Musik mit Mehrwert

„chiffren“ stellten ihr Vermittlungskonzept vor.

Das hätte sich Matthias Engler wohl kaum träumen lassen, dass der jetzt in Berlin lebende Schlagzeuger, der sich hauptsächlich mit Neuer Musik beschäftigt, mal von seiner Heimatstadt angefragt würde. Doch seit die „chiffren“ 2006 erstmals die „kieler tage für neue musik“ veranstalteten – mit durchschlagendem Erfolg beim Publikum – und nunmehr vom Netzwerk Neue Musik der Kulturstiftung des Bundes zum Modellprojekt mit einem Fördervolumen von 500.000 Euro für die nächsten vier Jahre erkoren wurden, ist Kiel zur heimlichen Hauptstadt der Neuen Musik aufgestiegen. Entsprechend stolz wie erwartungsvoll stellten die Veranstalter, das Land Schleswig-Holstein, die Landeshauptstadt Kiel sowie das Forum für zeitgenössische Musik, am 16. Januar das Gesamtkonzept vor.

„chiffren ist weit mehr als die bevorstehenden ’kieler tage für neue musik’“ (8. bis 10. Februar), sagte Ministerpräsident Peter Harry Carstensen. „Mit kreativen Formen der Musikvermittlung wird chiffren neue Maßstäbe setzen und dafür sorgen, dass zeitgenössische Musik als innovative Ausdrucksform den ihr gebührenden Stellenwert erhält.“ Als Modellprojekt wird chiffren nicht nur die Biennalen 2008 und 2010 veranstalten, flankiert von den schon 2006 bewährten Vermittlungsprojekten „Tuchfühlung“ (Fortbildung für Lehrer zur Einbindung Neuer Musik in den Unterricht sowie Unterrichtsveranstaltungen mit Komponisten der Biennale) und „Vibrations“ (Proben für junge Musiker unter Anleitung der Komponisten) sowie der 2008 erstmaligen Veranstaltungsreihe „Crescendo“ (Einführungen zu den Konzerten am 23. und 30. Januar, jeweils 20 Uhr im KulturForum). Eine ganze Reihe von Aktivitäten entwickeln die chiffren in den so titulierten „Brücken“ zwischen den Biennalen.

Gerade die Brücken-Veranstaltungen sollen die Neue Musik im „normalen“ Konzertleben, in der musikalischen Ausbildung und in der kooperativen Vernetzung etablieren. Dabei komme es ebenso auf Breiten- wie Spitzenförderung an, so Dr. Friedrich Wedell, künstlerischer Leiter der chiffren. In die „Breite“ geht man mit den „Label“-Konzerten. Etablierte Orchester vom den Kieler Philharmonikern bis hin zu den Ensembles der Uni Kiel werden unter dem Label „chiffren“ Programme mit ausschließlich Neuer Musik gestalten, denn Neue Musik erschließe sich besonders dann, wenn sie „nicht nur als Häppchen gereicht“ werde, so Wedell. Ebenfalls in die Breite gehen die Brücken-Projekte „Musikschulen innovativ“ und „Ensemble in Residence“, die die Neue Musik, besonders ihre neuartigen Spieltechniken, in den Instrumentalunterricht tragen. Das in Gründung befindliche „Landesjugendensemble für Neue Musik“ versammelt experimentierfreudige junge Instrumentalisten, die auf hohem Niveau zeitgenössische Werke interpretieren. Im Projekt „interARTiv“ wird durch eine Kooperation von Studierenden der Lübecker Musikhochschule und der Muthesius Kunsthochschule die Brücke zwischen den Künsten geschlagen.

Der besondere Mehrwert der Neuen Musik liegt darin, dass sie die Hörgewohnheiten hin zu einer aktiven statt bloß konsumierenden Rezeption verändert. chiffren spannt den Bogen hier noch weiter, indem auch zum Komponieren und damit einem noch aktiveren Zugang zur Neuen Musik angeregt wird. Die Lehrerfortbildung „Komponieren in der Schule“ vermittelt, wie man Komposition in den Musikunterricht integrieren kann. Direkt mit Kindern und Jugendlichen komponieren wird der „Composer in Residence“. Ab März veranstaltet Cord Meijering, Direktor der Darmstädter Akademie für Tonkunst und dort bereits seit 17 Jahren eine Kompositionsklasse für Jugendliche leitend, zwei Ferienkurse (Frühjahr und Herbst) sowie im Sommer mehrere Wochenendkurse. In einem Abschlusskonzert am 26. Oktober werden die komponierten Werke professionell aufgeführt. Zu seiner Methodik befragt zeigte sich Meijring ganz im Sinne des Innovationsgedankens von chiffren und der Neuen Musik: „Die einzige Methodik ist das Erfinden der Methode im Tun.“ (jm)

Infos, Programme: www.chiffren.de.

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