Vorbildliches Kommunales Kino Latücht in Neubrandenburg vor dem Aus
Aufgrund einer hohen Verschuldung der Stadt, der unverantwortlich verzögerten Bestätigung des städtischen Haushalts 2007 durch die Kommunalaufsicht Mecklenburg-Vorpommern und der späten Verabschiedung des städtischen Haushalts 2008 befindet sich der renommierte Film & Medien Verein Latücht in Neubrandenburg samt seinem Kommunalen Kino, seiner Medienwerkstatt und dem Europäischen Filmfestival dokumentART nach fast 17 Jahren vorbildlicher Arbeit vor dem Aus.
Die Kienbaum-Studie, nach der der Oberbürgermeister zu sparen versucht, und durch Auflagen bedingte Haushaltssperren reduzierten die erforderliche Mindestsumme 2007 bereits um mehr als ein Drittel.
Obwohl nun im städtischen Haushaltsplan 2008 zumindest für das Kino und die Medienwerkstatt die benötigten Summen eingestellt und von der Stadtvertretung am 31.01.08 beschlossen wurden, ist der Verein als Hauptpächter des Kinos nicht mehr vorgesehen. Alle angestellten Mitarbeiter des Vereins (vier feste/ sechs geförderte) wie auch Pacht-, Miet- und andere Verträge mussten bereits zum Ende des vergangenen Jahres gekündigt werden, um das Risiko einer Insolvenz abzuwenden.
Im Januar liefen im Kino nur noch die letzten, durch langfristige Verträge gebundenen Filme und Veranstaltungen. Für Februar konnte schon kein Programm mehr erarbeitet werden.
Und dies, obgleich sich das Kino Latücht, 1991 vom rührigen Verein gegründet und seit 1996 in einer ehemaligen Kirche mit großartigem Ambiente untergebracht, in der mecklenburgischen Stadt sehr großer Beliebtheit erfreut.
Nicht nur medien- wie auch sozialpädagogisch wertvolle Filmprogramme, wie „Filme schauen, statt drauf zuhauen!“, das französische Jugendfilmfestival „Cinéfête“ oder die Schulfilmwochen fanden hier statt, sondern auch viele andere Veranstaltungen und Kooperationen. Die in der Medien-werkstatt arbeitende Senioren-Videogruppe „Rastlos“ zeigte vor vollem Haus ihre Produktionen und das Neubrandenburger Jugendmedienfest mit seinen landesweiten Wettbewerben war hier 14 Jahre zu Hause. Der Verein verstand es, die Kinokirche zu einem kulturellen und bildungs-politischen Leuchtturm für die Stadt und Region zu machen.
Die Nachfrage war groß: Gespielt wurde so gut wie jeden Tag mit 500 Veranstaltungen pro Jahr. Die stattliche Besucherzahl von 25.000 bei 100 Sitzplätzen ist in einer Stadt, einer Region und einem Bundesland, die nicht mit allzu vielen kulturellen Highlights prahlen können, besonders erfreulich. Auch bundesweit erhielt das Latücht mit dem renommierten Kinopreis des Kinematheksverbundes bereits drei Mal große Anerkennung.
Bei all dem geht es um keine große finanzielle Verhandlungsmasse, die hier – als so genannte freiwillige städtische Leistung der Stadt – auf dem Spiel steht: 54.000 Euro erhielt der Verein bis 2006 jährlich aus städtischen Töpfen für sein Kino, 22.000 Euro für die Medienwerkstatt und 43.000 für das Festival dokumentArt. Für das Kino flossen allein – man höre und staune – 43.000 Euro über die Miete und Bewirtschaftung zurück an die Stadt und in städtische Gesellschaften. Somit standen dem Verein unterm Strich weniger als 1.000 Euro monatlich für sein Latücht-Kino zur Verfügung. Weitere Gelder verstand der engagierte Verein mit seinen ehrenamtlichen Mitgliedern stets zusätzlich zu akquirieren oder selbst zu erwirtschaften.
2007 wurden gemäß Kienbaum 33.000 Euro des Gesamtetats des Vereins gestrichen, im November und Dezember 2007 kam noch eine Haushaltssperre von über 10.000 Euro hinzu. 10.000 Euro Mietschulden hat der Verein nun beim Städtischen Immobilienmanagement (SIM). Für diese Summe müssen im Ernstfall die Vorstandsmitglieder persönlich aufkommen. Das dauerhafte Vakuum der vorläufigen Haushaltsführung und die Zurückhaltung eines relativ geringen Stadtzuschusses besiegelt Schicksale und bedeutet zumindest für die vier fest angestellten Mitarbeiter den Verlust der Stelle und damit die Existenzbedrohung in einem von Arbeitslosigkeit gebeutelten Bundesland. Die weiteren, durch ABM und andere Förderprogramme subventionierten Stellen konnten nicht verlängert werden.
Diese missliche Situation ist ungeheuerlich und scheint umso absurder, weil die Stadt selbst 1990 einen Auftrag erteilte, den jetzigen Verein zu gründen, da sie darin die optimale Struktur für das geplante Kino und das Filmfestival sah. Und nicht nur das: Die Stadt „prüft zur Zeit andere Konstellationen“, obwohl sie „die Leistung des Kommunalen Kinos erhalten“ möchte. Nun soll das stadteigene Veranstaltungszentrum (VZN) das Haus betreiben und gegebenenfalls punktuell für einzelne Veranstaltungen an den Verein oder andere Interessenten vermieten.
Hier spielen nicht nachvollziehbare Argumente des laut Kommunalverfassung während des Vakuums allein und uneingeschränkt entscheidenden Bürgermeisters Dr. Paul Krüger (CDU) eine maßgebliche Rolle.
Doch die Erfahrung lehrt: Willkürliche Alleinbeschlüsse ohne Berücksichtigung gewachsener, gut funktionierender Strukturen haben der (Film-) Kunst und (Kino-) Kultur schon immer geschadet. Was mit diesem neuen Vermietmodell für das Kino gewonnen sein soll, bleibt äußerst fraglich.
Nicht zuletzt zahlreiche Leserbriefe in der Lokalpresse und Mails an den Verein belegen, dass die Neubrandenburger ihr in der Stadt fest verankertes Latücht in der jetzigen Form nicht missen möchten.
Die langjährige, effiziente und erfolgreiche Arbeit des Vereins und seines Kinos mit Medienwerkstatt und Festival darf in seiner Existenz nicht durch unüberlegte, willkürliche, persönlich geleitete Argumente eines Bürgermeisters zerschlagen werden.
Dafür plädiert der Bundesverband kommunale Filmarbeit mit seinen 150 Mitgliedskinos mit aller Entschiedenheit.
(nach einer Pressemitteilung des Bundesverbands kommunale Filmarbeit)