plötzlich ein Hindernis: ein Styroporkoffer – drinnen ein Herz, bereit zur Transplantation. Gefahren ins Krankenhaus, wird das lebensrettende Organ schon dringend erwartet – niemand kümmert sich um die Herkunft, keiner darum, dass Jan nur ein karnevalesk verkleiderter Chirurg ist und dass Melanie im Vampirkostüm auftritt. Als der offizielle Rettungswagen ein zweites Herz bringt, ist die surreale Realität komplett …
Zwischen Horror und Herzschmerz: Melanie Riebe als Vampir (Foto: Tim Albrecht)
Wenn Film besondere Ereignisse und Konstellationen als Geschichten festhält, dann ist diese Kurzfilmidee von Oliver Boczek eine. Sie birgt das Drama im Unerzählten, eröffnet Tore für eine Geschichte eines Langfilms, gar eines Krimis. Doch nach fünf Minuten ist das kleine Drama vorbei, lässt Fragen offen, die es nie gestellt hat, sie sich aber den Zuschauer stellen lässt.
Oliver Boczek ist ein Kurzfilm gelungen, der gerade in den Lücken äußerst lebendig wird. Claus Oppermann an der Kamera hat dafür die entsprechend vieldeutigen Bilder gefunden. Und Boczeks Schnitt tut ein übriges: Wenn Nahaufnahmen von Skalpellen aus dem OP und die Verwirrten auf der Landstraße gegengeschnitten werden, entsteht filmische Dramatik.
„Das Herz gibt allem, was der Mensch sieht und hört und weiß, die Farbe“, wusste der Pädagoge Johann Heinrich Pestalozzi, welches Zitat Boczek seinem Kurzfilm erklärend, aber auch enigmatisch hernachstellt. Eine Herzschmerz-Story, die geschickt mit den Genres Horror, Krimi und Mystery spielt – und das in nur fünf Minuten. Sehenswert, wenn auch nur ein Entwurf für einen Film von größerer Länge und mehr von solchem Herzschmerz, gekühlt im Styropor … (jm)
„Farbenblind“, D 2008, HDTV 16:9, 5 Min. Buch, Regie, Schnitt: Oliver Boczek, Kamera: Claus Oppermann.