Steiniger Weg zum Verstehen

„Du bist mein Afrika“ (Helmut Schulzeck, D 2007)

Eine ganz große Geschichte will Helmut Schulzeck in seinem Dokumentarfilm „Du bist mein Afrika“ erzählen, das deutet schon der Untertitel an: „Eine schwarz-weiße Liebesgeschichte“. Liebesgeschichten sind per se große, denn die Liebe überwindet bekanntlich alle Grenzen, auch die zwischen Kulturen, wie hier die zwischen Helmut und seiner kenianischen Frau Wangechi.

Ganz große Geschichte, der Filmemacher als einer der Protagonisten des eigenen Films, als Erzähler somit auch seiner selbst mit all den Gefahren der Perspektivverengung, die das birgt … mancher Kollege aus der schleswig-holsteinischen Filmszene wiegte da bedenklich den Kopf. Zumal bei einem Dokumentarfilm, denn das Dokumentarische hält ja immer noch, wenn auch durch die Entwicklung der Form hin zu einem eher essayistischen Stil abgemildert, an der Position eines möglichst objektiven Beobachters fest (und das nicht ganz zu Unrecht). Vorbehalte übrigens, die Schulzeck auch beim Einwerben der Fördergelder zu überwinden hatte, obwohl er mit seinem Film „Ich bin kein wildes Mädchen mehr“ über seine Mutter und deren Heimat auf der Kurischen Nehrung bereits bewiesen hatte, dass er mit den Schwierigkeiten autobiografisch gefärbter Dokumentarfilmstoffe durchaus umzugehen weiß.

Ein bisschen wider Erwarten also ist der Film – ausgesprochen gelungen. Das hat mehrerlei Gründe. Zuerst den, dass Schulzeck die ganz große Geschichte im Kleinen erzählt, dass es ihm gelingt, geradezu symbolträchtige Szenen einzufangen. Das schönste Beispiel dafür: Helmuts Kampf gegen den Modder.

Doch zuvor sei kurz der Weg dorthin skizziert. Nachdem Helmut Wangechi 2003 bei einem seiner jährlichen Aufenthalte in Kapstadt auf einem Markt kennenlernte, beide sich sofort ineinander verliebten, Wangechi Helmut in Deutschland für einige Monate besuchte, sie heirateten – nicht nur aus Liebe, auch um die komplizierten deutschen Ausländergesetze ihrer Beziehung nicht im Wege stehen zu lassen -, reist das Paar nach Kenia, Wangechis Heimat.

 border=
Wiedersehen in Deutschland -Wangechi und Helmut (Fotos: hsch)

Wangechis Familie weiß noch nichts von der Heirat und Helmut hat nach kenianischem Verständnis einen Tabubruch begangen, denn eigentlich hätte er bei Wangechis Vater um ihre Hand anhalten und ein Brautgeld bezahlen müssen, auch wenn Wangechi bereits einmal verheiratet war, verwitwet ist und bereits vier Kinder hat. Denkbar schwierige Bedingungen also für den Weißen aus dem fernen Europa auf der Farm in Kenia. Nur schwer lebt sich Helmut ein und erfährt dabei den gleichen Kulturschock wie Wangechi, als sie nach Deutschland kam und bei aller Be- und Verwunderung für das ihr fremde Land doch resümiert: „I have thought, I would come to paradise. But it is not …“ Obwohl Wangechis Familie Helmut nach kurzem Zögern herzlich in den Familienclan aufnimmt, bleiben Zweifel und Unverständnis auf beiden Seiten, auch in der Beziehung des schwarz-weißen Liebespaars.

Wie kann man so etwas dokumentieren, darstellen? Eben im Kleinen: Helmut regt sich zunehmend darüber auf, dass man die Wege, die sich nach den regelmäßigen Regenfällen in Schlammwüsten verwandelt haben, nicht benutzen kann. Wangechi wie ihrer Familie ist es hingegen fremd, sich über so etwas überhaupt Gedanken zu machen – „We don’t care about the mud“, versucht sie ihrem Ehemann zu erklären. Der jedoch packt an, um auf dem schwiegerelterlichen Hof einen Steinweg zu bauen. Halb ratlos, halb hilfsbereit helfen ihm die Familienmitglieder. Am Ende steht Helmut der Schweiß auf der Stirn und der Weg ist misslungen – „derselbe Modder wie vorher, nur jetzt mit Steinen drin“.

 border=
Steiniger Weg: Helmuts Kampf gegen den Modder

Dennoch: Das Ziel war hier nicht der Weg für trockene Füße, sondern sein steiniger Bau, der Versuch einer fast buchstäblichen Annäherung, eines Brückenschlags. Solche Symbolik legt Schulzeck jedoch nicht mutwillig an, sie ergibt sich aus dem dokumentarischen Material, das Leben schreibt quasi selbst seine Erklärungen. Und die große (Liebes-) Geschichte wird in der kleinen, alltäglichen sichtbar.

Auch sonst verfehlt der Film sein Ziel nicht, einen geradezu natürlich sich ergebenden Konflikt der Kulturen und Lebenswelten zu erzählen, indem er beispielhafte Situationen, die „etwas be-deuten“ schlaglichthaft reiht. Ganz nebenbei – weil mittendrin – wird dabei ein instruktives Bild des Lebens einer Familie in Kenia gezeichnet. Tore des Verständnisses im gegenseitigen Unverständnis werden dabei auch aufgestoßen, wenn Wangechis Vater erzählt, dass Kenianer alle Weißen für Millionäre halten, und dieses Vorurteil ironisch mit der zum Teil schmerzlichen Kolonialgeschichte seines Landes verbindet. Gegenseitiges Verständnis ist da, wo man versteht, warum man einander nicht versteht.

 border=
Happy End in Kenia: Wangechi zu Helmut: „You are my husband“

So darf man auch das „Happy End“ dieser ganz persönlichen und doch „Welt-„Geschichte verstehen, wenn Wangechi auf Helmuts Frage, wo sie lieber leben würde, in Deutschland oder Kenia, antwortet: „Here, in Kenia, Home is the best, you know?“ Helmut versteht, der Zuschauer versteht. Ebenso, dass der steinige Weg zum gegenseitigen Verständnis da nicht endet, sondern beginnt, wo Heimat ist – an keinem Ort, sondern wo Menschen in Liebe, Verstehen und Nicht-Verstehen sich einander zuneigen. (jm)

„Du bist mein Afrika. Eine schwarz-weiße Liebesgeschichte“, D 2007, 79 Min., Buch, Regie, Produktion: Helmut Schulzeck, Kamera: Hans Albrecht Lusznat, Bernd Fiedler, Helmut Schulzeck, Schnitt: Kai Zimmer. Gefördert durch die Kulturelle Filmförderung Schleswig-Holstein e.V.

Premiere am Freitag, 7.3.2008, 20.30 Uhr im Kommunalen Kino Kiel. Weitere Aufführungen am 11. und 13.3., jeweils 18.30 Uhr im Kommunalen Kino Kiel.

 

Cookie Consent mit Real Cookie Banner